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Afghanistan: Flüchtlinge kommen erst nach Jahren nach Europa

Experten diskutierten am Runden Tisch zur Lage in Afghanistan.
Experten diskutierten am Runden Tisch zur Lage in Afghanistan. ©Screenshot
Nachdem die Taliban nun das ganze Land kontrolliert, rechnen Experten nicht mit einer Flüchtlingswelle aus Afghanistan. Die Menschen würden erst in die Nachbarstaaten fliehen und die Lage beobachten.

Der Politikwissenschafter und Sicherheitsexperte Walter Feichtinger glaubt nicht an eine Flüchtlingswelle Richtung Europa nach dem Machtwechsel in Afghanistan. Zunächst würden die Menschen, die das Land verlassen wollen, eher in die Nachbarstaaten fliehen. Erst nach rund fünf Jahren stelle sich erfahrungsgemäß die Frage "Kann ich zurück in mein Land, kann ich hierbleiben oder will ich noch weiter weggehen?", sagte Feichtinger am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Runder Tisch".

Zwischenstopps in Nachbarländern

Der ehemalige Bundesheer-Brigadier Feichtinger betonte, auch 2015 seien die Flüchtlinge zum größten Teil nicht direkt aus Afghanistan nach Europa gekommen, sondern aus Ländern wie dem Iran oder Pakistan, wo sie sich davor jahrelang aufgehalten hätten. Aus der Flüchtlingsforschung wisse man, dass die Leute zunächst "nicht sofort danach trachten, möglichst weit weg zugehen". Das normale Verhalten sei es vielmehr "so weit auszuweichen wie es das eigene Leben erfordert".

Westen sollte Nachbarländer unterstützen

Die zentrale Frage sei, wie sicher Afghanistan in Zukunft sein werde und welche Lebensbedingungen dort künftig herrschen würden, so Feichtinger in der TV-Sendung. Dies sei entscheidend, "wie viele Leute wirklich aus dem Land hinaus flüchten und wie weit sie dann in weiterer Folge flüchten". Der Westen könne hier einen Beitrag leisten, damit die Situation zumindest in den angrenzenden Staaten besser und ein "flüchtlingsgerechtes Agieren" möglich werde. In weiterer Folge gehe es dann darum, den Menschen in Afghanistan selbst ein "möglichst angenehmes Leben zu ermöglichen".

USA brachte sich in brenzlige Situation

Der ehemalige ORF-Auslandsreporter und Afghanistan-Kenner Friedrich Orter stellte die Vermutung in den Raum, das rasche und vergleichsweise unblutige Vordringen der Taliban könnte ein "abgekartetes Spiel zwischen Washington und den Taliban" gewesen sein. Feichtinger sagte dazu, es sei im Hintergrund wohl "viel gemauschelt" worden, so hätten die USA beispielsweise Deals mit den Taliban ohne die afghanische Regierung gemacht. Für ihn sei jedoch klar, dass sich die USA mit ihrem Rückzug "selber überrascht und in eine sehr brenzlige Situation gebracht" hätten.

Zu der Frage des von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch angesichts der Machtübernahme der Taliban erneut abgelehnten Abschiebe-Stopps nach Afghanistan meinte Orter: "Vielleicht sollte man die österreichische Regierung einmal für ein paar Tage nach Afghanistan ausfliegen, zur Einschätzung der realen Lage."

Taliban nahm Kabul ein

Kriegsberichterstatterin und Afghanistan-Expertin Petra Ramsauer analysiert, wie es dazu kommen konnte, dass die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen haben.

(APA/Red)

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