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Ärztekammer warnt vor "Aut idem"-Lösung bei Medikamenten

Die Ärztekammer kritisiert, dass Apotheken bei der Medikamenten-Auswahl nach wirtschaftlichen Kriterien vorgehen.
Die Ärztekammer kritisiert, dass Apotheken bei der Medikamenten-Auswahl nach wirtschaftlichen Kriterien vorgehen. ©APA/BARBARA GINDL (Sujet)
"Aut idem" sieht vor, dass Apotheker das Recht eingeräumt wird, Patienten nicht das vom Arzt verordnete rezeptpflichtige Präparat auszuhändigen, sondern nach eigenem Ermessen ein aus ihrer Sicht gleichwertiges. Die Ärztekammer sieht darin viele Nachteile.

Die österreichische Ärztekammer hat sich am Dienstag bei einem Pressegespräch in Wien heftig gegen eine Wirkstoffverschreibung bei Medikamenten ("Aut Idem" = Latein "Oder das Gleiche", Anm.) gewandt und vor einer "Gefährdung der medikamentösen Patientenversorgung" gewarnt. Man sehe "keinerlei Nutzen, aber viele Nachteile".

Ärztekammer gegen "Aut idem"-Medikamentenversorgung

Vor allem seit Jahresbeginn haben Lieferengpässe für einige Medikamente und Wirkstoffe auch in Österreich den Ruf nach einer Aut-Idem-Lösung bzw. dem vermehrten Einsatz von Generika verstärkt. Mediziner mahnten vor Pressevertretern, die Entscheidungshoheit müsse bei ihnen bleiben. Auch Generika- und Pharmaverband sprachen sich am Dienstag in einer Aussendung gegen eine derartige Lösung aus. "Aut idem" sieht vor, dass dem Apotheker das Recht eingeräumt wird, Patienten nicht das vom Arzt verordnete rezeptpflichtige Präparat auszuhändigen, sondern nach eigenem Ermessen ein aus seiner Sicht gleichwertiges. Ursprünglich sollte dies die rasche Versorgung eines Patienten mit Medikamenten sicherstellen, auch wenn die Apotheke das im Rezept namentlich genannte Medikament gerade nicht vorrätig hatte.

Apotheken würden Medikamente nach Gewinnspanne abgeben

Seit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) diesbezüglich Diskussionsbereitschaft angedeutet hat und Gespräche für Herbst angedacht sind, bemängelt die Ärztekammer den Vorstoß. Vizepräsident Johannes Steinhart, verwies vor Medienvertretern auf "rein wirtschaftliche Motive auf Kosten der Versorgung". Sowohl der Verband der pharmazeutischen Industrie, PHARMIG als auch der Österreichische Generikaverband OeGV gaben an, "keinen Vorteil in einer sogenannten Wirkstoffverschreibung oder auch Aut-Idem-Regelung, wie sie seit einiger Zeit thematisiert werden" zu sehen.

Das Argument, Lieferengpässe könnten vermieden und Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden, wies die Ärztekammer scharf zurück und sprach von "Risiken für Patienten und das Versorgungssystem, auch weil davon auszugehen sei, "dass die Apotheken bei der Auswahl einer Arzneispezialität nach wirtschaftlichen Kriterien vorgehen, also zum Beispiel das Medikament mit der größten Gewinnspanne bevorzugt abgeben werden."

"Entscheidungshoheit müsse beim Arzt bleiben"

"Würden Ärzte nur mehr Wirkstoffe und keine Medikamente mehr verschreiben, würde das nicht nur die Therapietreue auf Patientenseite gefährden, sondern die Versorgung mit Arzneimitteln insgesamt", erläuterte PHARMIG-Generalsekretär Alexander Herzog. Auch OeGV-Präsident Wolfgang Andiel sieht "kein Instrument, um die negativen Folgen von Arzneimittel-Lieferengpässen abzufedern."

"Traditionell gibt es in Österreich eine sehr vernünftige Trennung zwischen der Arzneimittelverordnung durch Ärzte einerseits und der Abgabe dieser Medikamente durch Apotheken andererseits", erläutert Steinhart, der auch als Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte fungiert, Die therapeutische Entscheidungshoheit müsse "dort bleiben, wo sie hingehört - beim Arzt". Er verwies auf "Medizinstudium und die verpflichtend vorgeschriebenen Aus- und Weiterbildungen" und warnte vor "massiven und äußerst problematischen Eingriffe in das bestehende System".

Bei einem häufigen Wechsel von Präparaten könne es etwa zu negativen Auswirkungen auf die Compliance kommen und das Risiko von Fehl- und/oder Mehrfacheinnahmen steigen. Auch würden weder Engpässe in der Medikamentenversorgung gelöst noch das Gesundheitsbudget entlastet. Die Ärztekammer sieht "wirtschaftliche Interessen des Medikamentengroßhandels und seiner Apotheken" im Fokus.

"Aut idem" auf Arzt-Ebene denkbar

Wenn, dann müsse "Aut idem" auf der Arzt-Ebene stattfinden, so Steinhart weiter. Schon beim Verschreiben müsse der Mediziner wissen, dass das Medikament nicht lieferbar ist - durch ein Software-Tool etwa. Dann könne er "mit seiner medizinischen Kompetenz und dem Wissen um die Krankengeschichte seines Patienten ein anderes Medikament verschreiben". Michael Freissmuth, Leiter des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien sprach davon, dass "Aut idem" "völlig einseitig den Arzneimittelgroßhandel mit seinen Apotheken bevorzugen" würde.

(APA/Red)

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