Das ostafrikanische Land lebt noch nach dem von Julius Caesar eingeführten Julianischen Kalender und demnach beginnt das neue Millennium dort sieben Jahre später als im Rest der Welt. Das Land, das international hauptsächlich als Hort von Armut, Hunger und Krieg bekannt ist, möchte sich zu seiner Jahrtausendwende in einem anderen Licht präsentieren. Viele Millionen flossen in die Feierlichkeiten, internationale Popstars sollten auftreten, tausende Gäste aus dem Ausland wurden erwartet.
Seit Tagen schon sind die Straßen der Hauptstadt Addis Abeba blitzsauber und mit Fahnen und Lichtern in den Landesfarben rot-gelb-grün geschmückt. Im Zentrum der Stadt schweben gigantische Friedenstauben über den Meskal-Platz. Die Konzerthalle, in der 20.000 Zuschauer Platz finden, wurde eigens für das Spektakel errichtet, um wenige Monate später wieder abgebaut zu werden. Allgemein wird als Sponsor der saudisch-äthiopische Milliardär Scheich Mohammed el Amudi vermutet – er hatte in den vergangenen Jahren wiederholt größere Konzerte finanziert. Für die Eintrittskarten mussten die Menschen dieses Mal zwischen 270 und 330 Dollar (197 bis 240 Euro) hinblättern.
In einem Land, in dem Investitionen dringend nötig wären, um wenigstens die Grundversorgung der Menschen sicherzustellen, sorgt der Pomp bei manchen durchaus für Unmut. Stellen Sie sich vor, wie viele Menschen profitiert hätten, wenn all das Geld anders ausgegeben worden wäre. Wir brauchen Krankenhäuser und Schulen und nicht provisorische Konzerthallen für die Reichen, beklagt Teferi Zeleke. Der Mitarbeiter einer Hilfsorganisation weist darauf hin, dass sich bei einem Jahreseinkommen von durchschnittlich 160 Dollar (116 Euro) nur wenige Menschen den Eintritt überhaupt leisten können. Sie werden nicht zum Konzert gehen, sie werden es nicht einmal im Fernsehen ansehen können, denn die meisten haben keinen Fernseher, sagt er.
Yohannes Gebresellasie vom Organisationskomitee der Feiern ist anderer Ansicht: Unser Millennium ist nicht nur ein Feiertag wie jeder andere. Es läutet eine Zeit des Friedens, der Toleranz und nachhaltigen Entwicklung unseres Landes ein. Pragmatischer sieht es Tourismusminister Mohammed Dirir: Das Ausland kennt Äthiopien nur durch seine Hunger- und Dürrekatastrophen. Doch das spiegelt schon lange nicht mehr die Wirklichkeit unseres Landes wider. Die Millenniumsfeier ist eine gute Gelegenheit, um unser Image zu ändern.
Äthiopien hat die Folgen der Feudalherrschaft von Kaiser Haile Selassie und die 17 nachfolgenden Jahre totalitärer Führung unter Mengistu Haile Mariam noch nicht überwunden. Menschenrechtsorganisationen warnten den seit zwölf Jahren amtierenden Regierungschef Meles Zenawi, die verschwenderischen Jahrtausendfeierlichkeiten nicht dafür einzusetzen, von Missständen abzulenken. Seit der umstrittenen Wahl 2005 steht die Regierung wegen der Unterdrückung von Oppositionspolitikern in der Kritik – gerade rechtzeitig zu den Millenniumsfeiern wurden die wichtigsten Oppositionsführer nun begnadigt und freigelassen.
All die Kritik und Probleme scheinen die im Ausland lebenden Äthiopier, die zu den Feierlichkeiten in die Heimat reisen, im Moment nicht zu kümmern. Sie hat das Millennium-Fieber gepackt. Die Hotels sind voll, die Fluglinie Äthiopien Airlines meldet 25.000 Buchungen. Es ist eine spannende Zeit, um in Addis zu sein, sagt Michael Fisseha, der eigens von seinem Studium aus den USA angereist war. Es ist ein tolles Gefühl, weil wir das einzige Land sind, das dieses Ereignis feiert.