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ACTA: Von der ersten Idee bis zum vorläufigen Aus

Anti-Piraterie-Abkommen wurde seit 2006 vorbereitet - nun liegt es vorläufig auf Eis.
Anti-Piraterie-Abkommen wurde seit 2006 vorbereitet - nun liegt es vorläufig auf Eis. ©EPA
Ausgehandelt wurde das Urheberrechtsabkommen ACTA - ein Abkommen zur Abwehr von Fälschungen - ohne große Öffentlichkeit.
Protestzug gegen ACTA in Wien
Anti-ACTA-Demo in Bregenz
Pakt sorgt für Aufschrei
ACTA-Entscheidung ausgesetzt
Europaweite Demos gegen ACTA
ACTA: "David gegen Goliath!"
„Das Ende des freien Internets“
Text des Anti-Piraterie-Abkommens

Auch als der EU-Ministerrat den ACTA-Text einstimmig annimmt, macht das fast nur in Fachkreisen die Runde. Erst als polnische Hacker Regierungswebseiten lahmlegen, um gegen das Abkommen zu protestieren, nimmt die Öffentlichkeit Notiz. Die Proteste nehmen zu, Kritiker sehen bürgerliche Freiheitsrechte eingeschränkt. Regierungen rudern zurück, inzwischen liegt ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) auf Eis.

So entwickelte sich die überraschend heftige Debatte um ein Handelsabkommen:

2006: Die USA und Japan ergreifen die Initiative zu einem Handelspakt mit dem Ziel, Urheberrechte auch international durchzusetzen.

2008 bis 2010: Mehrere Staaten und die EU-Kommission handeln den Acta-Vertrag aus.

Dezember 2011: Der EU-Ministerrat nimmt den Text einstimmig an und autorisiert die Staaten, den Vertrag zu unterzeichnen.

22. Jänner 2012: Acta gerät das erste Mal in die Schlagzeilen, weil Hacker in Polen Webseiten der Regierung lahmlegen. Damit protestieren sie gegen die für den 26. Jänner vorgesehene Unterzeichnung.

23. Jänner: Polens Regierung reagiert auf den starken Protest im Land und berät, ob sie die Unterschrift zunächst verschieben solle.

26. Jänner: Die EU und 22 der 27 Mitgliedstaaten – darunter auch Österreich – unterzeichnen das Abkommen in Tokio. Wenn alle 27 Staaten unterschrieben haben, muss das Abkommen noch vom Europaparlament gebilligt und von den Parlamenten der Einzelstaaten ratifiziert werden. In Polen demonstrieren landesweit Tausende gegen das Abkommen.

3. Februar: Unter dem anhaltenden Druck der Proteste setzt Polens Ministerpräsident Donald Tusk die Ratifizierung des Abkommens aus. Am selben Tag greifen Hacker die Webseite des griechischen Justizministeriums an, um gegen die Teilnahme Griechenlands zu protestieren.

6. Februar: Nach Polen setzt auch die tschechische Regierung die Ratifizierung des bereits unterschriebenen Abkommens vorerst aus. Hacker der Gruppe “Anonymous” haben zuvor eine Liste mit Informationen zu allen Mitgliedern der tschechischen Regierungspartei ODS entwendet.

9. Februar: Auch Lettland setzt nach Kritik aus der Bevölkerung die Ratifizierung aus. Unterschrieben hat die Regierung bereits.

10. Februar: Nach verstärkten Protesten kündigt Deutschland an, ACTA vorerst nicht zu unterzeichnen.

11. Februar: Mehrere zehntausend Menschen folgen in verschiedenen europäischen Ländern dem Aufruf von Netzaktivisten und demonstrieren gegen ACTA.

13. Februar: Die Bundesregierung verkündet, dass sie weiter an dem Urheberrechtsabkommen festhält. Bis zum Beginn der Beratungen am 27. Februar im Europaparlament müssten aber noch offene Fragen geklärt werden.

14. Februar: Als Reaktion auf die Proteste im Land setzt auch Bulgarien die nach der Unterschrift noch notwendige Ratifizierung von ACTA aus.

15. Februar: Litauen verschiebt die ACTA-Ratifizierung ebenfalls.

17. Februar: Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sagt, dass Polens ACTA-Unterschrift ein Fehler gewesen sei. Er fordert die Parteiführer der Christdemokraten und Konservativen im Europaparlament auf, ACTA abzulehnen.

22. Februar: Die EU-Kommission reagiert auf die Vorwürfe von Bürgern und Politikern und kündigt an, ACTA juristisch überprüfen zu lassen. Damit wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) beauftragt.

Stichwort ACTA: Das umstrittene Abkommen

ACTA (“Anti-Counterfeiting Trade-Agreement”) ist ein internationales Wirtschaftsabkommen zu Internetpiraterie und Urheberrechtsverletzungen. Sein Ziel ist es, die Durchsetzung von Rechten im Zusammenhang mit geistigem Eigentum zu verbessern und zu gewährleisten. Dies soll gefälschte Markenware aus Fernost ebenso betreffen wie das illegale Herunterladen von Musik im Internet.

Ausgehandelt wurde der Vertrag von den 27 EU-Mitgliedsstaaten, den USA, Japan, Kanada, Australien, Südkorea, Neuseeland, Singapur, Marokko, der Schweiz und Mexiko. Erste Verhandlungen über ACTA begannen 2007, im Mai 2011 wurde die endgültige Fassung des Abkommens vorgelegt. Am 26. Jänner 2012 unterzeichneten die EU-Kommission und 22 Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, den ACTA-Vertrag in Tokio. Mexiko, die Schweiz, Deutschland, Estland, die Niederlande, die Slowakei, und Zypern haben ACTA jedoch bisher nicht unterschrieben. Da ACTA auch Regelungen zum Strafrecht enthält, muss das Abkommen sowohl von der EU als auch von den einzelnen Mitgliedsstaaten unterzeichnet und ratifiziert werden. ACTA kann allerdings nur noch angenommen oder abgelehnt werden, für Veränderungen müsste ein neuer Vertrag ausgehandelt werden.ACTA soll einheitliche Regelungen festgelegen, wie Geschädigte von Urheberrechtsverletzungen reagieren können. Etwa besagt Artikel 9 des Vertrages, dass Strafzahlungen in Höhe des von der Musikindustrie empfohlenen Verkaufspreises berechnet werden können. Kritiker befürchten dadurch horrende Strafzahlungen, etwa für Ausschnitte aus urheberrechtlich geschützten Filmen, die von Nutzern auf Youtube hochgeladen werden. Bisher werden Nutzer meist lediglich abgemahnt, Inhalte stillschweigend von den Plattformen entfernt.

Die EU-Kommission betont, dass es in ACTA nicht um die Beschneidung von Grundrechten gehe, und etwa keine Kontrollen von Laptops von Fluggästen oder Überwachung des Internetverkehrs beinhalte. Kritiker befürchten allerdings, dass das Abkommen Internetserviceprovider zwingt, ihre Kunden und deren Kommunikationsinhalte zu überwachen, um nicht für Urheberrechtsverletzungen haften zu müssen. Zudem wird kritisiert, dass ACTA nicht den Urhebern eines Produktes – etwa Komponisten eines Musikstückes – zu Gute komme, sondern allein den Konzernen.

Nach dem vielstimmigen Protest gegen ACTA soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) klären, ob ACTA europäisches Recht verletzt. Österreich kündigte an, mit der Ratifizierung auf den Beschluss des EU-Parlaments zu warten. Dieser war für 12. Juni geplant, die Überprüfung durch den EuGH könnte eine Entscheidung jedoch für zwei Jahre oder länger hinauszögern, hieß es von EU-Abgeordneten. Auch in Tschechien, der Slowakei, Polen, Lettland, Litauen, Bulgarien und Slowenien wurde der Ratifizierungsprozess vorerst ausgesetzt. Die Niederlande, Deutschland und Estland wollen mit der Unterzeichnung noch abwarten, die Unterschriftenfrist für EU-Staaten endet am 31. März.(APA)

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