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Acht Jahre Haft für gestohlenes Leben

Gestellte Aufnahme &copy APA
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Sieben Jahre lang musste ein kleines Mädchen die sexuellen Gewaltakte eines heute 44-Jährigen ertragen - die erwachsene Frau hat so schwere seelische Schäden davon getragen, dass sie nie eine Beziehung eingehen können wird.


Weil er seine Nichte sieben Jahre lang sexuell missbraucht und mehrmals monatlich vergewaltigt haben soll, wurde ein 44-Jähriger am Montag von einem Wiener Schwurgericht zu acht Jahren Zusatzstrafe verurteilt. Der Mann verbüßt in der Justizanstalt Stein bereits eine zwölfjährige Freiheitsstrafe, da er im Sommer 1999 seine Ehefrau erstochen hat. Der neue Schuldspruch ist nicht rechtskräftig, der Angeklagte erbat Bedenkzeit.


Als sie sich wehrte, wurde sie gefesselt

Laut Anklage begann der Mann mit seinen Übergriffen, als das Mädchen sieben Jahre alt war. Er war 1975 nach Wien gekommen und hatte zunächst Aufnahme bei seinem Bruder gefunden. In dessen Wohnung, im Keller und in einer Gartenhütte soll er das Mädchen zu den sexuellen Handlungen gezwungen haben. Als sie sich zu wehren begann, fesselte er sie laut Strafantrag mit ihrer Springschnur oder einem Kopftuch.

Die psychiatrische Sachverständige Sigrun Rossmanith nahm zu den Folgen der inkriminierten Übergriffen Stellung. Demnach leidet die mittlerweile 28 Jahre alte Frau an einer ausgeprägten Störung der Selbstwertregulation („Sie kann sich nicht annehmen“) und einer schweren Persönlichkeitsstörung („Sie beamt sich aus einer unerträglichen Realität weg“). Albträume, Panikattacken und körperliche Beschwerden machen ihr nach wie vor zu schaffen. „Hauteiterungen und Abszesse sind nichts anderes als die Abbildung der seelischen Wunden“, so die Sachverständige.


Wahrscheinlich nie eine Beziehung möglich

Zur Frage, was die Psychotherapie im vorliegenden Fall bewirken kann, meinte Rossmanith: „Es wäre ein Kunststück, wenn die Wunden verheilen und eine Beziehung zu einem Partner möglich ist.“

Der zum Teil über 20 Jahre zurück liegende Missbrauch war erst ans Tageslicht gekommen, nachdem man den Täter wegen Mordes abgeurteilt hatte. Als seine Nichte verheiratet werden sollte, erzählte sie ihrem Vater bruchstückhaft von den erzwungenen geschlechtlichen Handlungen. Teile der Familie besuchten den mutmaßlichen Täter darauf im Gefängnis und konfrontierten ihn mit diesen Aussagen. Als er fast alles abstritt, erstattete man Anzeige.


Nur die Schenkel berührt

Vor Gericht bemerkte der Angeklagte zu den Vorwürfen, er hätte nur die Schenkel seiner Nichte berührt: „Sonst hab’ ich sie eigentlich nirgendwo angegriffen. Es war auch nie mit Gewalt.“ Die Frau entschlug sich einer neuerlichen Aussage, zumal im Vorverfahren eine ausführliche kontradiktorische Einvernahme auf Video gebannt worden war. Die Geschworenen bekamen das Videoband am Nachmittag zu sehen.

Die Nichte nahm allerdings in Begleitung ihrer Psychotherapeutin auf der Zuhörerbank Platz, um die Verhandlung zu verfolgen. „Damit hofft sie, das Erlebte ein Stück abschließen zu können“, sagte ihre Anwältin Eva Platz.

Redaktion: Birgit Stadtthaler

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