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Abspaltungsbewegung in Schweizerischer Volkspartei

Es brodelt in der Schweizerischen Volkspartei. Hauptursache ist die fragwürdige Behandlung von Ex-Parteimitglied Eveline Widmer-Schlumpf, der aktuellen Justizministerin, durch die SVP-Parteiführung.

Nach langem Hickhack erscheint die Abspaltung einer kleinen liberalen Gruppe unabwendbar. Die Frage ist letztlich wohl nur noch, wie viele Parteiexponenten sich den “Dissidenten” anschließen werden und welche Gemeinsamkeiten sie miteinander verbindet.

Wochenlang beschäftigte die “Hexenjagd” und “Hetzkampagne” der SVP gegen die Graubündnerin Widmer-Schlumpf die Schweizer Presse. Die Rede war von “Sippenhaft” und “Kollektivstrafe” gegen ihre regionale Parteisektion, die in einem Kollektivausschluss gipfelte. Weil die nationale SVP keine einzelnen Mitglieder von Regionalparteien ausschließen kann, entschied man sich für diesen Rundumschlag. Es galt, die Integrität der Partei – sprich: der tonangebenden Zürcher Hardliner um Blocher – zu wahren und eine “Verräterin” abzustrafen.

Liberale Mitglieder der Berner SVP, darunter mit Sport- und Verteidigungsminister Samuel Schmid der andere Minister aus den Parteireihen, kündigten deswegen vergangene Woche die Abspaltung an. Sollte das am Willen der Kantonspartei scheitern, sind sie gar bereit, auszutreten und eine neue Partei ins Leben zu rufen.

Ex-Minister Blocher, jüngst arg kritisiert und sogar von Parteikollegen infrage gestellt, fühlt sich in die Offensive gedrängt. Die Partei hat ihm zwischenzeitlich wieder den Rücken gestärkt. Doch er räumt ein, bei der Kampagne für die umstrittene Einbürgerungsinitiative seien Fehler passiert. Sein bis dahin so sicheres Gespür für die Stimmung im Volk habe ihn ausgerechnet bei einem Kernthema der Volkspartei, der Ausländerpolitik, verlassen, lautet der Tenor der Presse.

Die bittere Abstimmungsniederlage vom vergangenen 1. Juni zur Einbürgerungsinitiative erhöht das Gewicht auf den Schultern des dominanten rechtskonservativen Parteiflügels. Die SVP-Führung um den 33-jährigen Parteipräsidenten Toni Brunner – von den Medien wegen seiner dürftigen strategischen Fähigkeiten getadelt – sowie Strippenzieher und Parteivize Blocher im Hintergrund erwecken bei der Bewältigung der Probleme allerdings keinen souveränen Eindruck.

Partei-Ikone Blocher zerschlug am Samstag das Porzellan wohl endgültig und ließ durchblicken, dass er es sogar begrüßen würde, wenn die Abtrünnigen inklusive Schmid die SVP Schweiz verlassen würden. Brunner blieb konzilianter, äußerte sich aber ebenfalls deutlich: “Es geht nicht an, Bedingungen zu stellen”, sagte er an die Adresse von Hans Grunder, dem Kopf der Berner Abtrünnigen. Dieser verlangte für eine Rückkehr in den Mutterschoß nicht zuletzt, SVP-Fraktionschef Caspar Baader abzulösen, den liberalen Kräften ein eigenes Partei-Vizepräsidentenamt bereitzustellen und Blocher von Fraktionssitzungen auszuschließen.

Der Ex-Minister versuchte, das Image seiner so stolzen SVP zurechtzurücken – mit einem fragwürdigen Rundumschlag gegen die Medien. Er bezichtigte diese, auf Seiten der Regierungsparteien zu stehen und sprach von “italienischen Verhältnissen”, wo Regierungschef Silvio Berlusconi diverse Fernsehsender besitzt. Die SVP zog sich nach der Abwahl Blochers aus der Exekutive in die selbst gewählte Opposition zurück.

Die Partei-Ikone beklagte, die Presse male ein “Verlierer-Image” der SVP, obwohl sie die “erfolgreichsten zwei Wochen ihrer Geschichte” hinter sich habe. Nicht wegen der nicht erwähnten Abstimmungsniederlagen und den internen Zwistigkeiten, sondern weil sich die SVP jüngst im Nationalrat durchgesetzt habe, der sich gegen obligatorische Wiederholungskurse des Schweizer Milizheeres im Ausland ausgesprochen habe.

Die SVP-Dissidenten um die abweichlerischen Berner Parteimitglieder, einigen Exponenten aus Glarus und der bereits ausgeschlossenen SVP des Kantons Graubünden stehen indes vor einer kniffligen Aufgabe. Sie sind auf der Suche nach einer Leitfigur für ihre neue Partei. Grunder würde sich diesen Posten durchaus zutrauen wenn sich niemand anders findet. Doch selbst dann würde es der neuen Partei an zugkräftigem Personal fehlen, resümiert die “Sonntagszeitung”.

Die Parteivordenker können sich deshalb vorstellen, das neue Gebilde ganz auf Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf ausrichten. Diese bestätigte gegenüber dem Blatt ihre Bereitschaft, in der neuen Partei mitzumachen. In welcher Form das sein wird, werde sie gemeinsam mit ihren politischen Weggefährten entscheiden.

Derweil zeigt eine Studie von Politforscher Michael Hermann das zentrale Problem der Dissidenten auf: Bei ihren politischen Positionen zeigen sich tiefe Gräben. Es dürfte für sie schwierig werden, eine breite, gemeinsame politische Basis zu finden

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