AA

Abschied vom VW-Käfer

Über 20 Millionen produzierte Fahrzeuge - die Geschichte des VW-Käfer ist eine Erfolgsstory. Nun aber ist Schluss: der letzte Käfer rollt am 10. Juli vom Produktionsband in Mexiko.

Für manche ist er ein „Schlachtross“, für andere schlicht ein „Wunder“: Mexikos Taxifahrer lieben den Käfer, und Mexiko-Stadt ist das größte Auto-Museum der Welt. Hier kurven noch rund 80.000 grün-weiße Käfertaxis durch die Straßen – gerade mal so viele Käfer sind in ganz Deutschland zugelassen. Das „Volkswägelchen“ (vocho) gehört zum Straßenbild wie Taco-Stände oder Marien-Altäre. Doch nun geht der Bucklige in Rente. Ab Donnerstag ehrt das Volkswagen-Werk in Puebla den Käfer mit einer „letzten Edition“. Ein paar Wochen später ist dann endgültig Schluss für das Auto, das mit 21,6 Millionen Exemplaren eines der meistgebauten der Welt ist.

Die Autostadt Puebla: Seit VW hier 1967 die Käfer-Produktion aufnahm, ist der Ort südöstlich von Mexiko-Stadt ein zweites Wolfsburg. Der Einfluss von Volkswagen ist nicht zu übersehen – auf allen Straßenschildern im historischen Zentrum prangt das VW-Zeichen. Selbst die Kathedralen sind VW-gesponsert. Zulieferer und Händler eingerechnet arbeiten rund 60.000 Poblanos für den deutschen Autobauer. Rund 1,5 Millionen Käfer liefen hier, in der weltweit letzten Produktionsstätte, seit den 60er Jahren vom Band.

„Wenn der Käfer ausläuft, ist es ein Stück Geschichte, das zu Ende geht“, sagt der Sprecher von VW Mexiko, Thomas Karig. Sie begann vor rund 70 Jahren, als Ferdinand Porsche die ersten Pläne zu dem „Volksauto“ vorstellte. Adolf Hitler wollte jede deutsche Familie mit dem „Kraft-durch-Freude-Wagen“ ausstatten, aber erst nach dem Krieg sprang die Produktion wirklich an. Nach Mexiko kam der Käfer bei einer Industrieausstellung 1954 – und lief und lief und lief. Der Unkaputtbare wurde zum rollenden Mythos. In Deutschland wurde dagegen bereits vor 25 Jahren im friesischen Emden der letzte Wagen gefertigt.

In Puebla ist die Geschichte noch lebendig. Im Werk liegt innerhalb von 500 Metern ein Technologieunterschied von 50 Jahren:
Während Roboterfamilien Kofferraumdeckel oder Türen für den Jetta fertigen, schweißen in der gleichen Halle zwei Arbeiter in Blaumann und Schutzhelmen per Hand die Käfer-Karossen zusammen. Das Band ist immer noch das gleiche wie in Wolfsburg vor 50 Jahren.

„Die Arbeiter sind alle Handwerker, fast Künstler“, schwärmt Karig. Mit der Pensionierung des Käfers ist für solches Kunsthandwerk allerdings kein Platz mehr: Noch Anfang des Jahres schraubten und schweißten 400 Menschen am Käfer. Sie sollen nun an anderen Stellen im Werk untergebracht werden.

Schuld ist der einbrechende Absatz: Von Jänner bis April dieses Jahres wurden noch nicht einmal mehr 4.000 Käfer verkauft. Im Jahr 2000 waren es dagegen noch zehnmal so viele. Ein bisschen ist VW an dem Rückgang selbst schuld, räumt Karig ein. Lange Zeit war der Käfer mit rund 6500 Euro in Mexiko auch als Familienauto konkurrenzlos günstig. Doch jetzt bietet Volkswagen mit dem Pointer, einer Art Polo, eine Alternative, die noch nicht einmal 1.000 Euro mehr kostet.

Einen kleinen Trost hält VW für Liebhaber bereit: Die Sonderedition, die am Donnerstag anlaufen soll. Hellblau oder cremeweiß lackiert und mit Weißwandreifen und verchromten Radkappen soll sie an den Ur-Käfer erinnern.

Überschattet wird der Festakt von Problemen im Werk Puebla. Durch Produktionskürzungen sind dort rund 2000 Arbeitsplätze bedroht. Dies liegt allerdings weniger am Käfer, als am Einbruch im US-Geschäft. Der Jetta und vor allem auch der Käfer-Nachfolger New Beetle sind dort schlicht nicht gefragt. Eine Legende lässt sich eben nicht so einfach kopieren.

  • VIENNA.AT
  • Chronik
  • Abschied vom VW-Käfer
  • Kommentare
    Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.