Ausschlaggebend für den Koalitions-Austritt seien "Ereignisse und öffentliche Auftritte, die Zweifel daran aufkommen lassen, dass der VSStÖ an der Uni Wien Antisemitismus klar und konsequent benennt und ihm entgegentritt", hieß es zunächst aus der GRAS an der Uni Wien. Seit dem Abschluss der Koalition vor rund fünf Monaten habe es an der Hochschule einen starken Diskurs um das Thema Nahost gegeben, so die stellvertretende ÖH-Vorsitzende an der Uni Wien, Ida Belaga (GRAS), zur APA - was auch grundsätzlich gut sei.
Zuletzt habe sich dies aber in einer Atmosphäre abgespielt, die nicht tragbar sei. So seien etwa bei Demos am 8. Oktober vor dem Hauptgebäude der Universität Wien Parolen wie "Intifada - only solution" skandiert und antisemitische Symbole wie das sogenannte "Hamas-Dreieck" gezeigt worden. Am offiziellen Instagram-Account des VSStÖ Wien habe man sich aber mit der Veranstaltung solidarisiert, eine spätere Distanzierung sei ausgeblieben.
"Entfremdung unüberbrückbar"
Dazu hätten andere Entwicklungen in ähnlichem Zusammenhang, "zu einer Entfremdung geführt, die aus Sicht der GRAS Uni Wien nicht mehr überbrückbar ist". Unter anderem habe der VSStÖ auch eine Quelle dafür verlangt, dass der Hamas-Angriff vom 7. Oktober antisemitisch motiviert gewesen sei, so Belaga.
Bei den roten Studierenden, die die mit Abstand meisten Mandate in der Universitätsvertretung stellen, zeigte man sich auf APA-Anfrage zunächst überrascht: Die konkreten Vorwürfe seien gegenüber dem VSStÖ vorab nicht geäußert worden. "Antisemitismus hat im VSStÖ keinen Platz. Der VSStÖ wird alle Geschehnisse genauestens prüfen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen." In jahrzehntelanger Arbeit habe man an der ÖH Uni Wien dem beständigen Kampf gegen Antisemitismus und für freie Hochschulen oberste Priorität eingeräumt und werde dies auch weiter tun.
Kritik von vielen Seiten
Kritik am VSStÖ an der Uni Wien kam in einer Aussendung von den Jüdischen Hochschüler:innen: Man arbeite seit vielen Jahren gut mit allen roten Jugendorganisationen zusammen - etwa mit der SJ, den Roten Falken und der VSStÖ-Bundesorganisation. Einzig mit dem Verband an der ÖH Universität Wien sei die Kooperation vollkommen gescheitert. "Wir fordern alle sozialdemokratischen Jugend-Verbände sowie die SPÖ-Bundespartei unter Andreas Babler dazu auf, das Personal an der ÖH Universität Wien vollständig und ausnahmslos auszutauschen." Ähnlich auch der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft, Oskar Deutsch, auf X. "Antisemitismus hat viele Gesichter. Auf den Unis gibt er sich progressiv, ist aber eine Gefahr für jüdische Studierende." Damit müssten sich alle politischen Kräfte auseinandersetzen - "speziell bei antisemitischen Tendenzen in den eigenen Reihen".
Die AktionsGemeinschaft (AG) meinte via Social Media, dass die ÖH keine gesellschaftspolitischen Positionen einnehmen dürfe, die einzelne Gruppen ausschlössen oder ihnen Gewalt androhten. Für die JUNOS Studierenden war der Schritt der GRAS überfällig: "Der VSStÖ hat sich wiederholt nicht klar von antisemitischen Tendenzen distanziert. Im Gegenteil - manche Funktionär:innen fördern diese sogar." Die FPÖ bezeichnete das Zerbrechen der links-grünen ÖH-Koalition an der Universität Wien als "längst überfällige Konsequenz der katastrophalen Zustände im linken Sumpf unserer Hochschulen", so Linksextremismus-Sprecher Sebastian Schwaighofer.
Sondersitzung soll Verhältnisse klären
An der Uni Wien will die GRAS nun eine Sondersitzung der Universitätsvertretung einberufen, "um diese Vorkommnisse aufzuarbeiten und die Verhältnisse an der ÖH Uni Wien zu klären". Für eine Zusammenarbeit müsse der VSStÖ Wien klare Konsequenzen ziehen, sich eindeutig positionieren und personelle Schritte setzen, "die verlorenes Vertrauen wiederherstellen".
In der Universitätsvertretung der Uni Wien verfügt der VSStÖ über zwölf der 27 Mandate, die GRAS über sechs, der Kommunistische StudentInnenverband - Linke Liste (KSV-Lili) über drei, der konkurrierende Kommunistische StudentInnenverband - KJÖ (KSV-KJÖ) und die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) über je zwei sowie die Fachschaftslisten und die Jungen Liberalen Studierenden (JUNOS) über je eines. Gemeinsam mit dem KSV-Lili oder dem KSV-KJÖ würde der VSStÖ ebenfalls über eine Mehrheit verfügen.
Rot-Grün auch auf Bundesebene
In der gleichen Konstellation wie an der Uni Wien stellen VSStÖ und GRAS auch in der Bundes-ÖH die Exekutive. Für die dortige Zusammenarbeit sieht man im VSStÖ keine Auswirkungen.
(APA)