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Christian Wehrschütz entging in Ukraine Drohnenangriff

Christian Wehrschütz.
Christian Wehrschütz. ©APA/FLORIAN WIESER
ORF-Reporter Christian Wehrschütz wird den 8. November wohl nicht so schnell vergessen.

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz (64) ist am Samstag in der Ostukraine nur knapp einem Drohnenangriff entgangen. Der Kriegsberichterstatter befand sich laut Medienberichten mit zwei Vertretern der Hilfsorganisation "Proliska" und einer spanischen Journalistin in einem Fahrzeug nahe der Front in der Oblast Donezk, als die Attacke erfolgte. Verletzt wurde niemand. Laut Wehrschütz handelte es sich um eine russische FPV-Drohne "mit einer Sprengladung für einen Panzer".

Einen entsprechenden Bericht der "Kronen-Zeitung" bestätigte der langjährige Reporter des Österreichischen Rundfunks im Ö1-"Mittagsjournal". Die Gruppe war demnach am frühen Samstagvormittag auf einer Recherche zu Evakuierungen von Zivilisten im Frontgebiet von Kostjantyniwka (russisch: Konstantinowka), einer ostukrainischen Industriestadt.

"Sprangen aus dem Auto"

Der Leiter der humanitären Mission "Proliska" in der Region Donezk, Jewhen Tkatschew, schilderte die Vorgänge folgendermaßen: "Wir waren mit dem Kaplan Oleg Tkaschenko in seinem gepanzerten Auto unterwegs, um vier oder fünf Adressen anzusteuern. Am Ortseingang von Kostyantyniwka, im Bezirk Novoseliwka, bogen wir um eine Kurve und entdeckten in 10 bis 15 Metern Entfernung eine Drohne, die über eine Glasfaserleitung flog. Als wir sie sahen, hielten wir das Auto an und sie begann sich zu bewegen. Wir sprangen aus dem Auto und in diesem Moment griff sie uns an."

Wehrschütz schilderte die Situation aus seiner Sicht so: "Wir fahren eine Linkskurve, und plötzlich schreit der Mitarbeiter der Hilfsorganisation, der hinter mir sitzt: ,Achtung, stehen bleiben, raus dem Auto!'" Der Fahrer stoppte das Fahrzeug, Wehrschütz und seine Begleiter sprangen augenblicklich aus dem Wagen. "Ich wusste, das kann nur eine Drohne sein", so Wehrschütz im Gespräch mit der "Krone". Nur Augenblicke danach sei auch schon ein Geschoß eingeschlagen.

"Gott sei Dank, wir leben!"

Wegen der Gefahr von Splittern hätten sich alle "auf den Boden gehaut", so Wehrschütz im "Mittagsjournal". Nachsatz: "Es war gut, dass wir alle draußen waren. Gott sei Dank, wir leben!" Der Proliska-Mitarbeiter habe ihnen allen "das Leben gerettet". Gegenüber "Ö1" ergänzte der langjährige ORF-Journalist: "Wir hatten mehrere Schutzengel". Am Fahrzeug entstand erheblicher Sachschaden.

Laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform gab es am Samstag in der Region mehrere Attacken durch FPV-Drohnen. Eine tötete in Kostjantyniwka einen Radfahrer, eine andere traf einen Minibus und verletzte drei Insassen.

Wehrschütz berichtete von Netzen

Entlang der Front seien Netze gespannt, um derartige Drohnen abzufangen, berichtete der ORF-Reporter weiters im ORF-Hörfunk. Ihr Fahrzeug sei zudem mit Einrichtungen ausgestattet gewesen, um Drohnen abzuwehren, allerdings greife das System bei FPV-Drohnen nicht. "Die kann man nicht elektronisch stören", erläuterte Wehrschütz.

FPV-Drohnen (FPV steht für "First Person View "- etwa: Ich-Perspektive) werden vor allem direkt an der Front eingesetzt, etwa gegen Panzer. Sie sind mit einer speziellen Kamera und einem Übertragungssystem ausgestattet, die es dem Drohnenpiloten ermöglichen, die Drohne aus einer Perspektive zu steuern, als säße er selbst im Cockpit. Durch die erst seit relativ kurzer Zeit im Einsatz befindlichen Drohnen gebe es dadurch auch hinter der Frontlinie "keine Sicherheit mehr", analysierte Wehrschütz auf Ö1.

Es ist laut "Krone" nicht das erste Mal, dass Wehrschütz im Zuge seiner Berichterstattung über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in eine lebensbedrohliche Lage geriet. So erlebte der Ukraine-Korrespondent im Jahr 2022 den Beschuss durch russische Raketen, als er in einem Hotel übernachtete. Erst vor einigen Wochen war ein Kameramann aus dem Team von Wehrschütz bei einer Verkehrskontrolle in der Ukraine festgenommen und mehrere Tage lang festgehalten worden.

Meinl-Reisinger und Marchetti äußerten sich

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) erklärte in einer ersten Reaktion, der Angriff auf Korrespondent Wehrschütz und das Helferteam zeige erneut die Brutalität dieses Krieges. "Russland greift gezielt auch Zivilpersonen, Helferinnen und Helfer sowie Journalistinnen und Journalisten an - das ist absolut inakzeptabel. Russland müsse das verbrecherische Töten endlich einstellen und Verhandlungen ermöglichen, so die NEOS-Politikerin laut ihrem Büro. "Unsere Solidarität gilt allen, die unter diesen Umständen tagtäglich versuchen, Leben zu retten und über das Leid der Bevölkerung zu berichten."

Das Außenministerium (BMEIA) stelle der betroffenen ukrainischen Hilfsorganisation Proliska 1.000 Euro als rasche und unbürokratische Hilfe zur Verfügung, hieß es weiter, auch damit "ein Teil des Schadens rasch behoben werden kann". Mit der Unterstützung für Proliska setze das BMEIA ein "Zeichen der Solidarität mit jenen, die unter schwierigsten Bedingungen humanitäre Hilfe leisten, und bekräftigt Österreichs Engagement für den Schutz von Zivilpersonen, Helferinnen und Helfern sowie Journalisten in Konfliktgebieten", wurde betont.

Auch ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti unterstrich am Samstag in einer Aussendung, der Angriff auf einen österreichischen Journalisten sei "inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen". Der Vorfall reihe sich ein "in eine Serie von schwerwiegenden Verletzungen des Völkerrechts, die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine getätigt wurden". Russlands Angriffe auf Zivilpersonen seien "eindeutig völkerrechtswidrig". Russlands Präsident Wladimir Putin müsse "diesen brutalen Angriffskrieg endlich beenden", so Marchetti.

Wehrschütz: "Erwarte mir keinen Heldenstatus"

Die "edition a" verwies in einer Aussendung auf das jüngst in diesem Verlag erschienene Buch "Frontlinien. 25 Jahre zwischen Krise, Krieg und Hoffnung", in dem sich Christian Wehrschütz über die Lebensgefahr in seinem Job Gedanken macht. "Ich habe immer gesagt, wenn mir was passieren sollte, dann gilt das einfache Bergsteigerprinzip: Wärst nicht aufgestiegen, wärst nicht runtergefallen. Ich erwarte mir keinen Heldenstatus, weil mich ja niemand zwingt, dort hinzugehen", wurde daraus zitiert. "Aber eines ist klar: Du kannst immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein. Du hast nie eine Garantie, dass nicht dort reingeschossen wird, wo du gerade sitzt."

(APA/Red)

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