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Zahl der antisemitische Vorfälle in Österreich bleibt hoch

Die IKG meldet 726 antisemitische Vorfälle im ersten Halbjahr.
Die IKG meldet 726 antisemitische Vorfälle im ersten Halbjahr. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Im ersten Halbjahr 2025 registrierte die Antisemitismus-Meldestelle 726 antisemitische Vorfälle in Österreich, wie die IKG am Mittwoch mitteilte. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres wurden 808 Fälle gemeldet, während es im Jahr 2023, vor den Angriffen der Hamas in Israel, 311 Fälle waren.
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Die Regierung hat bekannt gegeben, dass die überarbeitete Nationale Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus vorgestellt wird. Die Präsentation erfolgt am 10. November, wie der zuständige Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) mitteilte. "Wenn wir Jüdisches Leben in Österreich erhalten wollen, braucht es Schutz, Solidarität und klare Haltung - jeden Tag", sagte er. Man wolle ein "klares Zeichen setzen", die aktuellen Zahlen seien ein Weckruf. "Antisemitismus bleibt in Österreich auf hohem Niveau und wird zunehmend als normal hingenommen", so Pröll.

Antisemitische Vorfälle in Österreich werden seltener gemeldet

"Der antisemitische Tsunami wurde zu einer andauernden Überflutung", betonte auch IKG-Präsident Oskar Deutsch. Die Lage für Jüdinnen und Juden sei bedrohlich, jüdisches Leben sei aber weiterhin "selbstverständlicher Bestandteil Österreichs". Dies sei nur dank umfassender Sicherheitsvorkehrungen möglich.

Die Statistik umfasst fünf physische Angriffe, acht Bedrohungen, 78 Sachbeschädigungen, 203 Massenzuschriften und 432 Fälle von verletzendem Verhalten. Besonders oft gab es israelbezogenen Antisemitismus, antisemitisches "Othering" und Relativierungen der Shoah. In 77 Fällen kam es zu einem Aufruf oder zur Verherrlichung von Terror gegen Juden. Mit 202 der gemeldeten Vorfällen waren die meisten politisch links motiviert. 195 kamen von muslimischen Personen oder Organisationen, 147 von rechten. Bei 182 konnte die Weltanschauung nicht festgelegt werden.

Die Meldestelle berücksichtigt nur eindeutig antisemitische Fälle. Die Meldebereitschaft dürfte rückläufig sein, "weil sich von Antisemitismus Betroffene zunehmend zurückziehen", hieß es. In den Sommermonaten - also nach dem Berichtszeitraum - habe es eine Häufung besonders bedrohlicher Fälle gegeben. Der komplette Jahresbericht soll dann im Frühjahr 2026 erscheinen. Politik, Justiz und Zivilgesellschaft müssten gegen Antisemitismus eintreten, forderte die IKG.

Karner: "Zusammenleben in der Öffentlichkeit sichtbar erhalten"

Dem stimmte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer schriftlichen Mitteilung zu: "Das entschlossene Vorgehen gegen Antisemitismus ist wesentlicher Teil unserer Regierungsarbeit." Der Staat arbeite mit den Kultusgemeinden gut zusammen. "Der Auftrag an die Sicherheitsbehörden ist dabei klar: Schutz der jüdischen Gemeinschaft in Österreich, mit dem Ziel ihr Zusammenleben in der Öffentlichkeit auch sichtbar zu erhalten", so Karner.

Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) zeigte sich im Foyer nach dem Ministerrat über die Zahlen "zutiefst betroffen" und betonte den Hintergrund der Täterinnen und Täter: Muslimisch motivierter Antisemitismus liege bei den Gesamtdelikten auf Platz zwei und bei den tatsächlichen Angriffen an der Spitze. "Gewalt gegen Jüdinnen und Juden kommt zunehmend aus islamistisch geprägten Milieus, und das ist eine ganz besorgniserregende Entwicklung." Für die Bundesregierung sei klar, dass für Jüdinnen und Juden in Österreich jederzeit ein Leben ohne Angst möglich sein müsse. "Jeder, der jüdisches Leben in Österreich bedroht, bedroht gleichzeitig auch unsere Demokratie."

"Die Ergebnisse bestätigen unter anderem den engen Zusammenhang zwischen Entwicklungen außerhalb von Europa und der Radikalisierung gegen unsere jüdischen Mitbürger:innen in Österreich", warnte Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ). Diese Entwicklung müsse bekämpft werden, auch mit Blick auf die Vergangenheit: "Erinnerung darf nie Stillstand bedeuten. Sie verpflichtet uns, Antisemitismus entschieden entgegenzutreten und jüdisches Leben aktiv zu schützen - in Österreich, weltweit und jeden Tag."

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) schrieb in einem Statement, Bundesregierung und Gesellschaft müssten "noch entschlossener gegen Gewalt, Hass und Hetze auftreten". Deshalb werde die Nationale Strategie gegen Antisemitismus überarbeitet und Demokratiebildung ausgebaut. "Denn Antisemitismus richtet sich nicht nur gegen Jüdinnen und Juden, sondern gegen unsere demokratischen Grundwerte."

Ein konsequentes Vorgehen der Regierung forderte Lukas Hammer, Sprecher der Grünen für Gedenkpolitik, in einer Aussendung. "Als Grüne stehen wir seit jeher gegen jede Form des Antisemitismus ein, egal von wem er geäußert wird." Der Kampf gegen Antisemitismus sei ein "umfassender und gesellschaftspolitischer Auftrag", so Hammer.

(APA/Red)

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