"Die Lage ist ernst": Demokratie-Index mit ernüchterndem Ergebnis für Österreich

Der Zustand der Demokratie in Österreich hat sich laut Demokratie-Index in den Bereichen Grundrechte, Zivilgesellschaft und Medien deutlich verschlechtert. Der Index beschreibt einmal jährlich den Zustand und die Entwicklung demokratischer Indikatoren in Österreich und wurde am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien vorgestellt. Bewertet werden sieben Institutionen der Demokratie: Souverän, Parteien, Legislative, Exekutive, Justiz, Medien und Zivilgesellschaft.
Österreichs Demokratie auf dem absteigenden Ast
Der Index wurde zum vierten Mal von neun demokratiepolitischen Organisationen erarbeitet, die sich im Verein "Demokratie-Index" zusammengeschlossen haben. Insgesamt fließen 115 Einzelanforderungen in die Bewertung ein. Der Gesamtwert sank zunehmend seit dem ersten Index 2022 mit einem Wert von 55,7 Prozent auf aktuell 55,1 Prozent. Die Berechnung wurde in diesem Jahr geändert und auch rückwirkend angewandt, weshalb die Zahlen nicht mit jenen vergangener Berichte übereinstimmen.
In den vergangenen zwei Jahren hätten sich positive und negative Entwicklungen in etwa die Waage gehalten, erklärte Vereinsobmann Mathias Zojer: "Es gibt aber einen eindeutigen Trend und der zeigt abwärts." Positiv habe sich das neue Informationsfreiheitsgesetz ausgewirkt, dessen konkrete Effekte aber noch abzuwarten seien.
Verstärkte Überwachung als Faktor
Eine massive Verschlechterung im Bereich digitaler Grundrechte sah dagegen Thomas Lohninger vom Verein epicenter.works, der sich für digitale Rechte einsetzt. Er verwies auf verstärkte Überwachung, etwa durch den beschlossenen Bundestrojaner und die geplante flächendeckende Innenstadtüberwachung durch die Polizei. Zudem sei die Datenschutzbehörde durch Spardruck in ihrer Arbeit stark eingeschränkt und könne zentrale Aufgaben wie amtswegige Prüfungen oder juristische Stellungnahmen nicht mehr wahrnehmen.
Causa Peršmanhof blieb nicht folgenlos
Auch im Bereich der Menschen- und Grundrechte gebe es "besorgniserregende Entwicklungen", sagte Marianne Schulze von der Österreichischen Demokratie-Stiftung. Sie verwies auf den Stopp des Familiennachzugs, den Gesetzesentwurf zum Kopftuchverbot sowie auf zunehmende freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Pflege- und Altersheimen. Die Menschenrechtsexpertin sieht außerdem das Vertrauen in demokratische Institutionen gefährdet und kritisierte dabei die Exekutive für unterschiedliche Maßstäbe bei Polizeieinsätzen. So sei am 26. Juli ein Meinungsführer einer demokratiekritischen Gruppe in Wien von Beamten "respektvoll begrüßt" worden, während am darauffolgenden Tag am Peršmanhof die Einsatzgrundlage an einem Gedenkort einer anerkannten Minderheit lange unklar geblieben sei.
Zudem seien zivilgesellschaftliche Organisationen wie NGOs im vergangenen Jahr unter politischen Druck geraten, so Schulze weiter. Die FPÖ habe versucht, sie pauschal zu verleumden und ihnen Steuergeldverschwendung zu unterstellen. Maßnahmen zur Förderung von Demokratie hätten im aktuellen Regierungsprogramm weniger Gewicht als im vorherigen.
"Lage ist ernst, aber noch lange nicht hoffnungslos"
"Die Lage ist ernst, aber noch lange nicht hoffnungslos. Entscheidend ist, dass sich alle demokratischen Kräfte der Gefahren für die Demokratie bewusst werden und gemeinsam und entschlossen dagegen auftreten", betonte Zojer. Der Demokratie-Index empfiehlt daher unter anderem eine Abkehr von Massenüberwachung, die umfassende Umsetzung der aktiven Veröffentlichungspflicht von Dokumenten der Exekutive, die Stärkung von Bürgerinitiativen sowie die gezielte Förderung von Qualitätsjournalismus.
An der Erarbeitung des Index beteiligt waren neun Organisationen, darunter das Antikorruptionsvolksbegehren, Demokratiestiftung.at, epicenter.works, Forum Informationsfreiheit, IG Demokratie, Meine Abgeordneten, Presseclub Concordia, SOS Mitmensch und Wahlbeobachtung.org.
(APA/Red)