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Haftstrafen in Prozess um missbrauchte Wiener Lehrerin

Die Hauptangeklagten wurden zu Missbrauchsfakten verurteilt.
Die Hauptangeklagten wurden zu Missbrauchsfakten verurteilt. ©APA/ROLAND SCHLAGER (Symbolbild)
Am Montagabend wurden am Wiener Landesgericht die Hauptangeklagten im Missbrauchsfall um eine Lehrerin schuldig gesprochen. Ein 15-jähriger Iraker erhielt eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren, ein 17-jähriger Rumäne drei Jahre Haft. Ein 15-jähriger Afghane wurde zu 15 Monaten verurteilt, davon fünf Monate unbedingt.
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Auftakt für Prozess um missbrauchte Lehrerin

Der aus dem Irak stammende Mann wurde wegen drei sexueller Übergriffe auf die Frau schuldig gesprochen, die vom Gericht als Vergewaltigung, sexueller Missbrauch einer wehrlosen Person und geschlechtliche Nötigung eingestuft wurden. Ferner wurde der 15-Jährige auch wegen schwerer Erpressung des Opfers, schweren Einbruchsdiebstahls sowie versuchter Brandstiftung verurteilt. In der Nacht zum 16. Januar 2025 hatte er zusammen mit den beiden anderen Hauptangeklagten und einem mitangeklagten 14-Jährigen in der Wohnung der Lehrerin ein Feuer gelegt.

Der Iraker wurde gerichtlich verpflichtet, teils gemeinsam mit anderen Angeklagten dem Opfer rund 15.000 Euro an Schadenersatz zu bezahlen. Die Frau hatte den 15-Jährigen als Haupttäter beschrieben und als Kopf der Gruppe. Er hatte der Frau angedroht, ihre Affäre mit einem früheren Schüler publik zu machen sowie kompromittierende Bilder und Videos zu veröffentlichen, falls sie Forderungen der Jugendlichen nach Geld, Lebensmitteln, Tabak und Suchtmitteln nicht nachkommen sollte.

Urteile der Hauptangeklagten in Prozess um missbrauchte Wiener Lehrerin nicht rechtskräftig

Der 17-jährige Rumäne wurde wegen Vergewaltigung, versuchter Brandstiftung und schweren Einbruchsdiebstahls schuldig gesprochen, der 15-jährige Afghane wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung, Diebstahls und versuchter Brandstiftung. Der ausschließlich am Feuerlegen beteiligte 14-Jährige fasste rechtskräftig zwölf Monate, davon vier Monate unbedingt aus. Die über die drei Hauptangeklagten verhängten Urteile sind nicht rechtskräftig.

Drei weitere Jugendliche hatten sich in der viertägigen Verhandlung vor einem Schöffensenat zu verantworten gehabt, darunter ein Jugendlicher, mit dem die Lehrerin im Vorjahr einvernehmlich ein kurzzeitiges sexuelles Verhältnis eingegangen war. Er war damals 16 Jahre alt. Er wurde vom Vorwurf, am Diebstahl einer Spardose aus der Wohnung der Frau beteiligt gewesen zu sein, rechtskräftig freigesprochen. Von seiner Beziehung zur Pädagogin hatten die anderen Angeklagten erfahren, die mit diesem Wissen die Lehrerin massiv unter Druck setzten und sie wiederholt dazu brachten, sie in ihre Wohnung zu lassen, wo es zu den inkriminierten sexuellen Übergriffen kam.

Ein 17-Jähriger, der die Lehrerin besonders stark unter Druck gesetzt und ihr mit dem Publikmachen ihres einvernehmlichen kurzzeitigen sexuellen Verhältnisses mit dem damals 16-Jährigen gedroht hatte - er kündigte das Anbringen von Plakaten vor der Schule an -, bekam rechtskräftig 18 Monate, davon sechs Monate unbedingt. Ein anderer 16-Jähriger, der am Rande untergeordnet beteiligt war, wurde des Einbruchsdiebstahls und der Sachbeschädigung für schuldig befunden und zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt.

Wiener Lehrerin für Gericht "absolut glaubwürdig"

Den Schuldsprüchen wurden die "absolut glaubwürdigen Aussagen" der Lehrerin zugrunde gelegt, die "im Einklang mit den Beweisergebnissen" standen, wie die vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung darlegte. Die Angaben der zu den zentralen Vorwürfen nicht geständigen Angeklagten wurden dagegen als "Schutzbehauptungen" und "in sich widersprüchlich" gewertet.

Die Staatsanwältin hatte ihr Schlussplädoyer genutzt, um mit den Angeklagten abzurechnen. "Das, was hier passiert ist, ist schwerste Kriminalität." Für die Hauptangeklagten forderte sie "empfindliche Strafen". Sie betonte, die Beweise würden "völlig ausreichen, um einen Schuldspruch zu fällen. Hier hat ein Mensch im realen Leben massives Leid erfahren." Die Angeklagten hätten "keine Reue, keine Schuldeinsicht" und "eine Empathielosigkeit, die ihresgleichen sucht" gezeigt. Die Lehrerin habe im Ermittlungsverfahren sieben Mal zu verschiedenen Teiles des Anklagekomplexes "äußerst glaubwürdig" ausgesagt: "Sie hat widerspruchsfrei geschildert, dass sie Opfer verschiedenster Straftaten geworden ist."

"Staatsanwältin: Zwangslage schamlos ausgenutzt"

Die Anklägerin betonte, dass es in der Hauptverhandlung nicht um moralische Fragen gehe. Die Frau habe "falsche Entscheidungen getroffen", die nicht immer "der gesellschaftliche Erwartungshaltung entsprochen" hätten: "Es geht aber keinesfalls darum, ein Moralurteil über die Lehrerin zu fällen". Die Angeklagten hätten "Psychoterror" betrieben und die Lehrerin in eine "Abwärtsspirale, aus der nicht nicht mehr rausgekommen ist" versetzt: "Sie hatte panische Angst, ihren Ruf zu verlieren, ihren Job, ihre Existenz." Die Angeklagten hätten "ihre Ausweglosigkeit erkannt und ihre Zwangslage schamlos ausgenutzt". Gegen sie sei eine "Drohkulisse" aufgebaut worden.

Das ließen die Verteidiger im Anschluss nicht gelten. "Es waren in der Schilderung des Opfers zu viele Widersprüche", meinte etwas David Jodlbauer, der einen von drei Hauptangeklagten - einen 15-jährigen Iraker - vertritt. Er appellierte ans Gericht, den Zweifelsgrundsatz zu beachten, der im Strafgesetzbuch verankert ist: "Halten Sie die Anklage für so wahrscheinlich, dass Sie mit einer Verurteilung vorgehen können?" Nur in diesem Fall dürfe es zu Schuldsprüchen kommen. Bei geringsten Zweifeln an ihrer Schuld seien die Angeklagten freizusprechen.

Am vierten Verhandlungstag waren einige von Amts wegen geladene und von der Verteidigung stellig gemachte Zeugen vernommen worden. Zunächst kamen die Eltern der Betroffenen zu Wort. Es sagte auch eine Zeugin aus, die an der Schule, an der die Lehrerin tätig war bzw. ist, als Direktionsassistentin beschäftigt ist.

Vater: "Hab' sie noch nie so fertig gesehen"

"Ich hab' sie noch nie so fertig gesehen", hatte zunächst der Vater der Lehrerin dargelegt. Zunächst hätte sich seine Tochter ihrer jüngeren Schwester anvertraut, dann hätten auch die Eltern erfahren, "was ihr passiert ist. Dass sie von einer Bande Jugendlicher erpresst, beraubt, vergewaltigt wurde. Drogen, Gewalt, Demütigung". Man habe ihr auch Geld gestohlen, einmal eine Spardose mit 800 Euro, dann für einen Urlaub angesparte Banknoten aus einer Handtasche, gab der Vater der Frau zu Protokoll.

Mit "kompromittierenden Fotos" hätte man seine Tochter unter Druck gesetzt, schilderte der Vater. Seine Tochter habe nicht zur Polizei gehen wollen, weil sie befürchtete, das Wissen um ihre Kontakte zu Jugendlichen würde an der Schule die Runde machen: "Sie hat gemeint, dass das beruflich schlecht ausgeht. Sie war total durch den Wind." Dann sei einige Zeit eine Ruhe gewesen, seine Tochter hätte geglaubt, die Angeklagten hätten das Interesse an ihr verloren. Diese sei aber dessen ungeachtet weiter unter Druck gestanden: "Dass das rauskommt, war ihre größte Angst. Die Scham. Die Kollegen haben sie blockiert gehabt. Außer uns hat sie niemanden gehabt. Sie war sozial abgenabelt."

Die Hauptangeklagten - ein 15-jähriger Iraker, ein 17-jähriger Rumäne und ein 15-jähriger Afghane - befinden sich seit acht Monaten in U-Haft. Sie sind zu den zentralen Vorwürfen - darunter Vergewaltigung und sexueller Missbrauch - nicht geständig, die Brandstiftung geben sie zu. Insgesamt müssen sich sieben Burschen vor einem Schöffensenat verantworten, darunter auch ein mittlerweile 17-jähriger Ex-Schüler der Lehrerin, mit dem die Frau kurzzeitig ein einvernehmliches und daher strafrechtlich unbedenkliches sexuelles Verhältnis gehabt haben soll. Der Jugendliche war in diesem Zeitraum 16 Jahre alt. Ihm wird lediglich die Beteiligung am Diebstahl der Spardose aus der Wohnung der Lehrerin angekreidet.

An Schule kursierten offenbar Gerüchte um Wiener Lehrerin

An der Schule dürften mit Beginn des Wintersemesters 2024/2025 Gerüchte über ein Naheverhältnis der Lehrerin zu minderjährigen ehemaligen Schülern die Runde gemacht haben. Darauf deutete jedenfalls die Aussage einer an der Bildungseinrichtung tätigen Direktionsassistentin hin, die von einem Verteidiger stellig gemacht worden war und die kurzfristig als Zeugin befragt wurde. Sie habe in den Sommerferien 2024 zufällig einen Schüler auf der Straße getroffen: "Er hat mir erzählt, dass sie (die Lehrerin, Anm.) Jugendliche zu sich einlädt und mit ihnen Geschlechtsverkehr hat." Sie sei "natürlich geschockt" gewesen, der Bursch, zu dem sie "ein Vertrauensverhältnis" gehabt hätte, habe "ein paar Namen genannt".

Sie habe "darüber nachgedacht, ob das wahr ist", gab die Zeugin weiter zu Protokoll. Es habe "für mich glaubwürdig" geklungen: "Der Junge hat keinen Grund, mir nicht die Wahrheit zu sagen." Im Herbst seien dann ehemalige Schüler in die Schule gekommen und hätten Ähnliches erzählt: "Die Mädchen waren sehr aufgeregt, dass eine ältere Dame, eine Lehrerin Jungs zu sich einlädt."

Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Lehrerin zu keinem Zeitpunkt strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Es war kein Fehlverhalten der Frau im Sinne eines etwaigen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses oder sonstiger strafrechtlicher Bestimmungen nachweisbar. Die Bildungsdirektion gab sich zu dieser Thematik zugeknöpft. "Da es sich hier um personenbezogene Daten handelt, kann die Bildungsdirektion für Wien aus datenschutzrechtlichen Gründen zu den Fragen keine Auskunft geben", hieß es am Montagnachmittag auf APA-Anfrage.

Jüngster Angeklagter im inkriminierten Tatzeitraum teilweise noch strafunmündig

Mit dem Wissen um ihr einvernehmliches kurzzeitiges sexuelles Verhältnis mit dem 16-Jährigen dürfte sich die Lehrerin jedenfalls erpressbar gemacht haben. Mehrere Beschuldigte setzten ihr laut Anklage heftig zu, nahmen ihre Wohnung in Anspruch, ließen sich von der Frau Essen, Tabak und Drogen bezahlen. Es soll auch zu drei sexuellen Übergriffen gekommen sein. Der jüngste Angeklagte, der laut Anklage daran nicht direkt beteiligt war, war zu diesen Zeitpunkten noch 13 und daher strafunmündig.

Dieser Bursch war dann auch mit dabei, als die 15-jährigen Hauptangeklagten in der Nacht auf den 16. Jänner 2025 in die Wohnung der Frau eindrangen und dort Feuer legten. Zu diesem Zeitpunkt war er seit etwas mehr als zwei Wochen 14, sodass er sich wegen Beteiligung an der Brandstiftung vor Gericht mitzuverantworten hat.

Die Eindringlinge hatten es auf Schmuck und sonstige Wertgegenstände abgesehen. Nachdem sie ihre Beute zusammengerafft hatten, legten sie an zwei Stellen Feuer. Die Wohnung brannte komplett aus. Nur dank eines raschen Eingreifens der Berufsfeuerwehr konnte ein Übergreifen der Flammen auf andere Teile des Mehrparteienhauses verhindert werden.

Mutter: "Sie wurde komplett bedroht"

Mit der Brandstiftung und den dazu eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen habe sich das, was seiner Tochter zuvor widerfahren war, "nicht mehr verheimlichen lassen. Gegipfelt hat das Ganze in der Brandlegung", meinte der Vater der Lehrerin in seiner Zeugenaussage zusammenfassend. "Sie wurde komplett bedroht, sie hatte Angst", bekräftigte im Anschluss die Mutter der Frau. Sie habe "die ganz gewaltvollen Geschichten nicht hören wollen".

Die Mutter schilderte die Ausgangslage - das kurzzeitige einvernehmliche sexuelle Verhältnis ihrer Tochter zum 16-Jährigen - völlig anders als der inzwischen 17-Jährige. Dieser sei einfach "in die Wohnung gekommen", behauptete die Mutter. Die Lehrerin hatte allerdings selbst eingeräumt, sie habe zu sehr später Stunde in alkoholisiertem Zustand den Jugendlichen kontaktiert und in ihre Wohnung gebeten, wo es erstmals zu einvernehmlichem Sex gekommen sei. "Sie hat nie gesagt, dass sie eine romantische Beziehung hatten", insistierte die Mutter in ihrer Befragung, "das Wort 'Liebe' ist nie gefallen."

Einem im Ermittlungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten zufolge erlitt die Frau als kausale Reaktion auf die sexuellen Übergriffe eine chronische Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung.

(APA/Red)

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