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Vor Urteilen im Prozess um missbrauchte Wiener Lehrerin

Die Hauptangeklagten wurden wieder von der Justizwache vorgeführt
Die Hauptangeklagten wurden wieder von der Justizwache vorgeführt ©APA/GEORG HOCHMUTH
Am Wiener Landesgericht ist am Montag der Prozess um eine Lehrerin abgeschlossen worden, die von Juli 2024 bis Jänner 2025 von Burschen im Alter von 14 bis 17 Jahren erpresst, bestohlen und missbraucht worden sein soll. Am Ende wurde ihre Wohnung angezündet. Der von der Versicherung bezifferte Sachschaden: 78.000 Euro. Um 15.30 Uhr zog sich der Schöffensenat zur Beratung zurück. Mit den Urteilen für die sieben Angeklagten war deutlich nach 17.00 Uhr zu rechnen.

Die Staatsanwältin nutzte ihr Schlussplädoyer, um mit den Angeklagten abzurechnen. "Das, was hier passiert ist, ist schwerste Kriminalität." Für die Hauptangeklagten forderte sie "empfindliche Strafen". Sie betonte, die Beweise würden "völlig ausreichen, um einen Schuldspruch zu fällen. Hier hat ein Mensch im realen Leben massives Leid erfahren." Die Angeklagten hätten "keine Reue, keine Schuldeinsicht" und "eine Empathielosigkeit, die ihresgleichen sucht" gezeigt. Die Lehrerin habe im Ermittlungsverfahren sieben Mal zu verschiedenen Teiles des Anklagekomplexes "äußerst glaubwürdig" ausgesagt: "Sie hat widerspruchsfrei geschildert, dass sie Opfer verschiedenster Straftaten geworden ist."

"Staatsanwältin: Zwangslage schamlos ausgenutzt"

Die Anklägerin betonte, dass es in der Hauptverhandlung nicht um moralische Fragen gehe. Die Frau habe "falsche Entscheidungen getroffen", die nicht immer "der gesellschaftliche Erwartungshaltung entsprochen" hätten: "Es geht aber keinesfalls darum, ein Moralurteil über die Lehrerin zu fällen". Die Angeklagten hätten "Psychoterror" betrieben und die Lehrerin in eine "Abwärtsspirale, aus der nicht nicht mehr rausgekommen ist" versetzt: "Sie hatte panische Angst, ihren Ruf zu verlieren, ihren Job, ihre Existenz." Die Angeklagten hätten "ihre Ausweglosigkeit erkannt und ihre Zwangslage schamlos ausgenutzt". Gegen sie sei eine "Drohkulisse" aufgebaut worden.

Das ließen die Verteidiger im Anschluss nicht gelten. "Es waren in der Schilderung des Opfers zu viele Widersprüche", meinte etwas David Jodlbauer, der einen von drei Hauptangeklagten - einen 15-jährigen Iraker - vertritt. Er appellierte ans Gericht, den Zweifelsgrundsatz zu beachten, der im Strafgesetzbuch verankert ist: "Halten Sie die Anklage für so wahrscheinlich, dass Sie mit einer Verurteilung vorgehen können?" Nur in diesem Fall dürfe es zu Schuldsprüchen kommen. Bei geringsten Zweifeln an ihrer Schuld seien die Angeklagten freizusprechen.

Am vierten Verhandlungstag waren einige von Amts wegen geladene und von der Verteidigung stellig gemachte Zeugen vernommen worden. Zunächst kamen die Eltern der Betroffenen zu Wort. Es sagte auch eine Zeugin aus, die an der Schule, an der die Lehrerin tätig war bzw. ist, als Direktionsassistentin beschäftigt ist.

Vater: "Hab' sie noch nie so fertig gesehen"

"Ich hab' sie noch nie so fertig gesehen", hatte zunächst der Vater der Lehrerin dargelegt. Zunächst hätte sich seine Tochter ihrer jüngeren Schwester anvertraut, dann hätten auch die Eltern erfahren, "was ihr passiert ist. Dass sie von einer Bande Jugendlicher erpresst, beraubt, vergewaltigt wurde. Drogen, Gewalt, Demütigung". Man habe ihr auch Geld gestohlen, einmal eine Spardose mit 800 Euro, dann für einen Urlaub angesparte Banknoten aus einer Handtasche, gab der Vater der Frau zu Protokoll.

Mit "kompromittierenden Fotos" hätte man seine Tochter unter Druck gesetzt, schilderte der Vater. Seine Tochter habe nicht zur Polizei gehen wollen, weil sie befürchtete, das Wissen um ihre Kontakte zu Jugendlichen würde an der Schule die Runde machen: "Sie hat gemeint, dass das beruflich schlecht ausgeht. Sie war total durch den Wind." Dann sei einige Zeit eine Ruhe gewesen, seine Tochter hätte geglaubt, die Angeklagten hätten das Interesse an ihr verloren. Diese sei aber dessen ungeachtet weiter unter Druck gestanden: "Dass das rauskommt, war ihre größte Angst. Die Scham. Die Kollegen haben sie blockiert gehabt. Außer uns hat sie niemanden gehabt. Sie war sozial abgenabelt."

Die Hauptangeklagten - ein 15-jähriger Iraker, ein 17-jähriger Rumäne und ein 15-jähriger Afghane - befinden sich seit acht Monaten in U-Haft. Sie sind zu den zentralen Vorwürfen - darunter Vergewaltigung und sexueller Missbrauch - nicht geständig, die Brandstiftung geben sie zu. Insgesamt müssen sich sieben Burschen vor einem Schöffensenat verantworten, darunter auch ein mittlerweile 17-jähriger Ex-Schüler der Lehrerin, mit dem die Frau kurzzeitig ein einvernehmliches und daher strafrechtlich unbedenkliches sexuelles Verhältnis gehabt haben soll. Der Jugendliche war in diesem Zeitraum 16 Jahre alt. Ihm wird lediglich die Beteiligung am Diebstahl der Spardose aus der Wohnung der Lehrerin angekreidet.

An Schule kursierten offenbar Gerüchte um Lehrerin

An der Schule dürften mit Beginn des Wintersemesters 2024/2025 Gerüchte über ein Naheverhältnis der Lehrerin zu minderjährigen ehemaligen Schülern die Runde gemacht haben. Darauf deutete jedenfalls die Aussage einer an der Bildungseinrichtung tätigen Direktionsassistentin hin, die von einem Verteidiger stellig gemacht worden war und die kurzfristig als Zeugin befragt wurde. Sie habe in den Sommerferien 2024 zufällig einen Schüler auf der Straße getroffen: "Er hat mir erzählt, dass sie (die Lehrerin, Anm.) Jugendliche zu sich einlädt und mit ihnen Geschlechtsverkehr hat." Sie sei "natürlich geschockt" gewesen, der Bursch, zu dem sie "ein Vertrauensverhältnis" gehabt hätte, habe "ein paar Namen genannt".

Sie habe "darüber nachgedacht, ob das wahr ist", gab die Zeugin weiter zu Protokoll. Es habe "für mich glaubwürdig" geklungen: "Der Junge hat keinen Grund, mir nicht die Wahrheit zu sagen." Im Herbst seien dann ehemalige Schüler in die Schule gekommen und hätten Ähnliches erzählt: "Die Mädchen waren sehr aufgeregt, dass eine ältere Dame, eine Lehrerin Jungs zu sich einlädt."

Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Lehrerin zu keinem Zeitpunkt strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Es war kein Fehlverhalten der Frau im Sinne eines etwaigen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses oder sonstiger strafrechtlicher Bestimmungen nachweisbar. Die Bildungsdirektion gab sich zu dieser Thematik zugeknöpft. "Da es sich hier um personenbezogene Daten handelt, kann die Bildungsdirektion für Wien aus datenschutzrechtlichen Gründen zu den Fragen keine Auskunft geben", hieß es am Montagnachmittag auf APA-Anfrage.

Jüngster Angeklagter im inkriminierten Tatzeitraum teilweise noch strafunmündig

Mit dem Wissen um ihr einvernehmliches kurzzeitiges sexuelles Verhältnis mit dem 16-Jährigen dürfte sich die Lehrerin jedenfalls erpressbar gemacht haben. Mehrere Beschuldigte setzten ihr laut Anklage heftig zu, nahmen ihre Wohnung in Anspruch, ließen sich von der Frau Essen, Tabak und Drogen bezahlen. Es soll auch zu drei sexuellen Übergriffen gekommen sein. Der jüngste Angeklagte, der laut Anklage daran nicht direkt beteiligt war, war zu diesen Zeitpunkten noch 13 und daher strafunmündig.

Dieser Bursch war dann auch mit dabei, als die 15-jährigen Hauptangeklagten in der Nacht auf den 16. Jänner 2025 in die Wohnung der Frau eindrangen und dort Feuer legten. Zu diesem Zeitpunkt war er seit etwas mehr als zwei Wochen 14, sodass er sich wegen Beteiligung an der Brandstiftung vor Gericht mitzuverantworten hat.

Die Eindringlinge hatten es auf Schmuck und sonstige Wertgegenstände abgesehen. Nachdem sie ihre Beute zusammengerafft hatten, legten sie an zwei Stellen Feuer. Die Wohnung brannte komplett aus. Nur dank eines raschen Eingreifens der Berufsfeuerwehr konnte ein Übergreifen der Flammen auf andere Teile des Mehrparteienhauses verhindert werden.

Mutter: "Sie wurde komplett bedroht"

Mit der Brandstiftung und den dazu eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen habe sich das, was seiner Tochter zuvor widerfahren war, "nicht mehr verheimlichen lassen. Gegipfelt hat das Ganze in der Brandlegung", meinte der Vater der Lehrerin in seiner Zeugenaussage zusammenfassend. "Sie wurde komplett bedroht, sie hatte Angst", bekräftigte im Anschluss die Mutter der Frau. Sie habe "die ganz gewaltvollen Geschichten nicht hören wollen".

Die Mutter schilderte die Ausgangslage - das kurzzeitige einvernehmliche sexuelle Verhältnis ihrer Tochter zum 16-Jährigen - völlig anders als der inzwischen 17-Jährige. Dieser sei einfach "in die Wohnung gekommen", behauptete die Mutter. Die Lehrerin hatte allerdings selbst eingeräumt, sie habe zu sehr später Stunde in alkoholisiertem Zustand den Jugendlichen kontaktiert und in ihre Wohnung gebeten, wo es erstmals zu einvernehmlichem Sex gekommen sei. "Sie hat nie gesagt, dass sie eine romantische Beziehung hatten", insistierte die Mutter in ihrer Befragung, "das Wort 'Liebe' ist nie gefallen."

Einem im Ermittlungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten zufolge erlitt die Frau als kausale Reaktion auf die sexuellen Übergriffe eine chronische Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung. Letztere ist laut Gutachten einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen.

(APA)

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