Mattle mit wahlkämpferischer Nicht-Wahlrede bei "80er"-Feier

Aus allen Teilen des Landes waren die schwarzen Sympathisanten und Mitglieder - die viel zitierte Parteibasis - zum Jubiläumsfest in das "Dorf der Denker" gekommen. Der große Saal des Congresszentrums war zwar gut gefüllt, aber nicht komplett "ausverkauft". Die ein oder andere Stuhlreihe blieb zum Teil leer.
Mattle will noch nicht wahlkämpfen
Den Höhepunkt der unter anderem von Harry Prünster moderierten Veranstaltung bildete am Schluss die halbstündige Rede Mattles - zwei Jahre vor seinem zweiten Antreten als schwarzer Spitzenkandidat bei einer Landtagswahl. Der Landeschef konzentrierte sich dabei mehr auf Gegenwart und Zukunft, als auf die Vergangenheit von Land und Partei. "Im Gegensatz zu politischen Mitbewerbern" wolle er heute nicht über die nächsten Wahlen reden, meinte der Landesparteichef offenbar etwa in Anspielung auf den letztwöchigen FPÖ-Landesparteitag. Er wolle stattdessen über die Visionen sprechen, "die wir für Tirol haben", so Mattle. Man sei nämlich die einzige politische Gruppierung, die "in Generationen denkt" und "die Partei, die für etwas steht und nicht eine, die immer dagegen ist und die Probleme löst und nicht die Partei, die Probleme befeuert." "Wir sind die Tirol-Partei", sah man sich eins mit Land und Leuten.
"Unabhängigkeitsversprechen", kein Mietrecht für alle Bundesländer
Das "Wohlstandsversprechen" der Vergangenheit, das eingelöst worden sei, müsse um ein "Unabhängigkeitsversprechen" erweitert werden, propagierte Mattle: "Es braucht mehr Tirol und nicht weniger. Mehr Föderalismus und nicht weniger."
"Wir können es nicht zulassen, dass sich Entscheidungen von uns entfernen", rief der Landeschef den Parteifreunden im Sinne des "Unabhängigkeitsversprechens" zu: "Wenn Tirol entscheidet, dass wir Wasserkraft im Sinne der Unabhängigkeit ausbauen. Dann kann die EU uns nicht sagen, dass Atomkraft unsere Zukunft ist", nannte er ein Beispiel. Und setzte zu einem Seitenhieb gegen den Koalitionspartner SPÖ auf Bundes- und Wiener Ebene an: "Wenn die Stadt Wien auf den Gemeindebau setzt und Tirol mehr Eigentum schaffen will, dann kann nicht ein Mietrecht für alle Bundesländer die Lösung sein."
"Pionier" bei Kinderbetreuung
Tirol müsse sich behaupten und auf die "eigene Kraft setzen." Dafür stünden seine Visionen und Vorstellungen für die Zukunft, so der Landeshauptmann. Fehlen in der Aufzählung durfte dabei natürlich nicht das koalitionäre "Leuchtturmprojekt" Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem zweiten Geburtstag, das ab Herbst 2026 umgesetzt werden soll. Tirol habe hier Pionierstellung.
Leistung müsse wieder mehr im Zentrum stehen. "Wir müssen wieder eine Gesellschaft sein, in der Erfolg Bewunderung und nicht Neid hervorruft", erklärte Mattle. Die aktuelle Reform der Mindestsicherung in Tirol sei auch deshalb notwendig, damit "die Tirolerinnen und Tiroler nicht das Gefühl haben, dass sich Nichtstun rentiert".
Hervorgestrichen wurden von Mattle auch die angestrebte "Energieautonomie" Tirols bis zum Jahr 2050 als wesentliches Element für Unabhängigkeit, der Kampf gegen den überbordenden Transitverkehr sowie jener für leistbares Wohnen und die Schaffung von Eigentum. Die Eigentumsquote in Tirol soll bis 2035 nachhaltig auf 60 Prozent erhöht werden. Und nicht zuletzt wolle man auch den finanziellen Turnaround schaffen und "als erstes Bundesland keine neuen Schulden machen." Denn so habe nicht zuletzt "die Glaubwürdigkeit der Bundes-ÖVP in der Vergangenheit auch darunter gelitten, dass der Staatshaushalt entglitten ist", machte der Landeshauptmann einen Bundes-Schlenker. Wohlgemerkt "im guten Glauben" in der Corona-Krise zu helfen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Die rund zweistündige Veranstaltung die von der Tiroler Volksmusik-Pop-Band Tschentig musikalisch umrahmt wurde, war abseits von Mattles Rede eine Mischung aus stolzem Rückblick auf Partei-und Landesgeschichte seit der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, als Tirol und Österreich in Trümmern lagen, aktueller Bestandsaufnahme und Zukunftsherausforderungen bzw. Plänen. Selbstredend wurde bei dem Jubiläumsfest wieder und wieder getrommelt, dass die seit 80 Jahren regierende Tiroler ÖVP mit ihren bisher zehn Landeshauptmännern - neben dem Fleiß der Menschen - hauptverantwortlich für diesen Aufstieg sei. Und dies auch in Gegenwart und Zukunft sein wolle. In Wortmeldungen und Videoeinspielungen. Garniert mit persönlichen Schilderungen von "einfachen" ÖVP-Sympathisanten und Teilnehmern aus den unterschiedlichen Bereichen, die über gegenwärtige Herausforderungen sprachen und wenig überraschend kund taten, dass die Landesregierung und speziell die ÖVP dafür bereits die richtigen Rezepte hätte.
Parteiprominenz und Erbe
Gekommen war auch vieles an Parteiprominenz. Neben Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, Staatssekretär Alexander Pröll und Ex-EU-Kommissar Franz Fischler auch alle noch lebenden Ex-Landeshauptleute: Der 96-jährige Alois Partl, Wendelin Weingartner, Herwig van Staa und Günther Platter - allesamt auch Ex-Landesparteichefs. Auch der frühere Parteichef und Landeshauptmannstellvertreter Ferdinand Eberle war ebenso anwesend wie Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP). Zum Lied "Im Herzen a Tiroler" standen sie am Ende vereint auf der Bühne.
Seit 80 Jahren regiert die ÖVP federführend Tirol - lange Zeit mit absoluter Mandatsmehrheit. Besonders prägend: Die Hochzeiten unter dem legendären Langzeitlandeshauptmann Eduard Wallnöfer (1963 bis 1987). Doch diese Zeiten sind schon länger vorbei, bei der Landtagswahl 2022 setzte es mit 34,71 Prozent das bisher schlechteste Ergebnis. Bei der Wahl 2027 wird mitunter ein Kopf- an Kopf-Rennen um Platz eins mit der FPÖ prognostiziert. Die Tiroler ÖVP war am 28. August 1945 im Rahmen einer provisorischen Landesversammlung in Innsbruck gegründet worden.
Abwerzger gratuliert, aber ÖVP "nur noch Schatten ihrer selbst"
Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger gratulierte der ÖVP am Samstag zu ihrem Jubiläum. "Unbestreitbar hat die ÖVP in Tirol viel Gutes in der Vergangenheit bewirkt. Ich denke da in erster Linie an LH Wallnöfer und den Aufbau in der Nachkriegszeit", erklärte Abwerzger auf Facebook. Damals sei die Tiroler ÖVP noch "eine richtige Volkspartei" gewesen, heute jedoch "nur noch ein Schatten ihrer selbst", übte er gleichzeitig scharfe Kritik: "Seit Jahren wird am Volk vorbei regiert." Es brauche aber gerade in Tirol "tiefgreifende Reformen" und eine "Demokratisierung des politischen Systems." Mit der derzeitigen ÖVP sei dies "leider" nicht möglich. "Aus diesem Grund braucht es auch 2027 ein Polit-Beben. Und, es ist möglich", erklärte der freiheitliche Landesparteiobmann.
(APA)