AA

Medizinstudium: Europarechtsexperte warnt vor Folgen von "Solidarbeitrag"

Ein "Solidarbeitrag" könnte die Österreicher-Quote im Medizinstudium gefährden.
Ein "Solidarbeitrag" könnte die Österreicher-Quote im Medizinstudium gefährden. ©APA/ROBERT JAEGER
Der Vorschlag der SPÖ, Jungärzte nach ihrem Studium für einige Jahre zur Arbeit im öffentlichen Gesundheitssystem zu verpflichten und ihnen als Gegenleistung Vorteile beim Aufnahmetest zu bieten, könnte laut Europarechtsexperte Walter Obwexer die bestehende Quotenregelung für Medizinstudienplätze gefährden, bei der 75 Prozent der Plätze für Österreicher reserviert sind.
Mehr Anmeldungen für Medizinstudium-Aufnahmetest

Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) schlägt vor, dass Medizinabsolventen als Gegenleistung für ihre kostenlose Ausbildung einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten. Vizekanzler Andreas Babler konkretisierte, dass Bewerber, die sich für eine Tätigkeit als Kassenarzt verpflichten, bei der Studienplatzvergabe bevorzugt werden sollen. Momentan bewerben sich sechs Personen auf einen Studienplatz. Aktuell sind schon 85 der 1.900 Studienplätze für öffentliche Aufgaben, wie Arbeiten im Spital oder beim Heer, reserviert. Absolventen, die sich verpflichten, nach ihrer Ausbildung in diesen Bereichen zu arbeiten, erhalten ein Stipendium und erleichterte Aufnahmebedingungen.

Europarechtsexperte Obwexer befürchtet neuerliches Vertragsverletzungsverfahren wegen "Solidarbeitrag"

Grundsätzlich dürfen EU-Mitgliedsländer von Medizinstudenten einen Solidarbeitrag - etwa Studiengebühren oder eine verpflichtende Tätigkeit im Gesundheitssystem - verlangen, betonte Europarechtsexperte Obwexer im "Kurier" (Dienstagausgabe). Eine Vorreihung beim Aufnahmetest im Gegenzug für das Arbeiten im österreichischen Gesundheitssystem wäre allerdings laut dem Juristen auch das Eingeständnis, dass die geltende Quotenregelung nicht (mehr) geeignet ist, das Gesundheitssystem abzusichern - und damit eine "große Gefahr, dass die Quotenregelung kippt" und die EU-Kommission wieder ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleitet.

Seit 2006/07 sind in der Medizin 75 Prozent der Studienplätze beim Aufnahmetest für Personen mit österreichischem Maturazeugnis reserviert. Damit soll der Ansturm vor allem deutscher Numerus-Clausus-Flüchtlinge an den Medizin-Unis gebremst werden. Die EU-Kommission hatte deswegen zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Nachdem Österreich darlegen konnte, dass andernfalls die medizinische Versorgung im Land nicht gesichert wäre, wurde die von Obwexer mitentworfene Regelung aber schließlich gebilligt.

Aktuell laufen im Wissenschaftsministerium die Arbeiten an einer möglichen Neuregelung beim Studienzugang. Am heutigen Dienstag gibt es dazu laut "Krone" ein Treffen mit der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), nächste Woche sollen Österreichische Gesundheitskasse und Länder folgen, danach die Uni-Rektoren. Man sei sich auch der Gefahr bewusst, dass durch eine Umstellung auf ein System mit einer Vorreihung die Quotenregelung kippen könnte, hieß es laut "Kurier". Bei allen Überlegungen sei es dem Ministerium aber wichtig, dass die Quote in ihrer aktuellen Form bestehen bleibe, wurde gegenüber der APA betont.

"Solidarbeitrag": ÖVP verweist auf Verhandlungen, NEOS "kritisch"

Im Regierungsprogramm ist zwar ein "Bonus beim Auswahlverfahren, auf Grund einer freiwilligen Verpflichtung zur Arbeit im solidarischen Gesundheitssystem" als ein Hebel genannt, um mehr Medizin-Absolventen in das öffentliche System zu bekommen. Von ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti hieß es zum aktuellen Vorstoß gegenüber der "Presse" nur: "Konkrete Maßnahmen werden auf dieser Basis in der Koalition verhandelt." Die NEOS reagierten unterdessen mit offener Skepsis: "Wir sehen den Vorschlag sehr kritisch und sehen die Lösung eher in einer Attraktivierung der bestehenden Stipendien und der Kassenverträge als in - auch rechtlich wohl problematischen - Verpflichtungen."

Zuletzt war schon von der Ärztekammer Ablehnung gekommen. Die Jungärztinnen und Jungärzte seien hoch motiviert, neben dem Klinisch-Praktischen Jahr und dem Turnus auch nach dem Abschluss weiter in der solidarischen Gesundheitsversorgung zu arbeiten, viel zu oft würden sie aber mangels Ausbildungsplätzen "monatelang auf Wartelisten" versauern. "Darüber - und nicht über Zwangsverpflichtungen - sollte sich die Politik Gedanken machen."

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • Medizinstudium: Europarechtsexperte warnt vor Folgen von "Solidarbeitrag"
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen