Greißlersterben am Land: Immer mehr kleine Gemeinden ohne Nahversorger

Mittlerweile haben 69 Prozent der Gemeinden unter 500 Einwohnern und 43 Prozent unter 1.000 Bürgern keinen Lebensmittelhändler im Gemeindegebiet. Von 2011 bis 2023 hat die Zahl der Gemeinden ohne Standort um 6,2 Prozent zugenommen.
Zwei von drei Kleingemeinden haben keinen Lebensmittelhändler mehr
Aktuell gibt es 389 Gemeinden ohne Nahversorger. 411.000 Personen leben in Gemeinden ohne lokalen Nahversorgungsbetrieb. Wobei die KMU Forschung Austria hierbei etwaige Bäcker oder Fleischer nicht mitgezählt hat.
Die höchsten Anteile an Gemeinden ohne Lebensmittel-Einzelhändler verzeichnen das Burgenland, gefolgt von Tirol und Oberösterreich. Gerechnet nach Anteil der Bevölkerung ohne Versorgung sieht es im Burgenland am schlechtesten aus, es folgen Niederösterreich und Oberösterreich. Laut KMU Forschung gab es im Jahr 2022 noch 101 Lebensmittelhändler je 100.000 Einwohner, 2023 waren es 99.
Handelsobmann warnt vor "Existenzbedrohung"
"Anhaltend hohe Energie-, Lohn- und Rohstoffkosten, steigende Gebühren und immer mehr Bürokratie belasten viele Nahversorgungsbetriebe massiv. Wie die Studie zeigt, wird die Situation für die meist selbstständigen Kaufleute auf dem Land zunehmend existenzbedrohend", warnt Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer. Er forderte am Freitag bei einem Pressegespräch eine Entlastung bei Energie, Abgaben und Auflagen.

Zu Vorwürfen, der Lebensmittelhandel gehöre zu den Preistreibern, hielt Prauchner fest: "Mehr Werbung und mehr Wettbewerb als im Lebensmittelhandel kann ich mir nicht vorstellen." Die Margen würden bei 0,5 bis 1,5 Prozent liegen, viele kleine Händler würden nur zwischen 500.000 und einer Million Euro Umsatz machen und müssten oftmals mit nur 1.200 bis 1.500 Euro netto im Monat auskommen - ohne Urlaubs und Weihnachtsgeld, wie er betonte.
Skepsis gegenüber Steuermaßnahmen
Eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes von derzeit 10 auf befristet 5 Prozent findet Prauchner entbehrlich. "Mit Einmaleffekten ist nichts gewonnen", so der Lebensmittelhändler. Außerdem wäre eine gleichzeitige Anhebung des Standard-Steuersatzes von 20 auf 21,5 Prozent eine Umschichtung "von der linken in die rechte Tasche" mit der "Gießkanne".
Es seien kreative Ideen gefragt, und hierzu hat Prauchner einige Vorschläge: So könnten in Kleingemeinden, wo es nur noch den Lebensmittelhändler als Nahversorger gibt, auch Trafik- und Taxidienste angeboten werden, ebenso wie rezeptpflichtige Medikamente, wenn der örtliche Arzt keine Apotheke hat. Auch über längere Öffnungszeiten, wenn vom Händler gewünscht, solle man reden.
Kritik an Containershops
Wenig Freude hat der Handels-Obmann mit Containershops, also Verkaufsflächen mit 24-Stunden-Öffnungszeiten und ohne Personal vor Ort. Er sei nicht gegen neue Ideen, aber für die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Alle übrigen 9.100 Geschäftsstellen des Lebensmittel-Einzelhandels müssten sich ja auch daran halten.
Obwohl der Einzelhandel im Vorjahr einen zweijährigen Kollektivvertrags-Abschluss vereinbarte, führt die hohe Inflation aufgrund einer entsprechenden Vertragsklausel heuer höchstwahrscheinlich zu einer Neuverhandlung. Davon geht Prauchner aus, einmischen wolle er sich da aber nicht. Nur so viel: Es habe bei den Personalkosten eine "Explosion" gegeben - gleichzeitig betonte Prauchner aber auch, wie wichtig die Stärkung der Kaufkraft sei. Das größte Problem seien die hohen Energiepreise. Dies erschwere auch notwendige Investitionen, die für viele nicht mehr leistbar seien. Dazu käme die oft schwierige Suche nach Nachfolgern für die Geschäfte.
(APA/Red)