Prozess gegen ÖVP-Klubobmann Wöginger startete mit Wende

Bereits im Vorfeld war bekannt geworden, dass die beiden ebenfalls angeklagten Finanzbeamten eine "Verantwortungsübernahme" bei Gericht deponiert haben. Im Prozess kündigte dann Wögingers Verteidiger Michael Rohregger an, dass sein Mandant dies ebenfalls tun werde.
Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stimmt Diversion zu
Im Prozess gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger und zwei Finanzbeamte wegen Missbrauchs der Amtsgewalt stimmt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einer Diversion zu. Das teilten ihre Vertreter nach einer Verhandlungspause mit. Das Gericht zog sich daraufhin zur Beratung zurück. Zu Prozessbeginn hatten alle drei Angeklagten eine "Verantwortungsübernahme" angekündigt.
Mit der Verantwortungsübernahme wäre eine Diversion möglich. Die Oberstaatsanwälte der WKStA sehen die Voraussetzungen dafür "gerade noch gegeben": Das Opfer habe nur einen geringen Vermögensschaden erlitten und sei rehabilitiert worden, der Staat sei zwar geschädigt worden, allerdings sei "kein gänzlich ungeeigneter" Kandidat zum Zug gekommen, sondern nur ein "weniger geeigneter". Hinzu komme, dass die Taten nahezu neun Jahre her seien und sich die Beschuldigten seither "wohl verhalten haben".
Diversion auch für Gericht "gerade noch" möglich
Für das Schöffengericht im Landesgericht Linz kommt eine Diversion "gerade noch in Betracht". Die Vorsitzende schlug Geldbußen von 17.000 Euro für den Erstangeklagten, 22.000 Euro für den Zweitangeklagten und 44.000 Euro für Wöginger vor. Zudem soll jeder einen symbolischen Betrag von 500 Euro an die nicht zum Zug gekommene Kandidatin leisten. Die Angeklagten nahmen dies an.
Das Verfahren ist nun auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Sollten die Angeklagten die Geldbeträge binnen zwei Wochen leisten und kein Einspruch gegen die Diversion erhoben werden, wird das Verfahren rechtskräftig eingestellt und sie sind nicht vorbestraft. Auch wenn die WKStA einer Diversion vorerst zugestimmt hat, steht fest, dass sie am Dienstag keine Entscheidung über einen Einspruch treffen wird, denn sie sei weisungs- und berichtspflichtig, wie ihr Sprecher Journalisten erklärte.
Dem ÖVP-Klubobmann wird von der WKStA "Postenschacher" vorgeworfen. Er soll bei dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, für einen Parteifreund interveniert und dafür gesorgt haben, dass dieser Vorstand des Finanzamts für Braunau, Ried und Schärding wurde. Ebenfalls angeklagt sind zwei Finanzbeamte - der Erstangeklagte war der Leiter der Begutachtungskommission, der Zweitangeklagte Mitglied derselben. Wöginger als Drittangeklagter wird als Bestimmungstäter geführt. Ereignet haben soll sich die mutmaßliche Intervention im Jahr 2017, als Wöginger bereits Abgeordneter im Nationalrat war. Alle drei Angeklagten - für sie gilt die Unschuldsvermutung - hatten bisher die Vorwürfe bestritten.
Prozess in Linz: Wöginger erkannte "Tragweite seines Handelns" nicht
"Das kann der Magister Schmid so verstanden haben", aber es sei nicht Wögingers Absicht gewesen, dass eine besser qualifizierte Bewerberin nicht zum Zug kam, erklärte Verteidiger Michael Rohregger. "Hätte er die Tragweite seines Handelns erkannt, hätte er anders gehandelt." Wöginger selbst beteuerte: "Ich sehe die Sache heute mit ganz anderen Augen", auch sei das "Politikverständnis" heute ein anderes. "Mit dem heutigen Wissen würde ich das in dieser Form nicht mehr tun. Es tut mir wirklich leid. Ich habe das in diese Dimension nicht vorhergesehen, aber ich übernehme die Verantwortung.
"Verbreitetes Phänomen Postenschacher" nicht harmlos
Zuvor hatten die Oberstaatsanwälte von der WKStA die Anklage vorgetragen. Die Vorwürfe "können mit Postenschacher umschrieben werden", das sei ein "verbreitetes Phänomen", aber alles andere als harmlos, betonten sie zur Einleitung. Anders als in anderen Fällen gebe es in diesem "viel belastendes Beweismaterial".
Im Zentrum der Causa steht ein ÖAAB-Funktionär und ÖVP-Bürgermeister. Er hatte sich zuerst für die Leitung des Finanzamts Freistadt beworben. Die Begutachtungskommission wurde damals vom Erstangeklagten geleitet. Der Erstangeklagte, ebenfalls in der ÖVP verankert, "unterstützte die Ambitionen auch aufgrund der Parteizugehörigkeit", so der Anklagevertreter. Weil ein anderes Mitglied der Kommission aber "gesetzeskonform" für die stärkere Berücksichtigung der Berufserfahrung pochte, kam der Mann nicht zum Zug.
Wöginger soll Schmid um Hilfe gebeten haben
Der Bürgermeister startete einen zweiten Versuch, eine Führungsposition zu bekommen, und bewarb sich danach für die Leitung des Finanzamts Braunau. Er habe Wöginger um Unterstützung gebeten, so die Anklage. Wöginger habe sich dann an Thomas Schmid, Generalsekretär im Finanzministerium, gewandt und dieser an den Zweitangeklagten - einen ebenfalls im ÖVP-Umfeld verankerten Finanzbeamten und auch Mitglied beider Begutachtungskommissionen. "Allen war klar, dass dieser Personalwunsch auch parteipolitisch motiviert war." Der Zweitangeklagte habe zugesagt, den Bürgermeister zu unterstützen.
Auch an der Besetzung der Begutachtungskommission sei laut Anklage geschraubt worden: Die Personalverantwortliche der Region Mitte, die in der Kommission für das Finanzamt Freistadt den Bürgermeister verhindert hatte, wurde - obwohl sie bereits in die Kommission berufen worden war - noch rasch ausgetauscht. "Warum das geändert wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich."
Besser qualifizierte interimistische Leiterin kam nicht zum Zug
Ebenfalls beworben hatte sich die interimistische Leiterin des Finanzamts Braunau, die im Gegensatz zum Bürgermeister Führungserfahrung und Weiterbildungen vorweisen konnte und mehrere Belobigungen erhalten habe. Sie sei vom Erstangeklagten provokant befragt worden, obwohl sie einen klaren Vorsprung bezüglich ihrer Qualifikationen gehabt habe. Der Bürgermeister hingegen "hatte seit seiner Grundausbildung in keinem Finanzamt mehr gearbeitet", so die Oberstaatsanwälte.
Die Mitbewerberin kam nicht zum Zug, dafür der Bürgermeister. Die Frau wandte sich an die Gleichbehandlungskommission und bekam recht. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ihr eine Entschädigung wegen Diskriminierung zu. Sie erstattete Anzeige gegen die beiden Kommissionsmitglieder - die Rolle von Wöginger und Schmid "kannte sie damals nicht".
Schmid-Chats im Fokus
Die WKStA stützt sich u.a. auch auf Chats von Thomas Schmid. Dieser hatte Kontakt mit dem Zweitangeklagten. Noch am Tag der entscheidenden Sitzung der Begutachtungskommission im Februar 2017 schrieb dieser dem damaligen Generalsekretär "Hi! mit bauchweh-aber:" und ergänzte ein Daumen-hoch-Emoji. Schmid antwortete: "Mein Held!" Unmittelbar danach schrieb er an Wöginger: "Wir haben es geschafft :-)). Der Bürgermeister schuldet dir was!" Wöginger war daraufhin "total happy". Schmid informierte auch seinen unmittelbaren Vorgesetzten, den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die "Intervention von Wöginger" erfolgreich war.
Verfahren bei Diversion frühzeitig vorbei
Sollte das Gericht eine Diversion beschließen, müssten die Angeklagten eine beispielsweise verhängte Geldbuße zahlen. Kommen dann keine Einsprüche, wäre das Verfahren rechtskräftig eingestellt und sie wären nicht vorbestraft. Auch wenn die WKStA einer Diversion zugestimmt hat, steht fest, dass sie am Dienstag keine Entscheidung über einen Einspruch treffen würde, denn sie sei weisungs- und berichtspflichtig, wie ihr Sprecher Journalisten erklärte.
Eine Diversion könnte das Verfahren deutlich verkürzen. Insgesamt wären nämlich elf Verhandlungstage anberaumt, an denen 31 Zeugen geladen gewesen wären. Auch die Angeklagten würden sich einiges ersparen: Die Strafdrohung liegt bei sechs Monaten bis fünf Jahren. Eine Verurteilung von mehr als sechs Monaten unbedingt oder einem Jahr bedingt wäre zudem mit einem Mandatsverlust verbunden.
(APA/Red)