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Griss will Vorwürfe gegen SOS-Kinderdorf "gründlich" klären

Irmgard Griss
Irmgard Griss ©APA/TOBIAS STEINMAURER
Nach den Berichten über mutmaßlichen Missbrauch an zwei Standorten von SOS-Kinderdorf in Kärnten und Tirol hat die Leiterin der jüngst eingesetzten Untersuchungskommission, Irmgard Griss, betont, dass sie die Strukturen in der Organisation genauestens unter die Lupe nehmen will. "Man muss gründlich arbeiten", sagte Griss am Dienstag im "Ö1-Mittagsjournal". Sie wolle ein Augenmerk auf die gesamte Zeit der Vorwürfe legen. Die Aufarbeitung werde daher "einige Zeit brauchen".

Sie hoffe, dass die Kommission einen Beitrag dazu leisten könne, "dass so etwas in Zukunft ausgeschlossen werden kann [...] und Kinder solche schrecklichen Erfahrungen nicht mehr machen müssen", sagte Griss. Die Organisation sei sehr daran interessiert, "reinen Tisch zu machen", sagte Griss im Hinblick auf Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von SOS-Kinderdorf.

Griss erklärte am Dienstag, dass sich auch der Aufsichtsrat fragen müsse: "Haben wir etwas übersehen?". Man könne niemanden von Verantwortung "ausklammern", sagte Griss. Man müsse sich zudem überlegen, wo an der Situation von Kinderdorfmüttern nachgeschärft werden könne. "Man muss die Strukturen höchstwahrscheinlich verändern und neue Garantien einbauen", um Missbrauch zu verhindern.

Kärntner Standort betroffen

Aufsichtsrat Willibald Cernko und Geschäftsführerin Annemarie Schlack hatten am Montag bekanntgegeben, dass Griss die Leitung jener Reformkommission übernehmen werde, die Vorwürfe gegen SOS-Kinderdorf aufarbeiten solle. Neben Griss sitzt auch die Leiterin der Kinderschutzorganisation "möwe" Hedwig Wölfl, Sozialarbeiterin Veronika Reidinger vom Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung der FH St. Pölten sowie drei Mitglieder des Aufsichtsrates in der Kommission.

Einem "Falter"-Bericht zufolge sollen Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg misshandelt, eingesperrt und nackt fotografiert worden sein. Die Informationen der Wochenzeitung stammen aus einer Studie, die SOS-Kinderdorf selbst in Auftrag gegeben, aber nie öffentlich gemacht hatte. Die Vorwürfe in Kärnten beziehen sich auf den Zeitraum von 2008 bis 2020.

Vorwürfe bezüglich des Standorts im Tiroler Imst, interner Bericht liegt offenbar vor

In Tirol soll es wiederum in den Jahren von 2017 bis 2020 zu fünf Missbrauchsfällen gekommen sein. Die Vorwürfe betrafen den Standort in Imst im Oberland. "Fünf Fälle von Verdacht auf Kindeswohlgefährdung" seien an die Kinder- und Jugendhilfe gemeldet worden, hatte die Organisation am vergangenen Freitag gegenüber der APA erklärt. Es sei zu "Fällen von physischer und psychischer Gewalt und Fehlern in der Leitung" gekommen, räumte SOS-Kinderdorf ein. Details dazu könnte man aus Gründen des Opferschutzes sowie Datenschutzes nicht nennen. Vier der Fälle seien bereits Ende November 2021 an die Kinder- und Jugendhilfe gemeldet worden, der fünfte Fall im August 2022. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüft derzeit einen möglichen Anfangsverdacht. In der Vergangenheit war bei der Anklagebehörde in der Causa nichts anhängig gewesen.

Die Online-Ausgabe der "Tiroler Tageszeitung" berichtete unterdessen Dienstagabend von einer vom Kinderdorf in Auftrag gegebenen, aber bisher nicht veröffentlichten, internen Studie des Instituts für Männer- und Geschlechterforschung "zur Begleitung des SOS-Kinderdorfs West bei der Auseinandersetzung mit institutionellen Dynamiken im Umgang mit unterschiedlichen Formen von Gewalt im Kinderdorf Imst", wie es hieß. Ausschlaggebend für den Bericht sei laut den Autoren ein Vorfall am Standort Imst gewesen, der "verbal inakzeptables pädagogisches Fehlverhalten" einer Leitungsperson sichtbar gemacht und infolge des Bekanntwerdens zu deren fristloser Entlassung geführt habe.

Hinweise auf Missstände in Imst hätten ein Klima der Einschüchterung sowie des Schweigens und der Angst nahegelegt, hieß es laut dem Bericht in der Analyse. Die Gewalt habe sich gegen Mitarbeitende in Form von verbaler, psychischer, struktureller und sexualisierter Gewalt gerichtet. Sie sei durch fahrlässiges Verhalten von Leitenden, aber auch von Seiten der Kinder und Jugendlichen im Kinderdorf erfolgt. MitarbeiterInnen seien von Machtmissbrauch durch Vorgesetzte betroffen gewesen. Die Gewalt habe sich auch gegen die Kinder und Jugendlichen gerichtet. Die Studienautoren sprachen demnach von Gewalt, die struktureller, psychischer, sexualisierter und körperlicher Natur gewesen sei.

(APA)

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