Entwurf für neues ElWG: AK ortet viel Licht, aber auch Schatten

Der Begutachtungsentwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) wird von der Wirtschaft positiv aufgenommen: Der Entwurf biete die "Chance, den heimischen Strommarkt zukunftsfähig, kosteneffizient und wettbewerbsorientiert aufzustellen", merkt die Industriellenvereinigung dazu an. Wirtschaftskammer (WKÖ), Wirtschaftsbund und oecolution verweisen ebenfalls auf die Vorteile des Entwurfs für Verbrauchern und Unternehmen. "Ja, aber…" heißt es jedoch von der Arbeiterkammer.
Die geplante Erzeugerbeteiligung an den Netzkosten und ein Sozialtarif seien "wichtige Schritte" für mehr Leistbarkeit, beim Preisänderungsrecht der Stromlieferanten ortet die AK hingegen deutlichen Nachbesserungsbedarf, wie die Energierechtsexpertin Priska Lueger von der AK Wien der APA sagte. Die Begutachtung läuft bis 15. August.
"Wir sind enorm froh, dass das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz endlich auf den Weg gebracht wird", sagte Lueger. "Wie das Energiesystem inzwischen aufgebaut ist, braucht es einfach gesetzliche Anpassungen, und es werden viele Erfahrungen aus der Praxis berücksichtigt. Nicht zuletzt haben wir auch ein Vertragsverletzungsverfahren auf EU-Ebene - es ist also auch unionsrechtlich wirklich an der Zeit, dass wir das Ganze umsetzen."
Nachschärfungsbedarf sieht sie aber vor allem beim geplanten Sozialtarif und beim Preisänderungsrecht. Hintergrund seien weiterhin hohe Energiepreise und eine im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Inflation. Zugleich habe Österreichs E-Wirtschaft zuletzt hohe Überschüsse erzielt - was den politischen Auftrag unterstreiche, neben Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit auch die Leistbarkeit stärker in den Fokus zu rücken, argumentiert die AK.
AK fordert: Sozialtarif auch für "Working Poor"
Beim Schutz vulnerabler Haushalte begrüßt die AK den vorgesehenen günstigen Tarif als Meilenstein gegen Energiearmut, kritisiert aber, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten zu eng gefasst sei. Gefordert wird eine Ausweitung auf alle Personen, die nach dem Energiearmuts-Definitions-Gesetz als schutzbedürftig gelten - also etwa auch Erwerbslose und "Working Poor". Ausgehend von den Zahlen aus dem Jahr 2024 hätten nach dem derzeitigen Entwurf rund 183.000 Personen Anspruch auf den gestützten Tarif, sagt Lueger. Man könne aber davon ausgehen, dass den gestützten Stromtarif mehr Personen in Anspruch nehmen würden als bisher die ORF-Gebühren-Befreiung.
Warum diese sozialpolitische Maßnahme von den Energieversorgern finanziert werden sollte, begründet Lueger so: "Energieunternehmen haben eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung. Energie gehört zur Daseinsvorsorge der Haushalte. Gleichzeitig wissen wir, dass sie im Zug der Energiekrise et cetera sehr große Gewinne gemacht haben. Und deshalb ist es aus unserer Sicht durchaus gerechtfertigt, dass diese Gewinne bis zu einem gewissen Teil dann wieder an die Kunden weitergegeben werden."
Wie der geplante Sozialtarif für Strom aufgesetzt sei, ist für Lueger "nicht nachvollziehbar", teilweise werde Geld nur zwischen den Energieunternehmen umverteilt. Was dann tatsächlich für die begünstigten Haushalte überbleibt, sei nur ein Bruchteil des gesamten Topfes von 50 Mio. Euro, in den die Stromversorger einzahlen. Derzeit sei auch noch "rechtlich ganz unklar, was passiert, wenn diese 50 Millionen ausgeschöpft sind".
AK drängt auf fairere Verteilung der Netzkosten
Die AK drängt zudem auf eine fairere Verteilung der Netzkosten: Erzeuger seien ebenso auf ein leistungsfähiges Netz angewiesen, würden derzeit aber nur rund 6 Prozent der Systemkosten tragen. Angesichts steigender Netzausgaben sei eine stärkere Beteiligung der Erzeuger überfällig, Haushalte mit kleineren PV-Anlagen sollten von einspeiserseitigen Entgelten ausgenommen werden.
Der Entlastungseffekt wäre beachtlich, rechnet die AK vor: Würden Erzeuger die Hälfte der Netzkosten tragen, ergäben sich für Verbraucherinnen und Verbraucher Einsparungen von über 1,5 Mrd. Euro pro Jahr - im Schnitt rund 170 Euro je Haushalt. Selbst eine Anhebung auf 15 Prozent Erzeugeranteil brächte noch mehr als 300 Mio. Euro Entlastung. Ausnahmen für kleine PV-Anlagen hält die AK für sinnvoll; die Ausgestaltung soll die E-Control festlegen.
Kritik am Preisänderungsrecht
Scharfe Kritik übt die AK am neuen gesetzlichen Preisänderungsrecht: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, in denen Gerichte wiederholt Konsumentinnen und Konsumenten recht gaben, würde der Entwurf es Kunden erschweren, gegen unplausible Erhöhungen vorzugehen. Verlangt werden klare Vorgaben zu Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie abschreckende Rechtsfolgen bei exzessiven Preisaufschlägen.
Abgelehnt wird insbesondere eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf fünf Jahre sowie die im Entwurf vorgesehene "Automatik", wonach an die Stelle einer unangemessenen Erhöhung automatisch eine angemessene trete. Aus Sicht der AK müsste eine als unangemessen festgestellte Preiserhöhung vielmehr unwirksam sein, sagt Lueger. Zudem brauche es Sanktionsmöglichkeiten der Regulierungsbehörde und erweiterte Melde- und Veröffentlichungspflichten, um Preistransparenz zu stärken.
"Was wir jetzt brauchen, sind ergebnisorientierte Gespräche, pragmatische Lösungen und einen rot-weiß-roten Schulterschluss", sagt Barbara Schmidt, Generalsekretärin der Oesterreichs Energie.
Positiv vermerkt die AK, dass leistbare erneuerbare Energie als Ziel des Gesetzes verankert wird und Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand entsprechende gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen als vorrangige Unternehmensziele festschreiben sollen.
Österreichs E-Wirtschaft ist mit dem Entwurf großteils zufrieden. "Positive Elemente wie das flexible Netzentgelt, die Spitzenkappung bei Photovoltaik- und Windkraftanlagen oder die digitale Rechnungslegung setzen wichtige Impulse für Effizienz, mehr Systemdienlichkeit und ein besseres Kundenservice", teilt Oesterreichs Energie mit. Bei den Netzentgelten für Erzeuger, der Rechtssicherheit bei Preisanpassungen oder der Entlastung von Speichern sieht die Interessenvertretung der E-Wirtschaft jedoch noch Handlungsbedarf.
Kein Ort für Sozialpolitik
Für die Industriellenvereinigung ist ein verlässliches, leistbares und effizientes Stromsystem wesentlich, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Netzentgeltbefreiungen, Ausnahmen für Energiegemeinschaften und gestützte Preise - Stichwort Sozialtarif - sieht sie hingegen kritisch. "Das ElWG ist der falsche Ort, um Sozialpolitik zu betreiben", sagt IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Mit den neuen Netzentgelten für Einspeiser "werden die Kosten auf mehr Schultern verteilt", begrüßt WKÖ-Generalsekretär Jochen Danninger den Plan, Stromlieferanten generell an den Netzkosten zu beteiligen. Gleichzeitig werde damit ein Anreiz gesetzt, den selbst produzierten Strom selbst oder gemeinsam mit den Nachbarn zu verbrauchen, statt in das Stromnetz einzuspeisen.
"Faire und verlässliche Rahmenbedingungen"
Für den Wirtschaftsbund schafft der Gesetzesentwurf "faire und verlässliche Rahmenbedingungen für heimische Betriebe und Haushalte", wie Wirtschaftsbund-Generalsekretär und ÖVP-Wirtschaftssprecher Kurt Egger betont.
Die Position der Verbraucher werde durch verständlichere und leichter vergleichbare Stromrechnungen gestärkt, führt der von der Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKÖ) finanzierte Verein oecolution als Argument für den Entwurf an. Digitale Stromzähler - sogenannte Smartmeter - ermöglichen neue flexible Tarifmodelle, ergänzt oecolution-Geschäftsführer Christian Tesch laut einer Aussendung. Aber auch die Nutzung von E-Autos als flexible Stromspeicher trage zu einer effektiveren Nutzung erneuerbarer Energien bei. Die Beteiligung der Strom-Einspeiser an den Netzkosten sei nur fair. Dass Erzeugungsspitzen gekappt werden, bewertet oecolution ebenfalls positiv, da dadurch hohe Investitionen in den Netzausbau vermieden werden.
Energieexperten sehen rechtliche Hürden
Der Entwurf zum Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) könnte gegen Unionsrecht verstoßen. Dies geht aus einer rechtlichen Stellungnahme der European Renewable Energies Federation aus Brüssel hervor, berichtet "Die Presse" online. Dabei geht es um die Spitzenkappung bei Windkraftanlagen - also der Begrenzung der Stromeinspeisung bei einer Überproduktion. Laut dem Gutachten zeichne sich ein Umsetzungs- und Rechtsunsicherheitsproblem für Einspeiser ab, so das Kurzgutachten.
Die Spitzenkappung könne an sich zulässig sein, nur dürfe sie nicht dafür genützt werden, um dauerhaft keine oder keine weiteren netzverstärkenden Maßnahmen vorzunehmen, geht aus dem Gutachten hervor. In der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie sind auch flexible Netzanschlussverträge vorgesehen. Allerdings räume das ElWG im aktuellen Entwurf allein dem Netzbetreiber das Recht zu, die Leistung dauerhaft dynamisch zu begrenzen, so ein weiterer Kritikpunkt. In dem Gutachten stoßen sich die Experten zudem daran, dass in den Erläuterungen "die Möglichkeit dauerhafter Begrenzungen geschaffen werden soll". Ebenfalls kritisiert wird, dass die Spitzenkappung ohne Entschädigung erfolgen soll.
An dem Papier beteiligt war unter anderem die deutsche Anwältin Dörte Fouquet, die auch im Aufsichtsrat des österreichischen Regulators E-Control sitzt. Sollte das Gesetz in der aktuellen Version umgesetzt werden, riskiere Österreich Staatshaftungsansprüche sowie Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), so die Einschätzung von Maria Anwar, Juristin bei der IG Windkraft.
(APA/Red)