Millionen für IS gesammelt: 33-Jähriger in Wien angeklagt

Am Dienstag beginnt am Wiener Landesgericht ein aufsehenerregender Prozess gegen einen 33-jährigen Mann tschetschenischer Abstammung. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft dem Angeklagten vor, über Jahre hinweg in großem Stil finanzielle Mittel für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) gesammelt und verwaltet zu haben – zuletzt in professionell organisierter Form.
Internationale Vernetzung und Millionenbeträge
Laut Anklageschrift, die der APA vorliegt, soll der Mann unter dem Namen "Abu Ashab" ab 2018 zunächst eigenständig Spenden für IS-Angehörige, vor allem Frauen in syrischen Gefangenencamps wie al-Haul und Roj, gesammelt haben. Ab 2022 soll er gemeinsam mit Gesinnungsgenossen aus Deutschland, Belgien und der Türkei die Gruppe "Jamaat" gegründet haben – deren einziges Ziel laut Anklage: Geld für IS-Kämpfer und deren Angehörige zu beschaffen.
Über Telegram-Kanäle und automatisierte Chatbots wurden gezielt Spendenaufrufe verbreitet. Allein über einen Kanal sollen bis Sommer 2024 rund 73,5 Millionen US-Dollar (etwa 62,8 Millionen Euro) gesammelt worden sein – ein erheblicher Teil davon für terroristische Zwecke, so die Staatsanwaltschaft.
Fotos von Kindern für Spendenzwecke missbraucht
Besonders perfide: Um Spender zu täuschen, sollen gezielt Fotos von Kindern ohne ihre Mütter aus IS-Camps verbreitet worden sein. Die Darstellung sollte Mitleid erregen und ein humanitäres Motiv suggerieren. "Bruder, es werden lediglich Fotos von Kindern ohne Mütter gemacht (...)", heißt es in einer von Ermittlern gesicherten Chatnachricht des Angeklagten.
Dem Mann wird laut Anklage nachgewiesen, zentral für die Finanzen der Gruppe verantwortlich gewesen zu sein. Er habe Zahlungen koordiniert und auch Anweisungen zur Mittelverwendung erteilt. Unterstützt wurde er von einem in Syrien ansässigen IS-Mitglied weiblichen Geschlechts, das eine Schlüsselrolle einnahm.
Zahlungen über Kyrpto-Wallets abgewickelt
Hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten und insbesondere der konkreten Verwendung der Gelder "lag das Kommando beim Angeklagten", bekräftigt die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage. Hatte sich die Gruppierung auf ein konkretes Projekt geeinigt - etwa den Freikauf eines inhaftierten IS-Kämpfers -, wurde die dafür benötigte Summe von Belgien, Deutschland oder Österreich zunächst in die betroffenen Gebiete geschafft.
Während das anfangs noch regelmäßig mittels Bargeld-Transports über die Türkei nach Syrien oder in den Irak geschah, bediente man sich später Krypto-Währungen und wickelte die Zahlungsflüsse über Krypto-Wallets ab. Abgeschlossen wurden die Projekte mit einer Vollzugsmeldung oder in Form einer Berichterstattung über "Jamaat"-Social Media-Kanäle.
7.000 US-Dollar für Freikauf von junger Wienerin
Eines der von "Jamaat" betriebenen so genannten Projekte war der Freikauf einer jungen Wienerin, die 2014 als 19-Jährige über Istanbul nach Syrien gereist war, sich dort dem IS angeschlossen hatte und nach der militärischen Niederlage des IS im Lager al-Haul interniert war. Um sie im Sommer 2022 freizukaufen, wurden 7.000 US-Dollar (5.985 Euro) aufgebracht.
Sehr stark eingesetzt haben soll sich der Angeklagte für einen in Syrien kämpfenden prominenten Foreign Fighter aus Tschetschenien. Der Mann alias "Abu Ali" soll sich noch im Vorjahr in führender Funktion für den IS betätigt haben, amerikanische und britische Spezialkräfte fahndeten aktiv mit Drohnen nach ihm, auf Hinweise zu seiner Ergreifung war angeblich sogar ein Kopfgeld ausgelobt worden. Laut Anklage sicherte der 33-Jährige für den Fall dessen Ablebens die finanzielle Versorgung seiner Familie zu. Überdies soll er ihm 2024 finanzielle Mittel in Höhe von insgesamt zumindest 60.000 US-Dollar (51.300) Euro zur Verfügung gestellt haben.
Auch Kalaschnikows und andere Schusswaffen soll die Gruppierung um den in Wien lebenden Tschetschenen IS-Kämpfern finanziert haben. "Schick ihnen Moneten für circa 3 Gewehre/Waffen", lautete etwa eine knappe Anweisung des 33-Jährigen.
Umfangreiche Ermittlungen führten zur Anklage
Die internationalen Aktivitäten der Gruppe reichen laut Behörden über Österreich hinaus bis in mehrere EU-Staaten und die Türkei. Treffen führender "Jamaat"-Mitglieder sollen auch physisch stattgefunden haben – etwa im August 2022 in Sachsen (Deutschland).
Der 33-Jährige hat im Ermittlungsverfahren sinngemäß erklärt, er habe mit dem IS nichts am Hut. Er sei weder Mitglied von Telegram-Chatgruppen gewesen noch unter dem Synonym Abu Asha aufgetreten und habe keine Spendensammlungen betrieben. Er behauptete, die tschetschenische Community in Österreich wüsste, dass er in seiner Heimat bei der Polizei gewesen sei und würde ihm daher nicht vertrauen.
Dem Angeklagten drohen bei einer Verurteilung langjährige Haftstrafen wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation. Der Prozess wird mit Spannung erwartet.
(APA/Red)