Regierung einig: Bundesstaatsanwaltschaft mit Dreiergremium fix

Der Vorsitz soll alle zwei Jahre wechseln. Ein entsprechender Ministerratsvortrag wurde beim letzten Ministerrat vor der Sommerpause am Mittwoch beschlossen. Ein konkreter Gesetzesentwurf soll bis zum Herbst ausgearbeitet werden.
Bundesstaatsanwaltschaft löst Justizminister als Aufsicht ab
Derzeit ist die Justizministerin bzw. der Justizminister oberste Fachaufsicht der Staatsanwaltschaften. Das soll künftig die Bundesstaatsanwaltschaft übernehmen. "Ich werde voraussichtlich die letzte Justizministerin sein, die Weisungen erteilen könnte und das ist gut so", sagte Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) im Pressefoyer. Beseitigt werden solle mit der Reform "eine mögliche Verquickung von Politik und Justiz, die sich in den letzten Jahren mitunter als problematisch erwiesen hat".
Das Dreiergremium soll gemäß dem Ministerratsvortrag vom Nationalrat auf Vorschlag einer im Justizministerium eigens eingerichteten Kommission gewählt werden. Ernannt werden die Mitglieder dann vom Bundespräsidenten nach Vorlage durch die Bundesregierung. Eine Wiederwahl nach der sechsjährigen Amtszeit soll nicht möglich sein. Wie die Kontrolle der Bundesstaatsanwaltschaft durch das Parlament aussehen soll, ist vorerst nur vage formuliert. Sichergestellt werden soll jedenfalls, dass es keine begleitende Kontrolle laufender Ermittlungen geben soll.
Regierung spricht von "Meilenstein" für Rechtsstaat
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und ÖVP-Staatssekretär Alexander Pröll (ÖVP) sprachen am Mittwoch beide von einem "Meilenstein" für den Rechtsstaat, der nach jahrelangen Diskussionen gelungen sei. Innerhalb der Dreierkoalition wurde noch bis in die Nacht vor dem Ministerrat gerungen, um die Einigung zu erzielen. Viele Details sind allerdings weiterhin offen und müssen erst in den nächsten Monaten ausgearbeitet werden. Künftig seien die Staatsanwaltschaften über jeden Verdacht der Befangenheit erhaben, betonte die Außenministerin. "Wir stärken die Unabhängigkeit der Justiz und damit die Demokratie."
Der Gesetzesentwurf soll im Herbst in Begutachtung geschickt werden, so Sporrer. Ob das Gesetz noch heuer im Parlament beschlossen und in Kraft treten werde, könne sie aber nicht sagen. Der Reformprozess solle unter intensiver Einbindung von Parlament und Experten sensibel und behutsam über die Bühne gehen, wurde betont. Um die für einen Beschluss im Nationalrat nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen, will man sowohl auf Grüne als auch auf die FPÖ zugehen.
Letztere zeigte sich nicht begeistert. Der blaue Justizsprecher Harald Stefan bezeichnete die Bundesstaatsanwaltschaft in einer Aussendung als "überflüssig". In den letzten sieben Jahren seien nur 17 Weisungen erteilt worden, alle davon "juristisch betrachtet in Ordnung". Stefan befürchtet nun eine "Verpolitisierung" statt einer versprochenen Entpolitisierung der Justiz: "Wir haben drei Parteien in der Regierung, die Bundesstaatsanwaltschaft soll von einem Dreiersenat geführt werden. Als gelernter Österreicher und langjähriger Beobachter bin ich mir sicher, dass hier jede Partei ein ihr nahestehendes Mitglied wohl ins Amt heben wird." Außerdem sei eine Dreierspitze kostenintensiv.
Schwarz-Grün scheiterte an Bundesstaatsanwaltschaft
Die besten Chancen rechnet man sich freilich bei den Grünen aus, deren ehemalige Justizministerin Alma Zadić in der Vorgängerregierung sich intensiv um eine General- bzw. Bundesstaatsanwaltschaft bemüht hatte, aber an einer Einigung mit der ÖVP gescheitert war. Bereits damals hatte es einen Ministerratsvortrag der Regierung gegeben, der allerdings in keinen gemeinsamen Begutachtungsentwurf mündete.
Ihr seien die heutigen Ankündigungen aber noch zu wenig, so Zadic in einer Aussendung. "Die Einführung einer Generalstaatsanwaltschaft ist seit Jahrzehnten Ziel der Grünen. Und es ist erfreulich, dass sich diese Bundesregierung dem angeschlossen hat. Aber ich wünsche mir endlich ein fertiges Gesetz, über das wir diskutieren können", meinte Zadić. Man habe in den vergangen Jahren konkrete Modelle und Gesetzestexte erarbeitet, "heute präsentiert die Regierung im Grunde nur ein zweites Mal die seit Monaten bekannten Eckpunkte aus dem Regierungsprogramm. Das ist reichlich wenig." Die Grünen stehen für Verhandlungen aber bereit, betonte sie.
Streitpunkt zwischen ÖVP und Grüne war lange, wer dem Organ vorstehen soll. Die ÖVP war stets für eine Einzelperson, die Grünen für ein Dreiergremium. Bei der Frage nach Einzelspitze oder Kontrollgremium hätten beide Varianten Vor- und Nachteile, durch Fachargumente hätte man sich aber überzeugen lassen, etwa vom System der gegenseitigen Kontrolle, meinte Pröll, der sich als "Hüter des Kompromisses" und "Abarbeiter des Koalitionsvertrages" sah.
Staatsanwälte für Einzelspitze
Die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (StAV) begrüßt den Entwurf im Wesentlichen - etwa die Klarstellung der verfassungsrechtlichen Einordnung von Staatsanwälten und die Besetzung der Weisungsspitze ausschließlich mit Personen, die die Voraussetzungen für das Richteramt sowie langjährige Expertise aufweisen, sei besonders positiv. Grundsätzlich befürwortet man auch die Entscheidung über Weisungen in Einzelstrafsachen durch einen unabhängigen Dreiersenat. Allerdings sollte - der Empfehlung der 2021 eingesetzten Experten- und Expertinnengruppe folgend - an der Spitze der Bundesstaatsanwaltschaft "wie bei allen anderen Justizbehörden eine Einzelperson, der die organisatorische Leitung sowie die Vertretung nach außen obliegt, stehen", heißt es in einer Aussendung.
Kritisch sieht die StAV daher die geplante Organisation. Da die Generalprokuratur laut Entwurf in der Bundesstaatsanwaltschaft aufgehen soll, erlaube die Befassung der Leitung mit Personal- und sonstigen Justizverwaltungsangelegenheiten sowie Repräsentation nicht, sich darüber hinaus auch in der gebotenen Tiefe und Qualität ihrer Hauptaufgabe, nämlich der letztverantwortlichen Entscheidung über Weisungen in Einzelstrafsachen, zu widmen. Deshalb sollten organisatorische Leitung durch eine Person und inhaltliche Entscheidungsfindung durch unabhängige Senate getrennt werden.
Noch zu wenig konkret seien die Ausführungen betreffend der Bestellung der Bundesstaatsanwaltschaft und der parlamentarischen Kontrolle. "Wenn die Reform eine tatsächliche Verbesserung des bestehenden Systems bewirken soll, müssen die Empfehlungen der Experten- und Expertinnengruppe berücksichtigt und die Bedenken der Praktiker:innen ernst genommen werden", sagte StAV-Präsidentin Elena Haslinger.
(APA/Red)