Warnung der Gewerkschaft vor steigender Gewalt im Handel

Nahezu jede zweite Person hat bereits am Arbeitsplatz Beschimpfungen, Bedrohungen oder sexuelle Belästigung erlebt - allein im vergangenen Jahr betraf dies 8,4 Prozent der Befragten. "Das Hauptproblem sind die Kunden und Kundinnen", erklärt die Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, Barbara Teiber.
Übergriffe im Handel nehmen deutlich zu
"Unser Betriebsratsteam musste in den letzten Jahren leider feststellen, dass der Umgangston mit unseren Kolleginnen viel, viel rauer geworden ist und die Gewaltbereitschaft steigt", berichtete Billa-Betriebsrätin Sabine Grossensteiner am Montag bei einem Pressegespräch in Wien. Besonders häufig genannt wurden in der nicht repräsentativen Umfrage Beschimpfungen (57,8 Prozent), Einschüchterungen (58,6 Prozent) und Bedrohungen (37,6 Prozent). Auch sexistische Übergriffe sind laut GPA weit verbreitet: 40 Prozent der weiblichen Beschäftigten berichten von anzüglichen oder diskriminierenden Witzen, jede Fünfte von verbaler sexueller Belästigung, rund vier Prozent von körperlichen Übergriffen. Mehr als die Hälfte der Befragten (53,2 Prozent) sieht eine Zunahme solcher Vorfälle in den letzten fünf Jahren.
In vielen Filialen seien nur Frauen tätig, erzählte Grossensteiner. "Da gibt es mittlerweile so Aktionen, wo sich einfach mehrere Männer in kleinen Gruppen in eine Filiale stellen und dann auch wirklich provokativ die Mitarbeiterinnen und Kolleginnen beobachten, über sie sprechen, teilweise in einer anderen Sprache, auch vorbeigehen und so am Popsch vorbeistreichen - also unsere Kolleginnen wirklich sexuell belästigen." Es gebe auch Überfälle, wobei vermehrt Waffen eingesetzt würden, und auch ertappte Diebe würden sich immer aggressiver verhalten.
Gewerkschaft appelliert an Arbeitgeber
Mitarbeiterinnen würden von Kunden bespuckt und es komme auch zu Schlägereien zwischen Kunden an der Kassa, berichtete Teiber. Sie appellierte an die Arbeitgeber, das Thema ernst zu nehmen und sich an die Seite ihrer Beschäftigten zu stellen und nicht "Kunden, die sich wirklich unmöglich aufführen" und danach bei der Firmenleitung beschweren, nachträglich noch mit Gutscheinen zu belohnen.
Strukturelle Maßnahmen seien dringend notwendig, sagte die GPA-Chefin. Die Gewerkschaft fordert unter anderem ein Recht auf psychologische Unterstützung und Supervision, Gewaltschutzbeauftragte in Betrieben ab 20 Personen sowie eine verpflichtende Mindestbesetzung bei hoher Kundenfrequenz. Auch die räumliche Gestaltung der Filialen müsse unter dem Aspekt der Gewaltprävention überprüft werden. Enge Gänge oder zu kleine Kassabereiche würden Kundinnen und Kunden in Stresssituationen bringen.
WKÖ hält Vorschläge der Gewerkschaft für nicht umsetzbar
Wenig Verständnis für die Wünsche der Gewerkschaft zur Vermeidung von Gewalt zeigt die Vertretung der Arbeitgeberseite in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): Noch ein Beauftragter mehr und eine Mindestbesetzung in Filialen seien "schlicht nicht umsetzbar", teilte der Obmann der WKÖ-Bundessparte Handel, Rainer Trefelik, Montagnachmittag via Aussendung mit. Die Forderungen seien "unrealistisch". Zum einen bestätige eine von der WKÖ beauftragte Studie des Instituts für Handel, Absatz und Marketing an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz eine "hohe Zufriedenheit der Handelsangestellten mit ihrem Job"; zum anderen spüre auch der Handel den Fachkräftemangel und ausreichend Personal sei gar nicht immer zu finden.
(APA/Red)