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Migration: Nationalrat fixierte Familiennachzug-Pause

Familiennachzug-Pause wurde im Nationalrat fixiert.
Familiennachzug-Pause wurde im Nationalrat fixiert. ©APA/Max Slovencik
Der Nationalrat hat am Freitag mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS eine Pause für den Familiennachzug bei Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten ermöglicht.
Gegenwind für Gesetzesvorlage
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Der FPÖ ging der Beschluss nicht weit genug, wollen die Freiheitlichen doch die Asylquote insgesamt auf null stellen. Die Grünen wiederum plädierten dafür, zuerst einmal das geplante Integrationsbarometer zu etablieren, ehe weitere Schritte gesetzt werden.

Konkret ist vorgesehen, dass es für direkte Angehörige weiterhin möglich sein wird, bei der jeweiligen Vertretungsbehörde einen Antrag auf Einreise zwecks Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung zu stellen. Doch wird der weitere Verlauf des Verfahrens im Regelfall gehemmt. Das heißt, die vorgeschriebene sechsmonatige Behandlungsfrist für die Anträge muss nicht eingehalten werden. Ausnahmen davon gibt es, wenn Kinder im Herkunftsstaat keine ausreichenden Bezugspersonen haben. Gleiches gilt für vorgereiste Kinder und Jugendliche, deren im Herkunftsland befindlicher Elternteil die einzige in Betracht kommende Bezugsperson ist. Für die Umsetzung braucht es noch eine Verordnung der Regierung.

Blick auf Bildungsbereich

Argumentiert wurde von den Koalitionsparteien vor allem mit den Schwierigkeiten an Österreichs Schulen. NEOS-Mandatarin Sophie Wotschke meinte, die Schulen seien überlastet, die Lehrerinnen schafften das nicht mehr. Zu oft könne der Unterricht nicht mehr stattfinden wegen mangelnder Deutschkenntnisse. Wenn in Klassen 80 Prozent nicht Deutsch könnten, sei das nicht zielführend, betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Es sei nötig, die Kinder in Integration zu bringen, meinte der Ressortchef auch unter Verweis auf gestiegene Jugendkriminalität.

SPÖ-Sicherheitssprecher Maximilian Köllner befand, dass sich Migration an der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft orientieren müsse. Die Lehrer seien an einer Belastungsgrenze angelangt. Dazu bräuchten auch die Schüler eine gute Zukunft. Es gehe nicht, dass Österreich Jahr für Jahr an seine Grenzen gehe, während sich andere Länder wie Ungarn aus der Verantwortung stehlen: "Wir werden Kollegen wie Herrn Orban die Stirn bieten müssen und nicht einen Knicks machen."

FPÖ spricht von "Etikettenschwindel"

Die FPÖ sah einen "Etikettenschwindel" vor der österreichischen Bevölkerung, wie die Abgeordnete Irene Eisenhut formulierte. Der freiheitliche Sicherheitssprecher Gernot Darmann erkannte eine Täuschung. Umgehungen seien möglich, der "Asyl-Mafia" werde sogar eine Anleitung gegeben, wie der Nachzug dennoch funktioniere. Ginge es nach der FPÖ, würde die Asylquote auf null gestellt und würde Österreich aus dem EU-Migrationspakt aussteigen.

Aus ganz anderen Gründen lehnten die Grünen die Vorlage ab. Die Abgeordnete Agnes Prammer zeigte sich überrascht, dass nicht nur ÖVP und SPÖ sondern auch die NEOS auf Grundrechte verzichten wollten. Der Gesetzesantrag sei nämlich rechtlich "höchst bedenklich". Der Regierung empfahl sie, fakten- und evidenzbasiert vorzugehen. Dafür brauche es das Integrationsbarometer, mit dem ja nach Vorstellung der Koalition künftig das Ausmaß der Familienzusammenführung festgelegt werden soll.

NEOS wiesen auf Abänderung hin

Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) beruhigte. Dass das Asylrecht in Österreich weiter bestehe, sei klar. VP-Mandatar Ernst Gödl plädierte dafür, realistisch zu sein und machbare Lösungen zu finden: "So eine legen wir heute vor." Die NEOS wiederum wiesen auf eine heute eingebrachte Abänderung hin, mit der die Möglichkeit geschaffen wird, einen Bescheid zu erhalten, ob im jeweiligen Fall die Hemmung gilt.

Gestartet wurde die Sitzung mit einer "Fragestunde" an Kanzleramtsministerin Claudia Plakolm (ÖVP). Viel Neues gab es dabei nicht. Plakolm betonte, dass sie das Kopftuchverbot für Schülerinnen bis 14 Jahren "stark und schnell" auf den Weg bringen wolle. Eingebettet werden soll diese Maßnahme in ein umfassendes Paket, das gleichzeitig auch dem Empowerment von Mädchen dienen soll. Auch das verpflichtende Integrationsprogramm verteidigte die Ministerin. Hier könne man auf Best-practice-Beispiele aus Nieder- und Oberösterreich zurückgreifen. Die Kürzung von Sozialleistungen könne der Hebel sein, um Bemühungen um Spracherwerb und Jobsuche zu verstärken.

Debatte wegen Verwendung von Begriff "Umvolkung"

Die Verwendung des Begriffs "Umvolkung" durch die FPÖ hat auch am Freitag erneut für hitzige Debatten im Nationalrat gesorgt. Für Aufregung sorgte ein Zwischenruf von FPÖ-Klubchef Herbert Kickl bei einer Debatte über den Rechtsextremismus-Bericht, in der er die Verwendung des im Nationalsozialismus gebräuchlichen Ausdrucks durch einen Parteikollegen am Vortag verteidigte. Dafür hagelte es empörte Kritik der anderen Fraktionen.

NEOS-Klubobmann Yannick Shetty und der Grüne Abgeordnete Lukas Hammer, die den Zwischenruf Kickls gehört hatten, forderten den FPÖ-Chef auf, seine Äußerung zurückzunehmen. Kickl hatte demnach argumentiert, dass der Begriff "Umvolkung" im Nationalsozialismus als positiver Begriff verwendet worden sei, während ihn sein Parteikollege Peter Wurm am Vortag als Kritik geäußerte habe. Hammer sprach von einer "unglaublichen Entgleisung". Auch Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) warnte vor einer Normalisierung der rechtsextremen Sprache und rechtsextremer Diskurse. Der Begriff "Umvolkung" stamme eindeutig aus der nationalsozialistischen Diktion, daran bestehe kein Zweifel in der Sprachforschung, so Sporrer.

Der FPÖ-Chef kam den Aufforderungen nicht nach und äußerte sich im Plenum nicht dazu. Der Zweite Nationalratspräsident Peter Haubner (ÖVP), der die Sitzung leitete, kündigte nach einer Sitzungsunterbrechung samt Steh-Präsidiale an, dass man sich darauf geeinigt habe, den Vorfall noch einmal in der Präsidiale des Nationalrats zu besprechen. Zudem ersuchte er die Abgeordneten gerade im zeitlichen Umfeld der Jubiläen bei der Wortwahl sehr vorsichtig zu sein und die Wortwahl entsprechend anzupassen.

Kritik an Rechtsextremismus-Bericht

Auch in den Wortmeldungen zum eigentlichen Thema der Debatte, dem Rechtsextremismus-Bericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands (DÖW), ging es hitzig zu. Der FPÖ-Mandatar Harald Stefan kritisierte den Bericht als "pseudowissenschaftliche Agitation von Linksextremen, die sich auf Kosten der Steuerzahler austoben können". Der Bericht sei von Innen- und Justizministerium gemeinsam in Auftrag gegeben worden und vom DÖW nach wissenschaftlichen Kriterien verfasst worden, betonte die Justizministerin. "Die FPÖ unter Herbert Kickl ist der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus in Österreich", kritisierte Hammer.

Kritik an dem Bericht kam auch von der ÖVP. Der Kampf gegen Rechtsextremismus sei wichtig und unverzichtbar, aber ein traditionelles Gesellschafts- und Familienbild sei nicht ausreichend, um als rechtsextrem bezeichnet zu werden, meinte der Mandatar Wolfgang Gerstl mit Blick auf die Erwähnung von ÖVP-Politikern in dem Bericht. Er sprach sich für eine Verbesserung und die weitere Stärkung der Qualität des Berichts aus. Es gehe darum, die Grenzen des Sagbaren immer weiter nach rechts zu verschieben.

Nächste Nationalratssitzung mit Budgetrede

Beendet wurde die an Gesetzesbeschlüssen arme Nationalratssitzung am Freitagabend mit Debatten über mehrere Berichte des Rechnungshofs sowie eine "Erste Lesung" einer Gesetzesinitiative der FPÖ zur ÖH-Mitgliedschaft. Wer den Beitrag zur Hochschülerschaft nicht entrichtet, soll demnach von der Mitgliedschaft ausgenommen sein, so die blaue Forderung mit wenig Aussicht auf Erfolg. Die nächste Nationalratssitzung findet am 13. Mai statt. An diesem Tag wird Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) seine Budgetrede halten.

(APA/Red)

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