Hassverbrechen gegen LGBTIQ+-Community nehmen zu

Darauf machte der Wiener Rechtsanwalt Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitee Lambda - ein im Jahre 1991 gegründeter Verein, der sich für die Gleichberechtigung von homosexuellen und transidenten Menschen einsetzt - aufmerksam. Betroffene würden nur selten Anzeige erstatten, meinte Graupner.
Wie Graupner im Gespräch mit der APA erläuterte, gab es zuletzt bei hassbedingten Übergriffen aufgrund sexueller Orientierung deutlichere Zuwächse als bei anderen Gruppen, die sich im Netz und im Alltag Angriffen ausgesetzt sehen. "Hinsichtlich der Motivlage liegen auf den vordersten Plätzen die Weltanschauung, die ethnische Herkunft und die Religion. Die sexuelle Orientierung hat aber die Hautfarbe vom vierten Platz verdrängt." Dabei geht Graupner gerade bei dieser Gruppe von einer hohen Dunkelziffer aus. "Erschreckend ist, dass nur acht Prozent der betroffenen homosexuellen und bisexuellen Personen Anzeige erstatten. Über 90 Prozent der Fälle bleiben ungeahndet." Das sei "der Nährboden für weitere Gewalt". Täter, denen nicht Einhalt geboten wird, würden "weitermachen", befürchtet Graupner.
60 Prozent der LGBTIQ+Personen von Belästigungen betroffen
In Österreich haben 60 Prozent aus der LGBTIQ+-Community bereits Belästigung erfahren. Das geht aus einem aus dem Vorjahr stammenden Bericht der EU-Grundrechteagentur zur Situation von LGBTIQ-Personen hervor. Roher Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität waren - bezogen auf 2023 - hierzulande sechs Prozent, bezogen auf die vorangegangenen fünf Jahre 15 Prozent ausgesetzt.
"Besonders erschreckend sind die Zahlen zu den Schulen. 73 Prozent sagen, dass sie in der Schule Mobbing, Verspottung, Hänseleien, Beschimpfungen oder Drohungen ausgesetzt waren", erläuterte Graupner gegenüber der APA. 2019 seien das in Österreich noch 43 Prozent gewesen. Mobbing in der Schule habe für junge LGBTIQ+-Menschen somit binnen fünf Jahren um 70 Prozent zugenommen.
Aktueller Fall "völlig neue Dimension"
Den aktuellen Fall, bei dem 17 schwule Männer von einem homophoben Netzwerk schwer misshandelt, ausgeraubt, verletzt und erniedrigt wurden, bezeichnete Graupner als "völlig neue Dimension. So etwas hat es in dieser Form bisher nicht gegeben." Der Wiener Anwalt befürchtet, dass es weit mehr Opfer geben könnte, die sich bisher noch nicht bei der Polizei gemeldet haben. Er riet Betroffenen nachdrücklich, sich an Opferschutzeinrichtungen zu wenden und die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. "Es gibt seit über 20 Jahren juristische und psychosoziale Prozessbegleitung, die Betroffene nichts kostet, aber unbezahlbar ist", betonte Graupner.
DÖW: Anti-Queerness hat Tradition
"Für ein politisches Milieu, in dem Homosexualität bis heute mitunter als 'psychiatrische Störung' verhandelt wird, hat Anti-Queerness Tradition", heißt es indes im Jänner veröffentlichten Rechtsextremismusbericht 2023, den das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) im Auftrag des Innenministeriums erstellt hat. Und dass das Feindbild Homosexualität mit Pädophilie vermischt wird, sei definitiv etwas, was man beobachtet habe, hieß es am Freitag im DÖW.
Dabei sei ausgehend von neurechten Kreisen und der Freiheitlichen Jugend (FJ) bereits 2021 systematisch gegen den "Pride Month" Juni für queere Lebensweisen agitiert worden. Das kulminierte in einer Intervention identitärer Aktivisten gegen die Vienna Pride am 19. Juni 2021, wo die Afterparty mit einem Banner mit dem Hashtag "no_pridemonth" gestört wurde. Der Juni wurde in weiterer Folge von der FPÖ-Jugend zum "Patrioten-Monat statt Pridemonth!" ausgerufen, heißt es im Bericht.
Im DÖW verweist man auf weitere Aktionen in den Jahren darauf. Etwa im Juni 2022: "Bereits in der Nacht auf den 3. Juni hatte es eine aktionistische Intervention gegen eine Drag-Queen-Lesung in einer städtischen Bücherei in Wien gegeben: Aktivisten errichteten vor deren Eingang eine symbolische rot-weiß-rote Mauer", ist im Rechtsextremismusbericht zu lesen.
Am 29. März 2023 gab es eine weitere Aktion, als Aktivisten symbolisch die Türkis Rosa Lila Villa sperrten. "Ein Banner ('Wiener Kinderschutz - Amtlich versiegelt') und Plakate ('Vorsicht! Dieses Gebäude ist ein Tatort! Villa Vida zusperren!') wurden am Baugerüst um den Eingang des Gebäudes angebracht. Man habe die Lokalität damit - unter Bezugnahme auf eine am 26. März dort durchgeführte Drag-Queen-Lesung - 'als Tatort markiert', schrieb Widerstand in Bewegung", heißt es dazu im Bericht. Und im weiteren wird ein beteiligter Aktivist zitiert, der im "Heimatkurier" einen Hinweis auf die propagandistische Verbrämung zwischen den Aktionen gegen Homosexuelle und pädophile Täter lieferte. "... die Aktion richte sich gegen 'kranke Männer, die sich als Frauen verkleiden, um mit kleinen Kindern zu spielen', heißt es in dem Bericht.
Im DÖW verwies man auch auf Demos bzw. Kundgebungen im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den ehemaligen Burgschauspieler Florian Teichtmeister. Bei all diesen Aktionen zeigten sich auch inhaltliche Überschneidungen zwischen Vertretern der Neuen Rechten, wie den Identitären, sehr traditionellen und besonders konservativen katholischen Kreisen bis hin zu Proponenten der Corona-Leugner-Szene.
Allerdings - um auf die sogenannten "Pedo Hunters" einzugehen - ist es den Experten des DÖW eher nicht plausibel erscheinend, dass Vertreter der Identitären im Zusammenhang mit den Aktionen, wie sie in Graz geschildert wurden, aufgetreten wären. Das sei einfach nicht deren Stil. Gewaltakte gegen Homosexuelle und die physische Misshandlung von Menschen würden eher sehr gut zu Neonazis passen, hieß es auf Anfrage der APA.
(APA/Red)