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Ergebnis der Deutschland-Wahl: Sieg der Union, Merz will rasch neue Regierung bilden

Die Union hat die Bundestagswahl nach Auszählung aller Wahlkreise gewonnen - mit großem Abstand vor der zweitplatzierten AfD und der SPD, die deutliche Verluste einfuhr.
Die Union hat die Bundestagswahl nach Auszählung aller Wahlkreise gewonnen - mit großem Abstand vor der zweitplatzierten AfD und der SPD, die deutliche Verluste einfuhr. ©APA/AFP/INA FASSBENDER
Nach dem Sieg der Union bei der deutschen Bundestagswahl am Sonntag hat CDU-Chef Friedrich Merz Gespräche über die rasche Bildung einer Regierung unter seiner Führung angekündigt.
Ergebnis und alles zum Wahltag

Rechnerisch wäre eine Mehrheit mit der SPD möglich, die unter Bundeskanzler Olaf Scholz ihr bisher schlechtestes Ergebnis im Bund holte. Sie fiel hinter die AfD zurück, die bei der Wahl auf Platz zwei kam. Grüne und Linke sind ebenfalls im neuen Deutschen Bundestag vertreten, FDP und BSW nicht.

Merz will neue Regierung bis Ostern

Merz strebt nun nach eigenen Worten eine rasche Übernahme des Amts des deutschen Bundeskanzlers an: "Ich habe den Wunsch, dass wir spätestens Ostern mit einer Regierungsbildung fertig sind." Er wolle dabei mit allen "Parteien der demokratischen Mitte" sprechen. Führende SPD-Vertreter zeigten sich offen für Koalitionsgespräche mit der Union. Die Union und die Sozialdemokraten hätten im neuen Bundestag genug Mandate, um eine schwarz-rote Koalition zu bilden, sagte Merz am Montag. "Genau das ist das, was wir auch wollen", fuhr Merz fort. Er werde noch am Montag mit SPD-Chef Lars Klingbeil und dem aktuellen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Gespräche dazu führen.

Stimmenanteile in Prozent, vorlŠufiges Ergebnis, Quelle: Die Bundeswahlleiterin — Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie§lich Kunden mit einer gŸltigen Vereinbarung fŸr Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. FŸr weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 0274-25, 88 x 79 mm
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Merz bekräftigte, dass er aus dem Wahlergebnis von 28,5 Prozent für die Union einen klaren Regierungsauftrag ableitet. Ziel sei es nun, eine "vernünftige Übergangsphase" vorzubereiten. In den Gesprächen mit der SPD wolle er vorrangig drei Themenbereiche besprechen: Außenpolitik, Migration sowie Wirtschaft und Industrie. Merz machte aber deutlich, dass er auch das unter der "Ampel"-Koalition geänderte Wahlrecht wieder ändern wolle, weil es "einseitig gegen die Union" gerichtet sei. 15 Wahlkreisgewinner der CDU und drei der CSU schafften wegen des neuen Wahlrechts den Einzug in den Bundestag nicht. "Ein solches Wahlrecht beschädigt unsere Demokratie."

Merz äußerte sich zuversichtlich, dass eine Einigung mit der SPD gelingen werde. "Ich weiß, dass das an der einen oder anderen Stelle schwierig wird, aber ich setze darauf, dass die SPD auch selbst erkennt, dass das jetzt dringend notwendig ist", sagte er. "Denn die SPD steht einer Existenzkrise sehr, sehr nahe, und ich habe, das will ich ja auch mal ausdrücklich sagen, als Demokrat in Deutschland kein Interesse daran, dass die SPD zerstört wird", betonte der bisherige Oppositionsführer. Er wolle, dass eine starke sozialdemokratische Partei in Deutschland "von links zur Mitte" integrieren könne so wie die Union auch "von rechts zur Mitte" hin integriere.

Klingbeil sieht keine schnelle Regierungsbildung seiner Partei mit der Union und Merz. Deutschland müsse zwar schnell handlungs- und entscheidungsfähig sein, sagte der SPD-Co-Chef am Montag nach Gremiensitzungen der Sozialdemokraten in Berlin. Ob aber die SPD einer unionsgeführten Regierung beitreten werde, "das steht nicht fest". Es könne Wochen oder Monate dauern, bis der Prozess einer Regierungsbildung abgeschlossen sei.

Zunächst müsse sondiert werden, danach verhandelt, und schließlich müssten die SPD-Mitglieder einem Koalitionsvertrag zustimmen, sagte Klingbeil. "All diese Schritte liegen vor uns." Zudem habe Unions-Kanzlerkandidat Merz mit Äußerungen in den vergangenen Tagen die Gräben zwischen CDU/CSU und SPD eher tiefer gemacht. Klingbeil betonte: "Das werden harte Jahre für uns, das wird ein harter Kampf." Zugleich bekräftigte er, dass er am Mittwoch in der neuen SPD-Bundestagsfraktion für den Vorsitz kandidieren werde. Als Co-Parteichef der SPD will er im Amt bleiben. Auch die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken schloss persönliche Konsequenzen aus dem Wahlergebnis der Sozialdemokraten vom Sonntag aus.

Scholz will Konsequenzen ziehen

Scholz deutete am Wahlabend persönliche Konsequenzen an. Bei möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU/CSU werde er "nicht der Verhandlungsführer der SPD" sein. Nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten will Scholz seine Arbeit als Regierungschef bis zum letzten Tag "ordentlich zu Ende" führen. Das sei ihm ganz wichtig, sagte Scholz am Montag in Berlin nach Beratungen der Parteigremien. Es sei eine große Ehre, der neunte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein, der vierte Sozialdemokrat, der in der Geschichte der Bundesrepublik dieses wichtige Amt ausfüllen dürfe.

Scholz sprach von einem bitteren Wahlergebnis der SPD, für das er Verantwortung trage. Die SPD werde dringend gebraucht, als Kämpferin für Demokratie und Recht, aber als auch eine Stimme für diejenigen, die auf Gerechtigkeit und ein gutes Miteinander angewiesen seien. Scholz sagte, er werde in diesem Jahr 50 Jahre Mitglied der Sozialdemokratischen Partei sein. "Das ist für mich ein besonderes Ereignis."

Söder sieht gemeinsame Verantwortung

CSU-Chef Markus Söder sieht Christdemokraten und Sozialdemokraten in einer gemeinsamen Verantwortung, in einer künftigen Regierungskoalition ein weiteres Erstarken extremer Kräfte zu verhindern. "Dies ist tatsächlich die letzte Patrone der Demokratie", sagte Söder am Montag nach einer CSU-Vorstandssitzung in München. Wenn es nicht gelinge, einen Richtungswechsel zu organisieren, dann werde Deutschland weiter nach rechts außen schlingern, warnte er.

Söder mahnte, es brauche nun eine Koalition der Vernunft und der Bodenständigkeit. Es brauche vor allem einen grundlegenden Richtungswechsel im Land. "Ich glaube, dass mit der SPD ein solcher Richtungswechsel organisierbar ist." Als zentrales Thema nannte Söder die Begrenzung der Migration. Das sei ein gemeinsamer Auftrag. "Ich glaube, dass das möglich ist."

Die CSU erreichte am Sonntag in Bayern 37,2 Prozent - ein deutliches Plus im Vergleich zur Wahl 2021, aber dennoch das drittschlechteste CSU-Bundestagswahlergebnis der Geschichte. Drei siegreiche CSU-Direktkandidaten haben zwar ihre Wahlkreise gewonnen, bekommen aber wegen des neuen Wahlrechts trotzdem kein Bundestagsmandat.

Lindner kündigt Abschied an

Der langjährige FDP-Chef Christian Lindner kündigte bereits am Wahlabend seinen Abschied aus der Politik an, nachdem seine FDP den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste - nach 2013 zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. "Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus", schrieb er im Onlinedienst X.

AfD-Chefin Alice Weidel wertete die massiven Zugewinne ihrer Partei als "historisches Ergebnis". Damit habe sich die AfD "als Volkspartei nun fest verankert". Weidel zeigte sich zu einer Regierungsbeteiligung bereit: "Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein", sagte sie. Weil alle anderen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, wird die in Teilen rechtsextremistische Partei weiter in der Opposition bleiben.

Bei der Abstimmung über den 21. Deutschen Bundestag kam es zu massiven Verschiebungen in der Wählergunst. Größte Gewinnerin ist mit einem Zuwachs von 10,4 Prozentpunkten die AfD. Größte Verliererinnen sind mit einem Minus von über 9,2 Punkten die SPD und die FDP mit einem Minus von 7,1 Punkten.

Sitzverteilung Bundestag Deutschland, vorlŠufiges Ergebnis, Quelle: Die Bundeswahlleiterin — Die Auslieferung der APA-Grafiken als Embed-Code ist ausschlie§lich Kunden mit einer gŸltigen Vereinbarung fŸr Grafik-Pauschalierung vorbehalten. Dabei inkludiert sind automatisierte Schrift- und Farbanpassungen an die jeweilige CI. FŸr weitere Informationen wenden Sie sich bitte an unser Grafik-Team unter grafik@apa.at. GRAFIK 0275-25, 88 x 70 mm
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Deutschland-Wahl: BSW verfehlt Einzug knapp und könnte Wahlergebnis anfechten

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge wurde die Union mit 28,5 Prozent stärkste Kraft. Es folgen die AfD mit 20,8 Prozent, die SPD mit 16,4 Prozent, die bisher mit der SPD regierenden Grünen mit 11,6 Prozent und die Linke mit 8,8 Prozent. Die FDP blieb mit 4,3 Prozent klar unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Das BSW will das Ergebnis der Bundestagswahl nun juristisch überprüfen lassen und es gegebenenfalls vor Gericht anfechten. Nur ein Bruchteil der Auslandsdeutschen habe an der Abstimmung teilnehmen können, erklärte Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. Es stelle sich die Frage der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses. Das BSW war mit 4,972 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Laut Wagenknecht fehlten ihrer Partei rund 13.400 Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.

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"Ich wollte mehr, wir wollten mehr", sagte Habeck nach Deutschland-Wahl

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck bezeichnete das Ergebnis für seine Partei als "durchwachsen". "Ich wollte mehr, wir wollten mehr", sagte Habeck. Insbesondere der Linken sei es besser gelungen, bei "jungen, progressiven Leuten" zu punkten.

SPD-Chef Klingbeil stellte angesichts des schlechten Ergebnisses seiner Partei eine personelle Neuaufstellung in Aussicht. Er sprach von einer "Zäsur" und der Notwendigkeit eines "Generationenwechsels". Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der als Anwärter auf hohe SPD-Ämter gilt, sprach von einem "niederschmetternden, katastrophalen Ergebnis".

SPD-Co-Parteichefin Esken rief die Union auf, mit Kompromissbereitschaft auf ihre Partei zuzugehen: "Wenn das möglich ist, werden wir uns dieser Verantwortung nicht entziehen", sagte sie im ZDF.

Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek äußerte sich "unfassbar dankbar" über das Erstarken ihrer Partei, die unter den Erstwählern zur stärksten Kraft geworden war. Sie kündigte an, die Linke werde sich nun im Bundestag für politische Veränderungen einsetzen, "ob wir in der Opposition oder in der Regierung sind, ist egal".

"Wir werden sicherlich intensive Verhandlungen haben, und danach werden wir sehen, ob es ausreichend Schnittmengen gibt", sagte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch dem Sender Phoenix am Montag mit Blick auf Gespräche mit der Union. Mehrere CDU-Politiker erwarten aber, dass die SPD auf jeden Fall in eine Regierung mit der Union eintreten wird. "Die SPD ist eine alte Partei, die in der Vergangenheit große Verantwortung für unser Land übernommen hat", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, vor der Sitzung des CDU-Präsidiums. "Es geht jetzt darum, Verantwortung für unser Land zu übernehmen."

Wahlbeteiligung stieg stark an

Dem neuen verkleinerten Deutschen Bundestag werden 630 Abgeordnete angehören. Auf CDU/CSU entfallen laut vorläufigem Endergebnis 208 Sitze. Gemeinsam mit der SPD (120 Sitze) käme sie im Bundestag auf eine Mehrheit.

Die AfD erhält 152 Sitze, die Grünen 85 Sitze und die Linke 64 Sitze. Hinzu kommt ein Sitz für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist.

Die Wahlbeteiligung stieg stark an und erreichte 82,5 Prozent. Dies ist der höchste Wert seit der Wahl von 1987. Bei der letzten Bundestagswahl lag die Wahlbeteiligung bei 76,4 Prozent.

Der neue Bundestag dürfte nach Angaben der Parlamentsverwaltung voraussichtlich am 24. oder 25. März erstmals zusammenkommen. Traditionell werde die vom Grundgesetz für die Konstituierung vorgesehene Frist von maximal 30 Tagen nach der Wahl weitgehend ausgeschöpft, teilte die Pressestelle des Bundestags am Montag mit. Scholz bleibt nach den Vorgaben des Grundgesetzes bis zum Zusammentritt des neuen Bundestags regulär im Amt. Anschließend muss er auf Ersuchen des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier die Geschäfte so lange weiterführen, bis der neue Bundestag einen Kanzler gewählt hat. So schreibt es Artikel 69 des Grundgesetzes vor. Auch die Ministerinnen und Minister bleiben üblicherweise geschäftsführend im Amt.

Habeck: Strebe keine führende Rolle mehr an

Der deutsche Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will keine wichtige Funktion in seiner Partei mehr ausfüllen. "Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben", sagte er am Montag in Berlin. Seine Partei war bei der Bundestagswahl in Deutschland am Sonntag auf 11,6 Prozent abgesackt, nach 14,7 Prozent bei der vorhergehenden Bundestagswahl.

"Es war ein großartiger Wahlkampf", sagte Habeck. Aber auch: "Es ist kein gutes Ergebnis, ich wollte mehr, und wir wollten mehr." Im Wahlkampf habe sich enorm viel "verschoben", sagte Habeck. Es sei erschreckend, dass die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel im Wahlkampf über "Remigration" habe sprechen können, so als sei dies ein ganz normaler Begriff. Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Union "behandelt Menschen als Naturkatastrophen". All dies seien gefährliche Tendenzen.

Kampagne war auf Habeck zugeschnitten

Habeck war das Gesicht der deutschen Grünen im Wahlkampf, die Kampagne war ganz auf ihn zugeschnitten. Die Grünen hätten in der schwierigen "Ampel"-Koalition viel weniger stark verloren als die beiden Partner von SPD und FDP, heißt es in der Partei. Dennoch: Habeck war mit dem klaren Ziel Kanzleramt angetreten. "Mein Vorsatz für 2025: Kanzler werden, Mensch bleiben" stand auf einem seiner Wahlplakate. Nun hat er seine Partei nur auf Platz vier geführt. Den Grünen bleibt nur die Opposition. Die beiden Parteichefs Franziska Brannter und Felix Banaszak wollen weitermachen.

Habeck sieht die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grünen auch bei Unionsfraktionschef Friedrich Merz, wie er am Wahlabend deutlich gemacht hatte. Bis Mitte vergangenen Monats seien die Grünen in den Umfragen auf einem guten Weg gewesen. Doch dann habe die Union im Bundestag mit der AfD gestimmt. "Und danach haben sehr viele Leute gesagt: 'So nicht, nicht Friedrich Merz und nicht regieren mit der Union.'" Die Grünen hatten dies nicht ausgeschlossen, weil die Parteien der Mitte miteinander gesprächsfähig bleiben müssten. Seiner Ansicht nach hat ihnen das aber bei den Wählern geschadet.

(APA/Red)

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