Machtkampf mit der ÖVP: Kickl will die mächtigsten Ministerien für die FPÖ – das steckt dahinter

Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP stecken fest – und im Zentrum des Konflikts stehen die wichtigsten Ministerien der Republik: das Finanzministerium und das Innenministerium. Während die FPÖ unter Herbert Kickl darauf besteht, diese Ressorts zu besetzen, gibt sich die ÖVP überrascht und würde sich ein Angebot auf Augenhöhe erwarten. Doch warum sind gerade diese Ministerien so entscheidend?
Das Finanzministerium: Kontrolle über den Staatshaushalt
Das Finanzministerium gilt als das einflussreichste Ministerium in einer Regierung. Es bestimmt über Steuereinnahmen, Subventionen und Staatsausgaben – also darüber, wohin das Geld fließt. Ohne die Zustimmung des Finanzministers kann kein Ressort eigenständig agieren.
- Wer das Finanzministerium kontrolliert, entscheidet über Wirtschaftspolitik, Sozialleistungen und Förderungen.
- Der Finanzminister hat maßgeblichen Einfluss auf die Steuerpolitik und kann damit Unternehmen oder Bürger finanziell entlasten oder stärker belasten.
- In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist das Finanzministerium für den Haushaltskurs verantwortlich – etwa für Sparmaßnahmen oder neue Schuldenaufnahmen.
Herbert Kickl begründet den FPÖ-Anspruch auf dieses Ministerium mit der Notwendigkeit eines „Kurswechsels“. Die bisherige Budgetpolitik habe das Land mit Milliardenschulden belastet, weshalb die FPÖ eine strengere Finanzdisziplin anstrebt. Steuergelder sollen „im Sinne der Österreicher“ verwendet werden.
Das Innenministerium: Macht über Polizei und Sicherheitspolitik
Das Innenministerium ist das Zentrum der Sicherheits- und Migrationspolitik. Es kontrolliert Polizei, Verfassungsschutz und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA). In Zeiten zunehmender Migrationsbewegungen und sicherheitspolitischer Herausforderungen ist dieses Ministerium besonders brisant.
- Der Innenminister legt die Migrationspolitik fest und bestimmt, wie streng Asylverfahren geführt werden.
- Das Ministerium verwaltet den Polizeiapparat, der für innere Sicherheit und Terrorbekämpfung verantwortlich ist.
- Auch die Organisation von Wahlen fällt in seinen Zuständigkeitsbereich – inklusive der Kontrolle über das Wählerregister.
Für die FPÖ ist das Innenministerium essenziell, um eine „ehrliche Migrations- und Sicherheitspolitik“ umzusetzen. Sie fordert eine härtere Gangart in der Asylpolitik und will Migration stärker begrenzen. Die ÖVP hingegen sieht in der Übertragung dieses Ministeriums an die FPÖ eine Gefährdung ihrer eigenen politischen Kontrolle über die Sicherheitsbehörden.
Analyse von Politologe Peter Filzmaier: "Verhandlungstechnisch seltsam"
Das Bundeskanzleramt: Das politische Machtzentrum
Neben dem Finanz- und Innenministerium erhebt die FPÖ als Wahlsieger auch Anspruch auf das Bundeskanzleramt, das unter einer FPÖ-geführten Regierung zusätzliche Bedeutung hätte.
Warum ist das Kanzleramt strategisch wichtig?
- Das Kanzleramt umfasst nicht nur die politische Führungumfasst sondern auch so zentrale Bereiche wie Verfassungsfragen, Medienpolitik und EU-Agenden.
- Die FPÖ will insbesondere die Medien- und Kulturpolitik reformieren und fordert die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe.
Stillstand in den Verhandlungen – und eine mögliche Eskalation
Während sich beide Seiten öffentlich gegenseitig ihre Standpunkte ausrichten, bleibt unklar,ob und wie die Verhandlungen weitergehen oder abgebrochen wird .
- Kickl bekräftigte am Mittwoch via Facebook seine Forderungen und sieht in den Ministerien keine Machtfrage, sondern einen notwendigen Wandel in der Politik.
- Die ÖVP zeigte sich überrascht über die Härte der FPÖ-Forderungen und sprach von einer „schwierigen Phase“ der Verhandlungen.
Ein entscheidender Moment könnte das Treffen von Herbert Kickl mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstag sein. Während ÖVP-Chef Christian Stocker bereits am Mittwoch in der Hofburg erwartet wurde – was jedoch nicht offiziell bestätigt wurde – dürfte Kickl dem Präsidenten Bericht über den Stand der Verhandlungen erstatten.
Sollte sich keine Einigung abzeichnen, könnte Van der Bellen indirekt auf eine Neuwahl drängen. Doch noch betont die ÖVP, dass man weiterhin „Koalitionsverhandlungen auf Augenhöhe“ führe.
Weitere Streitpunkte in den Verhandlungen
Neben der Postenvergabe gibt es zahlreiche offene Themen, die die Verhandlungen zusätzlich erschweren:
- Die FPÖ fordert eine Bankenabgabe und will, dass die Wirtschaftskammern einen Beitrag zur Budgetsanierung leisten – beides lehnt die ÖVP ab.
- Der Antisemitismus-Bekämpfung kommt besondere Bedeutung zu, wobei Ex-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) auf ein Holocaust-Zentrum in Wien pocht.
- Das von der ÖVP im Wahlkampf angekündigte Nationalstadion dürfte endgültig vom Tisch sein – das Bauprojekt gilt als zu teuer.
- Die FPÖ fordert ein Veto gegen das Raketenabwehrsystem Sky Shield, das die ÖVP unterstützen will.
Wer setzt sich durch?
Die aktuellen Verhandlungen zeigen, wie viel auf dem Spiel steht: Sollte die FPÖ Finanz- und Innenministerium bekommen, hätte sie Kontrolle über zwei der mächtigsten Ressorts der Republik. Die ÖVP hingegen würde damit zentrale Hebel aus der Hand geben und riskiert, in einer Koalition mit der FPÖ nur noch Juniorpartner zu sein.
(VOL.AT)