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Glühweintassen als Souvenir: Diebstahl oder harmloses Vergnügen?

Die Glühweintassen sind ein beliebtes Mitbringsel vom Weihnachtsmarkt. Schließlich hat man ja reichlich Pfand dafür gezahlt. Doch dieser ist eigentlich als Motivation dafür gedacht, dass die Tassen wieder retour gebracht werden. Müssen Weihnachtsmarktbesucher für die eingesteckte Tasse rechtliche Folgen fürchten?

Gebrannte Mandeln, überall festliche Lichter und Weihnachtsmusik - an dieses besinnliche Erlebnis am Weihnachtsmarkt wollen viele eine Erinnerung mit nach Hause nehmen. Nach dem einen oder anderen Glühwein sind die Hemmungen dann auch nicht mehr so groß: Schnell ist die kitschige mit Sternchen bemalte Glühweintasse in der Handtasche verschwunden. Schließlich hat man ja dafür nicht wenig Pfand bezahlt.

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Weihnachtsmarkt Bregenz
Bei der Weihnachtsmarkteröffnung in Bregenz kam der Glühwein und der Punsch bereits gut an.

Dann kommt oft eine Frage auf: Wird dies tatsächlich als Diebstahl gewertet und muss ich Angst vor rechtlichen Folgen haben? Wie gehen die Glühweinstandbetreiber mit dem Tassenschwund um? VOL.AT hat bei Vorarlberger Weihnachtsmärkten und bei einer Rechtsanwältin nachgefragt.

VOL.AT-Reporterinnen Laura und Lisa auf Recherche am Dornbirner Weihnachtsmarkt. ©Schwräzler/VOL.AT

Beliebtes Mitbringsel von Busgruppen aus dem Ausland

Das Phänomen wird auf vielen Weihnachtsmärkten im Land durch die Bank beobachtet. Beim Bregenzer Weihnachtsmarkt etwa werden mehr Tassen mitgenommen als im Vergleich Biergläser bei anderen Veranstaltungen. "Es stellt ein wertvolles Mitnahmeobjekt dar, insbesondere durch das Branding und Design", so Tabea Peters vom Bregenzer Veranstaltungsmanagement. Der Schwund an Tassen liege in der Regel zwischen einem und drei Prozent pro Jahr, abhängig von der Qualität der Tassen und dem Umgang der Besucher und Gastronomen - denn die zerbrochenen Tassen zählen da auch dazu.

In Feldkirch beobachtet man Reisegruppen, welche die Tassen mitnehmen. ©STEURER/VN

Herbert Kaufmann vom Stadtmarketing Dornbirn kann die genaue Zahl der entwendeten Tassen aus dem selben Grund nicht benennen: „Wie viele mitgenommen werden, kann man nicht genau sagen, denn es gehen auch immer wieder einige zu Bruch oder werden aussortiert, wenn sie angeschlagen sind.“ Jährlich werden in Dornbirn einige Tausend neue Tassen nachbestellt und an die Gastronomen verkauft. „Das heißt nicht, dass wenn wir jetzt 5000 Tassen bestellen, auch 5000 Tassen als Mitbringsel nach Hause mitgenommen werden“, gibt er zu verstehen.

Ebenfalls vom Feldkircher Stadtmarketing wird dies bestätigt: "Ja, es ist richtig, dass die ein oder andere Weihnachtstasse gemeinsam mit den Gästen den Heimweg als Erinnerungsstück antritt." Beim Feldkircher Blosengel- und Weihnachtsmarkt kamen in den Vorjahren pro Jahr etwa 1500 bis 2000 Tassen weniger zurück - wie viele davon zu Bruch gegangen sind und wie viele eingesteckt wurden, ist nicht bekannt. "Was wir in Feldkirch beobachten sind insbesondere Busreisegruppen aus dem europäischen Ausland, die allesamt ihre Tassen als Erinnerung mit nach Hause nehmen", heißt es von Lukas Debortoli vom Feldkircher Stadtmarketing.

Anna Nguyen am "Lust Stand" Feature Glühwein Weihnachtsmarkt Bregenz. ©VN/Paulitsch

Beim Bludenzer Weihnachtsmarkt gibt es gleich zwei beliebte Souvenirs, die heimlich in den Taschen verschwinden. Die Holzsterne mit dem Bludenzer Logo, die die Christbäume in der Stadt schmücken, neben den Tassen ebenfalls beliebt. "Der Standortwechsel quasi unter der Adventzeit ist merkbar", so Natascha Arzberger vom Stadtmarketing.

Diebstahl: Ja oder Nein?

Während die Sterne tatsächlich einfach entwendet werden, zahlt man für die Tassen einen Pfand. Macht das einen Unterschied? Der Pfand dient eigentlich als Sicherheit für die Standbetreiber, sodass die Tassen ihren Weg wieder retour finden und nicht einfach irgendwo stehen gelassen werden. In der Regel wird jedoch auch in Vorarlberg der Pfand jeweils so hoch angesetzt, dass die Standbetreiber keinesfalls mit einem großen Verlust zu kämpfen haben, wenn die Tassen eingesteckt werden.

Etwa beträgt der Pfand am Dornbirner Weihnachtsmarkt ein Euro und die Kosten der Tasse belaufen sich auf 1,40 Euro. Für den Bregenzer Weihnachtsmarkt wurden folgende Aspekte für die Kalkulation des Zwei-Euro-Pfandes beachtet: "Die Höhe des Pfands wird auf Basis des Einkaufspreises, des Aufwands für die Handhabung und der Vergleichspreise in der Region sowie der Verkaufspreise für die Kunden und Kundinnen kalkuliert."

Rechtsanwältin Olivia Lerch kennt derartige Fälle nicht aus der Praxis, sieht rechtliche Konsequenzen jedoch als möglich an. ©VN/Steurer

Kein Vorsatz der Bereicherung

Doch was bedeutet das nun rechtlich, wenn die Tassen heimlich verschwinden? Rechtsanwältin Olivia Lerch geht aufgrund der Pfandhöhe auch nicht von einem Diebstahl aus: "Ob es als Diebstahl gilt, ist es davon abhängig, ob man sich bereichern wollte. Wenn die Tasse gleich viel kostet wie der Preis, dann fehlt er Vorsatz schon, sich bereichern zu wollen." So nehmen die Betreiber auch keinen Schaden. Strafbar wäre es hingegen, wenn der Warenwert höher als der Pfand wäre.

Die Bregenzer Glühweintassen. ©Roland Paulitsch/VN

So geht man auf Nummer sicher

Lerch rät generell aber davon ab, die Tasse einfach heimlich einzustecken. Stattdessen empfiehlt sie, direkt mit dem Standbetreiber oder der Standbetreiberin ins Gespräch zu gehen: "Es wäre am Besten, wenn man fragt, ob es in Ordnung ist, dass mann die Tasse mitnimmt. Dann ist man auf Nummer sicher." Sie geht jedoch davon aus, dass die Standbetreiber generell damit rechnen, dass die Tassen teilweise mitgenommen werden.

Werbung für den Weihnachtsmarkt

Die Standbetreiber rechnen nicht nur damit, sie scheinen das Mitnehmen der Tassen sogar zu befürworten - so lange nicht alle Tassen auf einmal verschwinden. In einem Punkt sind sich nämlich alle Weihnachtsmarktveranstalter einig: Das Mitnehmen der Tassen bedeutet Werbung für sie. Da die Veranstalter die Werbung als positiv ansehen, ist die Wahrscheinlichkeit einer strafrechtliche Verfolgung wohl eher gering. Dies bestätigt auch Deborotli vom Feldkircher Stadmarkting: "Im Tassenpfand von zwei Euro ist ein gewisser Schwund sowie Bruch entsprechend berücksichtigt und wir sehen die Mitnahme weniger als Diebstahl, vielmehr als Werbung für die Weihnachststadt Feldkirch."

Dass die Tassen gerne mitgenommen werden, sieht das Stadtmarketing Dornbirn ebenfalls als positiv an. „Wenn der Pfand bezahlt ist, ist es okay. Es ist für uns auch eine gute Werbung, wenn die Tasse nachhause getragen wird", heißt es etwa von Herbert Kaufmann vom Dornbirner Stadtmarketing. Wenn die Tasse Sammelcharakter annehme, sei das umso mehr positiv, meint Kaufmann. „Das sehen wir ganz unkompliziert. Wir haben schon einmal überlegt, ob wir sogar eine Sammeltassenserie machen.“ Wer beim „Tassenklau“ ein schlechtes Gewissen hat, kann direkt vor Ort am Christkindelmarkt eine Tasse von einem der Gastronomen kaufen.

Das Bludenzer Stadtmarketing freut sich, wenn die Tassen zu Hause weiter im Einsatz sind. ©Stadtmarketing Bludenz

Auch in Bregenz wird mit einem Tassenschwund gerechnet. "Die Mitnahme von Tassen ist grundsätzlich erwünscht und steht den Kunden frei. Es ist jedoch eine Herausforderung für jeden Veranstalter von Weihnachtsmärkten, die richtige Menge an Tassen zu kalkulieren, um die Gesamtabnahme zu berücksichtigen", sagt Tabea Peters über die mitgenommenen Tassen vom Bregenzer Weihnachtsmarkt.

Nicht nur Tassen, sondern auch die gebrandeten Sterne sind ein beliebtes heimliches Mitbringsel vom Bludenzer Weihnachtsmarkt. ©Stadtmarketing Bludenz

Natascha Arzberger vom Stadtmarketing Bludenz spricht den Gästen positiv zu: „Wer sich die Tasse mitnehmen will, ist herzlich eingeladen, das zu tun.“ Zwar werden die Christkindlemarkt-Andenken gern mitgenommen, doch ein Schaden, der extra mit einkalkuliert werden muss, entsteht dadurch nicht. „Summa summarum, wenn ich das gegenüberstelle mit dem Schwund aufgrund von Bruch, ist das nicht dramatisch", ergänzt sie. "Es freut uns natürlich immer wieder, wenn man Bludenz in den eigenen vier Wänden hat – das ist keine Frage.“ Gerade die Präsenz in der Küche und wenn die Tasse weiter benutzt werde, freut sie. "Da muss man überhaupt kein schlechtes Gewissen haben.“

In Bludenz verkauft man bewusst die Tassen nur am Weihnachtsmarkt, damit man diesen auch einen Besuch abstattet. Dass dort nicht nur die Tassen als Andenken an den Markt gelten, sondern auch die Sterne verschwinden, sieht Arzberger nicht als dramatisch an: „Wir gehen normalerweise zweimal im Advent durch und dekorieren unsere Christbäume in der Stadt noch einmal, damit immer genügend Sterne da sind. Das ist halt einfach das kleine Andenken, das passt. Das ist okay." Das Stadtmarketing Bludenz erfreut sich auch hier, wenn die Sterne in den Wohnungen auftauchen und dort den Baum schmücken.

(VOL.AT)

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