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Neue EU-Kommission: Brunner wird vom EU-Parlament gehört.
Neue EU-Kommission: Brunner wird vom EU-Parlament gehört. ©APA, Canva

Von Vorarlberg nach Brüssel: Brunner wird vom EU-Parlament gehört

Am heutigen Dienstag ist es an Österreichs designiertem EU-Kommissar Magnus Brunner (ÖVP), sich den Fragen der Europaabgeordneten zu stellen.

Ab 18:30 Uhr werden die Parlamentarier des Ausschuss für "bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres" in Brüssel prüfen, ob der Noch-Finanzminister geeignet ist für den Posten des EU-Kommissars für Migration und Inneres. Am Montag bestanden die ersten vier nominierten Kommissare die prüfenden Fragen ihrer jeweiligen Fachausschüsse.

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Die ersten vier Kandidaten bestanden Anhörungen

Der Slowake Maroš Šefčovič (Handel, ökonomische Sicherheit, Transparenz und interinstitutionelle Beziehungen), der Malteser Glenn Micallef (Sport, Jugend, intergenerationelle Fairness und Kultur), der Luxemburg Christoph Hansen (Landwirtschaft) und der Grieche Apostolos Tzitzikostas (Transport und Tourismus) kamen laut Medienberichten ohne Probleme durch. Die 26 Kommissionsanwärterinnen und -anwärter brauchen eine Zweidrittelmehrheit in ihren Ausschüssen. Spricht eine Zweidrittelmehrheit sich gegen sie aus, gelten sie als abgelehnt. Gibt es keine Zweidrittelmehrheit in keine der beiden Richtungen, können eine zusätzliche Fragerunde oder weitere schriftliche Fragen folgen.

Keine schlechten Karten für Brunner

Brunners Karten dürften nicht ganz schlecht sein, nachdem er in Brüssel nicht zu den Wackelkandidaten gezählt wird. Für eine Überraschung sorgte er aber bereits mit seiner schriftlichen Antwort auf einen Fragenkatalog der EU-Abgeordneten: Darin sprach er sich entgegen der Regierungslinie in Wien für eine vollständige Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum aus. Dies dürfte wohl auch bei der Anhörung Thema werden. Brunner kündigte auch an, rasch das vom EU-Gipfel geforderte und von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte neue EU-Gesetz für schnellere Abschiebungen vorlegen zu wollen.

"Er hat die Fähigkeit, Brücken zu bauen"

"Wir haben endlich den Asyl- und Migrationspakt. Wir bekämpfen die Schlepperkriminalität und schaffen die Eindämmung der illegalen Migration. Magnus Brunner wird maßgeblich zur Umsetzung des Asyl- und Migrationspakts beitragen. Bei Magnus Brunner handelt es sich um eine Persönlichkeit, die staatstragende Verantwortung kennt und lebt. Er hat die Fähigkeit, zu verbinden, Brücken zu bauen und so die nötigen Entscheidungen zu ermöglichen", so Brunners Parteikollege Lukas Mandl. Er hatte als ÖVP-Sprecher für Justiz und Inneres im Europaparlament in den vergangenen Jahren den Asyl- und Migrationspakt mitverhandelt.

"Migration ist eines der meist polarisierenden Themen der letzten Jahre. Wenn Brunner als Kommissar bestätigt wird, steht er vor der großen Aufgabe, die Zügel in dieser Debatte in der Hand zu behalten. Er wird unter Beweis stellen müssen, dass er den Migrationspakt bis 2026 umsetzen kann und gemeinsame, mehrheitsfähige Lösungen anbieten kann. Dazu braucht er allerdings auch den Rückhalt seiner Partei - wenn diese ihn nicht beim Thema Schengen den Rücken stärkt, muss er aufpassen, dass er sich beim Grillen nicht die Finger verbrennt", kommentiert Hannes Heide, SPÖ-Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten.

Magnus Brunner - Von Vorarlberg nach Brüssel

Magnus Brunners Sprung zum EU-Kommissar nach Brüssel passt ins Profil des 52-jährigen Vorarlbergers. Der Jurist gibt sich selten angriffig, gilt als umgänglich, eloquent und in seiner Sache firm. Der ÖVP-Politiker soll in der nächsten EU-Kommission eines der schwierigsten Dossiers übernehmen. Er war selbst überrascht, dass ihm der Bereich Migration übertragen wurde. Brunner war in Hinblick auf seine bisherigen Tätigkeiten zunächst von einem Wirtschaftsdossier ausgegangen.

Brunner setzte sich gegen Edtstadler durch

"Das wird nicht einfach, da man natürlich die Interessen von 27 Mitgliedstaaten unter einen Hut bringen muss", sagte er in Hinblick auf seinen neuen Aufgabenbereich. Brunner sieht sich selbst nicht als Technokrat, sondern als Polit-Profi und Pragmatiker, der Brücken bauen will auf europäischer Ebene. In Österreich setzte sich Brunner im Rennen um den Kommissarsposten gegen die scheidende EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) durch, die lange als aussichtsreiche Kandidatin für den Posten galt.

Einstieg in Vorarlberger Politik 1999

Brunner, Vater dreier Kinder, stieg schon 1999 - im Vorarlberger Landtagswahlkampf - in die Politik ein und kam nach verschiedenen Stationen 2020 in die Regierung - zunächst als Staatssekretär im Infrastrukturministerium, seit Dezember 2021 ist Brunner Finanzminister.

Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck und der Universität Wien (1990-1996) sowie einem Postgraduate Studium am King's College London (1997-1998) fungierte Brunner 1998 als Trainee der Österreichischen Industriellenvereinigung. Im Landtagswahlkampf 1999 schnupperte er als Geschäftsführer der Plattform "Vorarlberg für Landeshauptmann Herbert Sausgruber" erstmals Politikluft. Danach war er bis 2002 dessen Büroleiter. Im Anschluss fungierte Brunner bis 2005 als politischer Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbundes.

Ab 2009 im Bundesrat

Schon vor seinem Wechsel in die Bundesregierung war Brunner des Öfteren eine große Karriere vorausgesagt worden. Für so ziemlich jede Vorarlberger Personalie war Brunner schon genannt worden, bespielte die Politik aber vorerst nur nebenbei: Seit Mai 2009 vertrat er sein Land im Bundesrat, wo er bis zu seinem Wechsel ins Infrastrukturministerium auch blieb.

Bereichsleiter bei den Illwerken/VKW

Hauptberuflich verdingte sich der gebürtige Vorarlberger aus Höchst 2006 dann in der Energiebranche, wo er als Bereichsleiter für Unternehmensentwicklung, Kommunikation und strategische Entwicklung bei den Illwerken/VKW werkte. Von Jänner 2007 bis zu seiner Berufung ins Klimaministerium im Jänner 2020 fungierte er als Vorstand der OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom AG.

Vom Staatssekretär zum Finanzminister

In seinen rund zwei Jahren als Staatssekretär blieb Brunner in der Öffentlichkeit vorerst weitgehend unbekannt, was sich nach seinem Wechsel an die Spitze des Finanzressorts als Nachfolger von Gernot Blümel (ÖVP) naturgemäß änderte. Der ehemalige Präsident des Tennisverbands verfolgte dabei von Anbeginn das Ziel eines soliden Budgets, was durch die coronapandemiebedingten wirtschaftlichen Folgen sowie der Teuerung auch infolge des Ukraine-Kriegs nicht wie gewünscht umgesetzt werden konnte.

Zuletzt sah sich Brunner neuerlich mit einer ungünstigen Entwicklung des Budgets im ersten Jahresdrittel konfrontiert. Dass der Fiskalrat für 2024 ein Budget-Defizit von 3,4 Prozent des BIP prognostizierte (deutlich über der Maastricht-Grenze von drei Prozent), wollte Brunner "natürlich ernst" nehmen, wie er im Frühjahr erklärte - versichern, dass Österreich 2024 unter der Maastricht-Grenze bleiben werde, konnte er freilich nicht.

"Kalte Progression" 2023 abgeschafft

Ein Kernstück seiner Arbeit im Finanzministerium war die Beseitigung der sogenannten "Kalten Progression" (die schleichende Steuererhöhung). Abgeschafft wurde diese im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer im Jahr 2023. Seitdem werden die Steuerstufen jedes Jahr an die jeweilige Teuerung angepasst, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Zuge der jährlichen Lohnerhöhungen nicht mehr in höhere Steuerstufen rutschen. Über die Bühne gebracht hat der Finanzminister auch den Finanzausgleich - solide, wenn auch nicht auffallend innovativ.

Unfall mit Scooter und Führerschein abgenommen

Für Aufsehen abseits seiner politischen Tätigkeit sorgte Brunner in den letzten Jahren mit Verkehrszwischenfällen: Im Jänner 2023 hatte der Minister beim Fahren mit seinem E-Scooter einen - wie er selbst sagte - "recht schweren Unfall" und musste einige Tage im Krankenhaus verbringen. Bereits gut ein Jahr davor schleppte sich der sportbegeisterte Minister auf Krücken über das politische Parkett, da er sich bei einem Sturz auf einer Treppe den Knöchel verletzt hatte. Zu schnell unterwegs war der Ressortchef im heurigen Jänner: Wegen einer Geschwindigkeitsübertretung in Vorarlberg (auf der Fahrt zu einem privaten Termin) wurde ihm für vier Wochen der Führerschein abgenommen. Brunner hatte eine temporäre Tempo-Beschränkung übersehen.

Zwischenzeitlich wurde Brunner medial sogar als mögliche Personalreserve für die ÖVP-Spitze gehandelt. Nun wechselt der als freundlich und verbindlich geltende Cartellbruder (Mitglied der Austria Innsbruck, Couleurname: Hamlet) nach Brüssel.

Zur Person:

Magnus Brunner, geboren am 6. Mai 1972 in Höchst (Bezirk Bregenz), verheiratet, drei Kinder. Büroleiter von Landeshauptmann Herbert Sausgruber von 1999 bis 2002, Politischer Direktor beim Österreichischen Wirtschaftsbund (2002-2005). Bereichsleiter für Unternehmensentwicklung, Kommunikation und strategische Entwicklung bei Illwerke/VKW (2006), seit Jänner 2007 Vorstand OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom AG. Mitglied des Bundesrats ab 1. Mai 2009. Ab Jänner 2020 Staatssekretär im Infrastrukturministerium, seit 6. Dezember 2021 Finanzminister.

(APA)

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