Streckensperren nach Hochwasser: Entschädigungen für Pendler schwierig

Für Besitzer eines Klimatickets besonders bitter, da eine Entschädigung aufgrund der Streckensperre schwierig werden kann, so die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) auf APA-Anfrage. Für Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher wurde zumindest jetzt eine Sonderregelung getroffen.
Erste Betroffene, die regelmäßig mit der Bahn die Weststrecke nutzen, haben sich bereits bei der Schlichtungs- und Durchsetzungsstelle apf gemeldet. Das Klimaschutzministerium versicherte, dass die Verkehrsunternehmen derzeit alles dafür tun würden, um öffentliche Verkehrsanbindung insbesondere für Pendlerinnen und Pendler in der aktuellen Situation bestmöglich aufrechtzuerhalten. "So wird der Schienenfernverkehr über die alte Weststrecke geführt, ab 10. Oktober auch wieder zweigleisig und mit höherer Taktung. Zur Stabilisierung des Regionalverkehrs insbesondere im Raum Tullnerfeld wurden und werden weitere Schienenersatzverkehre eingerichtet", erklärte das Ministerium auf APA-Anfrage. Für jene, die allerdings als Pendlerin bzw. als Pendler täglich nur auf einer dieser Strecken unterwegs sind, ist dieses Argument jedoch nicht zufriedenstellend, wenn die Fahrt deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Lösung für Klimaticket-Besitzer aus NÖ gefunden
Im Laufe des Donnerstags hat das Klimaschutzministerium zumindest für Klimaticket-Besitzer aus Niederösterreich eine Lösung gefunden. Ihnen wird ein Sonderkündigungsrecht für das Klimaticket eingeräumt. Entgegen der allgemeinen Storno-Regelung, dass während der Gültigkeitsdauer ab dem siebenten Gültigkeitsmonat des Klimatickets Österreich ohne Angabe von Gründen eine Aufkündigung erfolgen kann, gelte dort nun eine Kulanzlösung. "Menschen aus Niederösterreich, die ein Klimaticket Österreich besitzen und dieses aufgrund der massiven Betroffenheit der Region von den Überflutungen nicht wie geplant nützen können, haben die Möglichkeit das Ticket unentgeltlich bis einschließlich 31. Oktober 2024 beim Schalter ohne Angabe von Gründen zu stornieren", versicherte das Ministerium.
Für alle anderen Pendlerinnen und Pendler aus den anderen Bundesländern - etwa Wienerinnen und Wiener, die täglich nach St. Pölten zur Arbeit fahren - gilt das nicht. Denen empfiehlt die apf zwei Möglichkeiten: eine nachträgliche anteilige Entschädigung wegen Nichtnutzung oder eine Kündigung. Da allerdings das Klimaticket eine Netzkarte ist, die grundsätzlich für das gesamte Verkehrsnetz gilt - also entweder in ganz Österreich oder im jeweiligen Verkehrsverbund -, könnte diese Tatsache eine nachträgliche anteilige Entschädigung erschweren. Denn wenn aufgrund von Hochwasserschäden einzelne Strecken über längere Zeit gesperrt oder nur eingeschränkt nutzbar sind, könnte das Argument kommen, dass die Netzkarte auf anderen Strecken im Gültigkeitsbereich weiterhin verwendet werden kann.
Derzeit werden Passagiere, die nicht in Niederösterreich wohnhaft sind, darauf hingewiesen, dass eine Kündigung des Klimatickets erst ab dem siebenten Monat möglich sei, wie ein Betroffener der APA berichtete. Während der Gültigkeitsdauer könne erst ab dem siebenten Gültigkeitsmonat ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, bestätigte auch die apf. Allerdings werde dann ein Kündigungsentgelt von einem Monatsbetrag verrechnet. Bei Vorliegen von bestimmten Gründen - etwa bei einem Umzug von Österreich in das Ausland - kann das Ticket während der gesamten Gültigkeitsdauer ohne Kündigungsentgelt gekündigt werden. Leider stehe tariflich die außerordentliche Kündigung bei einer Nichtnutzung wegen des Hochwassers nicht immer zu, erklärte die apf.
Ratschlag von apf
Deshalb rät die Organisation allen Betroffenen nachzuweisen, dass sie für ihre regelmäßigen Fahrten auf eine gesperrte Strecke angewiesen sind - etwa durch Angabe der Wohn- und Arbeitsadresse oder der bisherigen Nutzung des Klimatickets - und damit könnte unter Umständen eine anteilige Rückforderung beantragt werden. Die Entscheidung darüber liege aber letztlich bei den zuständigen Unternehmen - für das Klimaticket Österreich ist das One Mobility bzw. für das regionale Klimaticket der jeweilige Verkehrsverbund.
Die zweite Variante wäre die Kündigung des Klimatickets, solange die Nutzung kaum möglich ist und der Neuabschluss, sobald die beanspruchte Strecke wieder genutzt werden kann. Da betont die apf, dass hier auf eine Kulanzlösung der zuständigen Unternehmen gehofft werden muss.
Ratschlag an Pendler, die stark von den Streckensperren im Zuge des Hochwassers betroffen sind
Die Organisation rät den Pendlerinnen und Pendlern, die stark von den Streckensperren im Zuge des Hochwassers betroffen sind, sich zeitnah an das jeweilige Verkehrsunternehmen zu wenden und eine Kulanzregelung zu beantragen oder gegebenenfalls das Klimaticket für die Dauer der Streckensperre zu kündigen. Sollte keine Einigung erzielt werden, können sich betroffene Kundinnen und Kunden auch an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte wenden, die in solchen Fällen vermitteln kann.
Erst vor wenigen Tagen wurde aus dem Klimaschutzministerium verkündet, dass das Klimaticket Österreich erstmals die 300.000er-Marke geknackt hat.
Betroffene können sich an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) wenden unter der Telefonnummer +43 1 5050 707 710 von Montag bis Freitag, von 10.00 bis 12.00 Uhr, der Link für das Schlichtungsformular für Bahnfahrer ist hier abrufbar.
Unwetter: Pendelnde müssen auch bei Streckensperren zur Arbeit
Pendlerinnen und Pendler bleibt der Weg zur Arbeit nicht erspart, auch wenn sie dorthin aufgrund der Bahn-Streckensperren nach dem Hochwasser nun deutlich länger brauchen. "Man muss alles Zumutbare unternehmen, um die Arbeitsleitung zu erbringen", erklärte der Arbeitsrechtsexperte Martin Gruber-Risak von der Uni Wien am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal". Was im konkreten Fall als zumutbar gilt, hänge von verschiedene Faktoren ab, oft sei auch Homeoffice eine Option.
Eine Dienstverhinderung, die eine Entgeltfortzahlung begründet, bestehe grundsätzlich immer dann, "wenn die Arbeitsleistung unterbleibt, aus Gründen, die dem Dienstnehmer zuzurechnen sind, die er aber nicht verschuldet hat", sagte Gruber-Risak, der am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien tätig ist. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen dennoch alles Zumutbare unternehmen, um die Arbeitsleistung trotzdem zu erbringen. Im Fall einer Bahn-Streckensperre wäre das etwa der Umstieg auf das Auto oder eine andere Route mit öffentlichen Verkehrsmittel.
Wie viel zusätzliche Wegzeit zumutbar ist, hänge von verschiedenen Faktoren ab, es gebe jedenfalls keine klaren Grenzen. "Es ist immer die Frage, was war vorher schon der Arbeitsweg und was kommt hinzu", sagte Gruber-Risak. Als Faustregel verwies der Experte auf das Arbeitslosenversicherungsgesetz, dort gelte eine Pendelzeit für Hin- und Rückfahrt von zwei Stunden pro Tag bei Vollzeitbeschäftigung als "jedenfalls zumutbar".
Anspruch auf Homeoffice gibt es in Österreich nicht
Problematisch wird es, wenn Arbeitnehmerinnen gar keine Alternative zur gesperrten Bahn haben, etwa weil sie kein Auto besitzen. "Dann ist mir die Arbeitsleistung unmöglich, wenn ich keine Alternative habe, dann wird mir wohl die Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohen", so Gruber-Risak, schließlich sei es Arbeitgeberinnen auch nicht zumutbar, zu warten, bis die Bahnstrecke wieder befahrbar ist.
Einen Anspruch auf Homeoffice gibt es in Österreich nicht. Allerdings sei es in Branchen, in denen die Arbeitsleistung auch von zuhause aus erbracht werden kann, unter Umständen wohl denkbar, dass die Homeoffice-Möglichkeit auf absehbare Zeit gewährt werden muss, bevor es zur Kündigung kommt.
Wenn jüngere Kinder aufgrund von Streckensperren nicht in die Schule kommen, sei es für einen Elternteil grundsätzlich möglich, zuhause zu bleiben und sich auf die Betreuungspflichten zu berufen. Allerdings komme es auch hier auf das Alter des Kindes an, die Grenze werde typischerweise bei 12 Jahren gezogen. Außerdem sei auch wieder die Frage, ob andere Betreuungsmöglichkeiten zumutbar wären, etwa bei Verwandten.
Grundsätzlich sei wichtig, mit dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden. Sollte das nicht gelingen, können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die Arbeiterkammer (AK) wenden.
(APA/Red)