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Spionage-Verdacht: Festnahme von Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott

Egisto Ott wurde festgenommen.
Egisto Ott wurde festgenommen. ©APA/EVA MANHART (Symbolbild)
Am Freitag ist der frühere Verfassungsschützer Egisto Ott unter Spionage-Verdacht festgenommen worden.

Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, der APA, nachdem zuerst der "Falter" (Online) darüber berichtet hatte. Gegen Ott werde von der Wiener Anklagebehörde wegen Amtsmissbrauchs und geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs ermittelt, teilte Bussek mit. Wie der "Standard" berichtete, soll er auch Handyinhalte von Spitzenbeamten an russische Spione übergeben haben.

Nach jüngsten Informationen der APA wurde Ott in Kärnten festgenommen. Auch für seinen Ex-Schwiegersohn klickten die Handschellen, er wird der Beitragstäterschaft verdächtigt. An den Adressen der beiden fanden auch Hausdurchsuchungen statt. Beide Männer hätten keinen Widerstand geleistet, hieß es gegenüber der APA. Für beide gilt die Unschuldsvermutung. Der Anwalt Otts, der sämtliche gegen ihn gerichteten Vorwürfe stets zurückgewiesen hat, war am Freitag für die APA weder am Mobiltelefon noch in seiner Kanzlei erreichbar.

Egisto Ott wurde festgenommen

Ott war Mitarbeiter des mittlerweile aufgelösten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Zuletzt war er im Zusammenhang mit dem flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in die Schlagzeilen geraten, dem er beim Aufbau einer Spionage-Zelle für Russland innerhalb des BVT behilflich gewesen sein soll. Ott soll - gemeinsam mit einem zweiten Ex-BVT-Mitarbeiter - für Marsalek bzw. Russland Informationen beschafft haben, wobei er auf seine früheren Tätigkeiten als Verfassungsschützer und Polizeiattaché zurückgreifen konnte. Dem deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel" zufolge soll es sich um Informationen über in Europa lebende Journalisten und einen kasachischen Oppositionspolitiker gehandelt haben.

Der "Standard" berichtete am Freitag zudem, dass offenbar die gespiegelten Inhalte von Smartphones dreier (Ex-)Spitzenbeamter aus dem Innenministerium an russische Geheimdienste übermittelt wurden. Die Übergabe soll im Sommer 2022 durch Ott erfolgt sein. Die Informationen über die Weitergabe - mutmaßlich an den Inlandsgeheimdienst FSB - sollen schon vor einigen Wochen aus Großbritannien gekommen sein. Dort wird gegen Marsalek ermittelt, Chats wurden sichergestellt.

Bei den gestohlenen Smartphones handelt es sich um die Geräte von Michael Kloibmüller, der jahrelang Kabinettschef im Innenministerium war; von Michael Takacs, mittlerweile Bundespolizeidirektor; sowie von Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Den Betroffenen sei schon vor einigen Tagen mitgeteilt worden, dass "ihre Handys" beim russischen Geheimdienst lägen, heißt es aus deren Umfeld.

Die drei Handys waren 2017 Opfer eines Unfalls geworden: Bei einem Ausflug des Innenministeriums war ein Kanu gekentert, die Smartphones fielen ins Wasser. Daraufhin wurde ein IT-Techniker des Verfassungsschutzes gebeten, die Diensthandys zu reparieren. Der fertigte offenbar Kopien der Geräte an und gab sie an Ott und andere weiter. Chats aus dem Smartphone von Kloibmüller gelangten auch an die Staatsanwaltschaft und an Medien. Sie führten wegen des Verdachts der Postenkorruption zu Ermittlungen gegen Kloibmüller und Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka, wobei das Verfahren gegen Letzteren bereits eingestellt wurde.

Gegenüber dem "Spiegel" bestritt Ott die gegen ihn gerichteten Vorwürfe. Für die Staatsanwaltschaft Wien reichte die Beweislage dessen ungeachtet nun aber aus, um eine Festnahmeanordnung zu erlassen. Der frühere BVT-Mitarbeiter wird nun befragt, wie Behördensprecherin Bussek bestätigte. Ob ein Antrag auf Verhängung der U-Haft gestellt wird, ist offen. Dafür hat die Staatsanwaltschaft 48 Stunden - somit bis Ostersonntag - Zeit.

Für Ott gilt die Unschuldsvermutung

Ausländische Partnerdienste hatten das BVT, das im Dezember 2021 von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) abgelöst wurde, bereits im Jänner 2017 darauf aufmerksam gemacht, aus dem BVT würden vertrauliche Informationen, die ausländische Quellen den heimischen Staatsschützern zum Zweck der Gefahrenerforschung und -abwehr überlassen hatten, an unberechtigte Stellen - nämlich russische Geheimdienste - abfließen. In den Verdacht, der "Maulwurf" zu sein, geriet Egisto Ott deshalb, weil er als Verbindungsmann in der Türkei Kontakt zum russischen Nachrichtendienst aufgebaut haben soll. Er soll in weiterer Folge als geheim klassifizierte Informationen - etwa ein streng vertrauliches Memo des BVT und eine Anfrage des FBI - zunächst von seiner dienstlichen an seine private Mail-Adresse weitergeleitet und dann russischen Nachrichtendiensten bzw. unbefugten Personen übergeben haben. Für Ott gilt die Unschuldsvermutung.

Otts Vorgesetzter beim BVT war seinerzeit Martin Weiss, der sich mittlerweile in Dubai aufhält und der für die heimische Justiz vorerst nicht mehr greifbar ist. Obwohl er suspendiert wurde, soll Ott weiterhin für Weiss und Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek entgeltlich sensible Informationen beschafft haben, die - so die Verdachtslage - zumindest in großen Teilen für Russland bestimmt waren.

Der ehemalige BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss hätte sich im vergangenen April gemeinsam mit vier früheren Kollegen vom Verfassungsschutz wegen Amtsmissbrauchs am Wiener Landesgericht verantworten müssen, weil das BVT im Rahmen der so genannten Operation "White Milk" dafür gesorgt haben soll, dass ein mutmaßlicher syrischer Folter-General Asyl in Österreich bekam. Weiss entzog sich allerdings dem Verfahren, indem er vorgab, erkrankt und nicht verhandlungsfähig zu sein. Sein Verfahren wurde zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ausgeschieden, die Verhandlung mit den restlichen Angeklagten, die am Ende rechtskräftig freigesprochen wurden, fortgeführt.

Weiss stellte sich nie seinem Verfahren

Weiss stellte sich allerdings nie seinem Verfahren. Obwohl die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seinen Gesundheitszustand von medizinischen Sachverständigen auf die vorgebliche Transport- und Verhandlungsunfähigkeit überprüfen lassen wollte, reagierte er nicht mehr auf Bemühungen der Justiz, weitere Informationen zu seinem Befinden zu bekommen. Mittlerweile ist das gegen ihn gerichtete Amtsmissbrauch-Verfahren zur Operation "White Milk" de facto vom Tisch. "Das Verfahren wurde abgebrochen", teilte die Sprecherin des Wiener Landesgerichts, Christina Salzborn, auf Freitagmittag APA-Anfrage mit. Die Frage, ob sich Weiss weiterhin in Dubai aufhalte, konnte Salzborn nicht beantworten.

Nach Informationen der APA ist Weiss von den Behörden mittlerweile zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden. Für die Justiz war er zuletzt deshalb nicht fassbar, weil es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) kein Auslieferungsübereinkommen gibt und er daher in Dubai vor den österreichischen Strafverfolgungsbehörden sicher war. Zumindest zwischenzeitlich soll gegen Weiss sogar eine Festnahmeanordung der WKStA im Raum gestanden sein, nachdem das Vollmachtsverhältnis zu seinem Rechtsvertreter in der "White Milk"-Causa aufgelöst worden war. Die WKStA hatte in dieser Sache gegen die Freisprüche für die anderen vier Ex-BVT-Mitarbeiter Rechtsmittel angemeldet, diese aber Ende Februar überraschenderweise zurückgezogen, nachdem die Erstrichterin eine umfangreiche Urteilsausfertigung fertiggestellt hatte.

Spionage-Verdacht: Grüne schalten Nationalen Sicherheitsrat ein

Die Festnahme des frühere Verfassungsschützer Egisto Ott unter Spionageverdacht schlägt auch innenpolitische Wellen. Die Grünenschalten nun den NationalenSicherheitsratein, teilten sie am Freitag mit. Die NEOS verlangten eine weitere Sitzung des Geheimdienstausschusses im Parlament, die sich nur dem Thema "Russland-Spionage und politischer Einflussnahme" widmen solle.

Aufgrund der aktuellen Ereignisse rund um die Causa Marsalek und der aufgedeckten Weitergabe von Smartphones von drei ehemaligen Spitzenbeamten aus dem Innenministerium an russische Geheimdienste, solle der Nationale Sicherheitsrat einberufen werden, verlangten die Grünen. Veranlassen muss das der Bundeskanzler, es reicht dafür das Verlangen einer Parlamentsfraktion.

"Die stückweise Aufdeckung der Netzwerke Russlands nach Österreich, zeigt ein erschreckendes Bild", erklärte Grünen-Mandatar David Stögmüller dazu. Auch die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses zum "rot-blauen Machtmissbrauch" zeigten deutlich, wie politische Parteien offenbar der verlängerte Arm des Kreml seien und für Russland arbeiteten. Konkreter wurde Klubobfrau Sigrid Maurer: "Die Strache- und Kickl-FPÖ arbeitet seit Jahren nicht für Österreich, sondern in Wahrheit für Russland und seinen skrupellosen Diktator. Das ist eine gefährliche Bedrohung für unser Land,"

Auch NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper pochte auf Aufklärung: "Es ist höchst an der Zeit, dass ÖVP und Grüne entschiedener gegen Spionage auf österreichischem Boden vorgehen. Spione haben die Wahrnehmung, dass sie in Österreich unbehelligt tätig sein können. Damit muss endlich Schluss sein."

(APA/Red)

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