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VfGH-Entscheidung zur Handysicherstellung

Eine Handysicherstellung ohne Richter-Bewilligung ist verfassungswidrig.
Eine Handysicherstellung ohne Richter-Bewilligung ist verfassungswidrig. ©APA/HELMUT FOHRINGER (Symbolbild)
Laut des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ist es verfassungswidrig, Mobiltelefone ohne vorherige richterliche Genehmigung sicherzustellen. Das Gericht hat bis Ende 2024 eine Frist zur Reparatur der Regelung gesetzt, die Politik kündigte eine rasche Umsetzung an.

Ein kürzlich ergangenes Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) hat festgestellt, dass die Beschlagnahme von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern ohne vorherige richterliche Genehmigung gegen die Verfassung verstößt. Dieses Urteil kam als Reaktion auf den Antrag eines Unternehmers aus Kärnten, der wegen des Verdachts der Untreue untersucht wurde. Im vorliegenden Fall ist ein solcher Schritt auf jeden Fall erforderlich: Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich in seinem Urteil die gesamte Beschlagnahme aus Beweisgründen aufgehoben - unabhängig davon, ob es sich um Mobiltelefone oder beispielsweise eine Mordwaffe handelt. Bis zur Reparatur oder bis Ende 2024 können jedoch weiterhin Ermittlungen durchgeführt werden, und auch frühere Verfahren (mit Ausnahme des Antragstellers) sind nicht betroffen.

VfGH: Sicherstellung von Handys nicht mit anderen Gegenständen vergleichbar

Die aktuelle Regelung verstößt laut dem VfGH gegen das Recht auf Privatleben und das Datenschutzgesetz. Es ist zwar ein legitimes Ziel, Datenträger wie Smartphones, Laptops oder PCs zu sichern und auszuwerten, um Straftaten zu verfolgen. Die rasche Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien stellt jedoch eine besondere Herausforderung für die Kriminalitätsbekämpfung dar. Die angefochtenen Bestimmungen der Strafprozessordnung erfüllen jedoch nicht die Anforderungen des Datenschutzgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im Gegensatz zu anderen Gegenständen ermöglicht der Zugriff auf einen Datenträger nicht nur einen punktuellen Einblick in das Verhalten der Betroffenen, sondern gewährt auch umfassende Einblicke in wesentliche Aspekte ihres bisherigen und aktuellen Lebens.

Laut dem österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) führt die Maßnahme zu einem erheblichen Eingriff in den Datenschutz und das Privatleben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Sicherstellung von Daten bereits bei einem Anfangsverdacht auf eine leichte Straftat erfolgen kann. Es ist wichtig zu betonen, dass die Sicherstellung auch gegenüber einer Person durchgeführt werden kann, die nicht selbst verdächtigt wird. Darüber hinaus sind auch Personen betroffen, deren Daten auf dem sichergestellten Datenträger gespeichert sind.

Richterliche Prüfung für Sicherstellung von Handys nötig

Im Erkenntnis des VfGH wurden dem Gesetzgeber einige Leitplanken für eine zukünftige Neuregelung aufgezeigt: Neben der Notwendigkeit einer richterlichen Anordnung wurde festgelegt, dass der Richter, falls eine Bewilligung erfolgt, auch festlegen muss, welche Arten von Daten und Informationen aus welchem Zeitraum und zu welchen Zwecken der Ermittlung ausgewertet werden dürfen.

Des Weiteren müssen das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der betroffenen Personen gegeneinander abgewogen werden. Die genauen Anforderungen können je nach Schwere des Eingriffs variieren. Zum Beispiel kann es einen Unterschied machen, ob die Beschlagnahmung von Datenträgern bei allen Straftaten oder nur bei schweren Straftaten oder nur bei Cyberkriminalität vorgesehen ist. Es ist auch wichtig, ob der Gesetzgeber Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass die Auswertung der Daten nachvollziehbar, überprüfbar und angemessen erfolgt. Zudem muss sichergestellt werden, dass die betroffenen Personen trotz der Beschlagnahmung die Informationen erhalten, die für die Wahrung ihrer Verfahrensrechte erforderlich sind. Schließlich muss auch berücksichtigt werden, ob es eine unabhängige Aufsichtsbehörde gibt.

Politik Richterverinigung und Rechtsanwälte melden sich nach VfGH-Entscheidung zu Wort

Die geltende Regelung wird spätestens am 1. Januar 2025 aufgehoben - so entschied es der VfGH. Wenn das Gesetz jedoch vorher repariert wird, könnte dies auch zu einem früheren Zeitpunkt geschehen.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) kündigte jedenfalls eine "zeitnahe" Umsetzung an. Wichtig sei, dass eine neue Regelung die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wahre und staatsanwaltschaftliche und polizeiliche Ermittlungen nicht gefährde. Man habe daher schon im Vorfeld intensive Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden geführt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) drückte aufs Tempo: "Es ist unser gesetzlicher Auftrag dies umgehend zu korrigieren."

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim begrüßte in einer Aussendung die Entscheidung des VfGH, ihr NEOS-Pendant Johannes Margreiter verlangte eine Reparatur bereits im ersten Halbjahr 2024 und zwar .gemeinsam mit dem Verteidigerkostenersatz. FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst und FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan nannten die Entscheidung "absolut nachvollziehbar".

Der Präsident der Richtervereinigung, Gernot Kanduth, sprach gegenüber der APA von einer "aus grundrechtlicher Sicht sehr wichtigen Entscheidung". Handys hätten seit der Schaffung des entsprechenden Paragraphen eine deutliche Entwicklung durchgemacht. Dafür müsse man auch in Kauf nehmen, dass die vom VfGH gemachten Vorgaben für die Richterinnen und Richter mit Mehrarbeit verbunden sind.

In ihrer Einschätzung bestätigt fühlen sich die Rechtsanwälte. Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags, Armenak Utudjian, verwies gegenüber der APA auf einen im Vorjahr vorgestellten Reformvorschlag. "Ich halte es für bedauerlich, dass der Zeitraum seit der Präsentation unseres konkreten Reformvorschlags vor einem Jahr nicht genutzt wurde, um eine Neuregelung in die Wege zu leiten." Umso rascher müssten Regierung und Gesetzgeber jetzt aktiv werden.

(APA/Red)

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