Weihnachtszeit: Harmonie oder Konflikte? Tipps für ein entspanntes Fest

Weihnachten birgt für viele eine bedeutende emotionale Komponente. Dennoch kommt es in zahlreichen Familien während des Festes der Liebe zu intensiven Konflikten.
Nach einer manchmal längeren Trennung treffen die Mitglieder aufeinander, und spätestens nach dem zweiten Aperitif führt eine zynische Bemerkung des Großonkels über Minderheiten zu einer Diskussion über Grundsätze und Werte.

Alternativ kann es passieren, dass man plötzlich in persönlicheren Angelegenheiten der Anwesenden landet, wie etwa beruflichen Herausforderungen, Kindererziehung, Erfolglosigkeit, Partnerwahl oder Modestil. Trotz des starken Verlangens nach Besinnlichkeit und Frieden brechen hier oft alte, wiederkehrende Konflikte auf, die bisher eher unterdrückt wurden.
Vom Weihnachtscountdown zur emotionalen Achterbahn
Die Inszenierung der Weihnachtszeit ist von Anfang an auf eine Steigerung bis zum Höhepunkt ausgerichtet. Bereits zwei Monate im Voraus wird die Vorfreude geweckt. Überall, sei es in Geschäften oder Werbungen, schneit und glitzert es, alle verbreiten Freude und Harmonie. In Schulen und am Arbeitsplatz wird geschmückt und gewichtelt, was das Zeug hält. Dann beginnt der Countdown am Adventskalender, begleitet von umfangreichen Einkäufen und einem Großputz.

Doch dann: Alle Aktivitäten werden gestoppt. Die Kinder sind voller Vorfreude, die Eltern erschöpft, und man taumelt durch drei lange Tage, an denen es die Aufgabe ist, glücklich zu sein und sich gegenseitig zu lieben.
Normative Erwartungen: Wenn Weihnachten nicht heilig genug ist
Jeder hegt persönliche, oft idealisierte Kindheitserinnerungen an Weihnachten und bringt damit individuelle Wünsche und Vorstellungen in die festliche Zeit ein. An diese knüpfen wir unsere Erwartungen. In der Soziologie bezeichnet man solche als normative Erwartungen – den Anspruch, dass sich andere entsprechend unseren Vorstellungen verhalten sollen. Was bereits in einer Zweierbeziehung anspruchsvoll ist, wird natürlich umso schwieriger, wenn mehr Menschen beteiligt sind.

Kinder, Eltern, Großeltern – alle haben solche oft widersprüchlichen normativen Erwartungen ans Weihnachtsgeschehen. Es soll gleichzeitig spirituell und unterhaltsam sein, besinnlich und fröhlich, schnell vorangehen und dennoch dauern, mit oder ohne Weihnachtslieder, mit Klavier aber ohne Blockflöte, Wachskerzen am Baum und elektrischen Lichterketten, und so weiter.

Wenn unsere Erwartungen unerfüllt bleiben, erleben wir tiefgreifende Kränkung und Verwirrung. Die festlichen Ereignisse gestalten sich nicht so “heilig”, wie wir es uns vorgestellt haben. Anspruchsvolle Erwartungen berühren nicht nur während der Weihnachtszeit einen psychologischen Grundkonflikt: Wenn wir Erwartungen haben, ordnen wir dem anderen eine bestimmte Rolle zu. Allerdings kollidiert dieser Impuls zur Selbstbestimmung, da er angeboren ist und somit Widerstand aktiviert. Die andere Person fühlt sich in ihrer Freiheit eingeschränkt. Nun steht sie vor der Entscheidung: Verzichte ich auf meine Autonomie und spiele mit? Oder lehne ich das Erwartete ab und nehme den Konflikt in Kauf?
Tipps für ein entspanntes Weihnachtsfest
Um ein entspanntes Weihnachtsfest zu ermöglichen und das Wohlbefinden aller sicherzustellen, empfiehlt es sich im Vorfeld einige Angelegenheiten zu besprechen.

Vor dem Fest:
- Reflektieren Sie, welche Erwartungen und Bedürfnisse Sie für die Advents- und Weihnachtszeit haben. Welche Aspekte sind für Sie von Bedeutung? Was bereitet Ihnen Freude? Wie stellen Sie sich das idealerweise vor?
- Definieren Sie Ihre Wünsche und Erwartungen für den Ablauf des Weihnachtsfestes.
- Legen Sie fest, was Sie unter keinen Umständen (essen, singen, hören, tun…) möchten.
- Welche Konzepte schweben Ihnen für eine gelungene Feier vor?
- Teilen Sie frühzeitig und transparent mit allen Beteiligten Ihre Vorstellungen bezüglich Ablauf und Dauer.
- Führen Sie offene Gespräche über beiderseitige Erwartungen.
- Entwickeln Sie gemeinsam kreative Ideen.
- Überlegen Sie, welche Form dazu beiträgt, dass alle einigermaßen zufrieden sind.
- Berücksichtigen Sie im Voraus, wer anwesend sein wird. Klären Sie im Vorfeld, welche Themen vermieden werden sollen, und bedenken Sie, wie Sie reagieren können, wenn jemand kontroverse Aussagen macht. Zum Beispiel: “Über dieses Thema möchte ich an Weihnachten nicht diskutieren. Das können wir gerne zu einem anderen Zeitpunkt angehen.”
Während dem Fest:
- Achten Sie auf das Stressniveau der Anwesenden und erkennen Sie frühzeitig Anzeichen von Überlastung.
- Integrieren Sie Pausen und Rückzugsmöglichkeiten, ermöglichen Sie Kindern die Entladung von Spannungen (z.B., rausgehen, toben) und gestatten Sie Jugendlichen, sich zurückzuziehen.
- Beachten Sie auch Ihr eigenes Wohlbefinden und Ihre Anspannung. Nehmen Sie sich Pausen oder holen Sie sich Unterstützung, wenn nötig.
- Bewahren Sie Ruhe, wenn etwas nicht nach Plan läuft.
- Bleiben Sie gelassen, wenn Kinder gelegentlich Probleme bereiten.
- Vermeiden Sie konsequent Themen, die tendenziell zu Eskalationen führen.
- Flexibilisieren Sie den geplanten Ablauf bei Bedarf ohne Drama.
Nach dem Fest:
- Werfen Sie einen Blick auf das kommende Jahr.
- Halten Sie Ihre Erfahrungen und Bewertungen fest: Wie war es für mich? Wie haben es die anderen erlebt?
(VOL.AT)