Russland stoppt Getreideabkommen

Das Getreideabkommen werde nach seinem Auslaufen am heutigen Montag, 24.00 Uhr nicht verlängert, so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Russland macht Sanktionen für Ende von Getreideabkommen verantwortlich
Peskow begründete den Schritt damit, dass die Forderungen Russlands nach einer Lockerung der westlichen Wirtschaftssanktionen wegen des Ukraine-Krieges nicht erfüllt worden seien. Sobald alle russischen Forderungen für den Export seines eigenen Getreides erfüllt seien, kehre Moskau wieder zur Erfüllung der Vereinbarung zurück, betonte Peskow weiter. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums teilte mit, dass die Türkei und die Ukraine bereits über die Entscheidung informiert worden seien.

Peskow dementierte, dass die Attacke ukrainischer Überwasserdrohnen auf die Krim-Brücke vom Montag Grund für die Entscheidung gewesen sei. "Das sind zwei nicht miteinander verbundene Ereignisse. Sie wissen, dass noch vor dem Terroranschlag, die Position von Präsident Putin geäußert wurde", sagte er am Montag. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass die Grundlagen fehlten für eine Verlängerung der Vereinbarung. Damit kommt der Transport von Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, vor allem Mais und Weizen, über den Seeweg zum Erliegen, obwohl die Ausfuhren vor allem für ärmere Länder wichtig sind.
Aus für Getreideabkommen: Kritik aus Österreich
Österreich verurteilte die Entscheidung Russlands, das Getreideabkommen nicht zu verlängern. "Das bedeutet, dass Millionen von Tonnen von lebenswichtigem Getreide und Nahrungsmittel für Entwicklungsländer blockiert werden. Russland missbraucht damit zynisch Nahrung als Waffe und verschärft die durch den Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste weltweite Nahrungsmittelkrise zunehmend", hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums vom Montag.
Das Ministerium forderte Russland "dringend auf, diese Entscheidung zu überdenken und einer weiteren Fortsetzung des Getreideabkommens zuzustimmen". Weiters plädierte es für eine langfristige Lösung für die Implementierung des Getreideabkommens. "Wir unterstützen die Bemühungen seitens der Vereinten Nationen und der Türkei voll und ganz."
Ende von Getreideabkommen könnte globale Folgen haben
Deutschland rief Russland dazu auf, an dem Abkommen festzuhalten. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann appellierte am Montag in Berlin an den Kreml, "eine weitere Verlängerung des Getreideabkommens möglich zu machen und diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der Ärmsten dieses Planeten auszutragen". Darüber hinaus warb sie dafür, derartige Vereinbarungen künftig nicht mehr auf einen kurzen Zeitraum zu beschränken, sondern der Ukraine einen langfristigen Getreideexport zu ermöglichen.
Experten schlossen globale Auswirkungen nicht aus. Die Türkei kündigte Initiativen zur Wiederbelebung des Abkommens an. In Großbritannien warnte der leitende Ökonom von Equiti Capital, Stuart Cole, vor einer möglichen Verknappung des weltweiten Getreideangebots und steigenden Preisen. "Dies könnte den weltweiten Inflationsdruck wieder erhöhen und die Zentralbanken dazu veranlassen, ihre restriktive Haltung zu überdenken." Ähnliche Überlegungen stellte der Analyst Piotr Matys von In Touch Capital Markets in Polen an: "Die Inflation hat in ganz Europa ihren Höhepunkt erreicht, aber sie könnte sich nicht so schnell abschwächen wie erwartet, wenn die Lebensmittelpreise stark ansteigen."
Russland fordert Zugeständnisse bei Sanktionen für Verlängerung von Getreideabkommen
Kremlchef Putin hatte sich bis zuletzt gegen eine Verlängerung gesperrt. Aus seiner Sicht wurden Versprechen, die Russland im Zuge der Vereinbarung gemacht wurden, nicht erfüllt. Am Donnerstag hatte Putin von der Möglichkeit gesprochen, die Beteiligung Russlands an dem Abkommen so lange auszusetzen, bis die Zusagen erfüllt seien.
Die Regierung in Moskau beklagt seit langem, dass russische Getreide- und Düngemittelausfuhren behindert werden. Diese seien aber im Gegenzug für die ukrainischen Exporte zugesagt worden. Russland kritisiert vor allem, dass Bezahlungen für die eigenen Exporte wegen westlicher Sanktionen nicht abgewickelt werden können. Deswegen fordert die Moskauer Regierung die Wiederaufnahme der Russischen Landwirtschaftsbank in das internationale SWIFT-Zahlungssystem. Außerdem sollen finanzielle Aktivitäten russischer Düngemittelunternehmen erlaubt werden. Zudem sollen Ersatzteil-Lieferungen nach Russland wieder gestattet werden. Schließlich pocht Russland darauf, dass eine Pipeline für den Transport von Ammoniak wieder in Betrieb genommen und der Dünger über den ukrainischen Hafen Odessa exportiert wird.
Getreideabkommen garantierte Export von Getreide aus Ukraine
Russland hatte nach Beginn seines Angriffskriegs gegen die Ukraine auch die Seehäfen des Nachbarlands blockiert. Da die Ukraine ein wichtiger Agrarexporteur ist, wuchs weltweit die Sorge vor steigenden Lebensmittelpreisen und Hungerkrisen in den ärmsten Ländern. Die UNO hatte für eine Verlängerung des Abkommens unter anderem damit geworben, die Vereinbarungen hätten dazu beigetragen, dass weltweit die Lebensmittelpreise um ein Fünftel gesunken seien.
Im vergangenen Sommer wurde dann unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei das sogenannte Getreideabkommen ausgehandelt. Das ermöglichte der Ukraine eine Ausfuhr über das Schwarze Meer, allerdings nur in beschränktem Umfang. Vertreter der UNO, Russlands, der Ukraine und der Türkei kontrollierten die Schiffsladungen in Istanbul. Das Abkommen wurde mehrfach verlängert, zuletzt Mitte Mai um zwei Monate.
Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens. Vor Kriegsbeginn im Februar 2022 lieferten sie fast ein Viertel der Getreideexporte weltweit. Russland war außerdem der weltweit größte Exporteur von Düngemitteln.
Die Ukraine konnte trotz des Krieges auch dank des Getreidedeals mehr als 38 Millionen Tonnen Getreide exportieren und dabei Erlöse von umgerechnet über 8 Milliarden Euro erzielen. Die Einnahmen sind wichtig für den Staatshaushalt des Landes, das sich gegen den russischen Angriffskrieg zur Wehr setzt. Knapp 75 Prozent der Exporte gingen über die Häfen am Schwarzen Meer und der Donau ins Ausland. Gegenüber 2021 ging der Seeexport damit um etwa 23 Prozent zurück.
(APA/Red)