Angehörige von Kriegsgefangenen kritisieren Rotes Kreuz

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) unternehme nur unzureichende Schritte, um ukrainische Kriegsgefangene in Russland zu besuchen, so der Vorwurf der Angehörigen der Kriegsgefangenen. Informationen über den Gesundheitszustand und Schicksal ihres Partners bzw. Bruders flössen derart nur sehr spärlich, erzählten Tamara Prozenko und Jewhenija Synelnyk in einem von der ukrainischen OSZE-Mission organisierten Pressegespräch in Wien.
Rotes Kreuz besuchte Kriegsgefangene aus Asow-Stahlwerk nicht
"Ich war in den Büros des Roten Kreuz in Kiew und Genf. Aber sie sagen mir nichts über meinen Partner - sie haben ihn nicht im Gefängnis besucht und daher auch nicht gesehen", berichtete Tamara Prozenko, deren Partner Artem im Frühjahr 2022 mit dem der staatlichen Nationalgarde untergeordneten Truppenverband "Asow" das Asow-Stahlwerk in Mariupol verteidigt hatte und anschließend in russische Kriegsgefangenenschaft geraten war.
Nach einem Artilleriebeschuss des Gefangenenlagers Oleniwka, in dem sich zu diesem Zeitpunkt Artem befunden habe, sei ihr von der Telefonhotline des Roten Kreuz im Juli 2022 lediglich empfohlen worden, selbst dorthin zu fahren, erzählte die aus Bila Zerkwa außerhalb von Kiew stammende Studentin Prozenko. Begründet würde das jeweils damit, dass Russland dem Roten Kreuz keinen Zugang gewähre. "Alle versuchen, dass Rote Kreuz zu mehr Initiative zu bewegen und auch über Medien auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Aber es hilft nicht", schilderte sie.
Angehörige von Kriegsgefangenen beklagen Kriegsverbrechen
"2023 werden Kriegsgefangene trotz Genfer Konvention gefoltert, sie sterben in Gefangenschaft und wir können uns nur an internationale Organisationen wenden und sie ersuchen, ihnen (Vertretern Russlands, Anm.) zu sagen, das nicht zu tun", klagte die aus Kiew stammende Musikerin Synelnyk, deren Bruder Oleksandr ebenso in Mariupol in Kriegsgefangenschaft geraten war. Dabei habe das Rote Kreuz ein Mandat, sich um derartige Dinge zu kümmern. Mit Verweis auf ukrainische Soldaten, die nach ihrer Kriegsgefangenschaft abgemagert und in sehr schlechtem körperlichen Zustand in die Heimat zurückgekehrt waren, sagte sie, früher gedacht zu haben, dass derartige Bilder eigentlich nur in Museen deutscher Konzentrationslager des 2. Weltkriegs zu sehen wären. "Warum passiert so etwas wieder? Es ist verrückt", klagte sie.
FSB soll Kriegsgefangenen bei Verhören mit Tod drohen
Sowohl Artem als auch Oleksandr befinden sich nach Angaben der beiden Frauen in einem Gefängnis für Untersuchungshäftlinge im südrussischen Taganrog. "Die Haftbedingen dort sind schlimmer als in Oleniwka", erklärte Prozenko. Sie berichtete von Verhören durch den russischen Inlandsgeheimdienst FSB, in denen den Kriegsgefangenen mit langjährigen Haftstrafen und sogar der Todesstrafe gedrohte werde. Sporadische Informationen über ihren Partner gäbe es lediglich nach Gefangenenausstauschen, erzählte sie.
"Zwei am 31. Dezember 2022 ausgetauschte Soldaten erklärten, Artem gesehen zu haben. Laut ihnen wäre jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass er noch am Leben ist, halbe-halbe. Das ist nicht wirklich gut", erzählte sie. Schließlich hätten ihr am 6. Mai 2023 Ausgetauschte erzählt, von ihrem Partner gehört zu haben, gesehen hatte ihn aber niemand. "Leider kann ich dieser Information nicht ganz vertrauen. Manchmal hört man schlecht und viele hätten durch Folter auch mentale Probleme", berichtete Prozenko.
(APA/Red)