Teuerung und Kickl-Abwesenheit sorgten für hitzige Debatten im Nationalrat
Der Nationalrat hat sich am Mittwoch erneut mit dem Thema Teuerung befasst. In einer "Aktuellen Stunde" attackierte die FPÖ Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und warf ihm Untätigkeit vor. Einmal mehr forderten die Freiheitlichen auch einen Stopp der Russland-Sanktionen. Neben deren Nähe zu Putin monierten die übrigen Parteien das Fehlen von FPÖ-Chef Herbert Kickl, der die "aktuelle Stunde" verlangt hatte. Für die "Vereinigten Staaten von Europa" plädierten danach die NEOS.
Erneut hitzige Debatten im Nationalrat
Der Bundeskanzler sei nicht willens, das Thema Teuerung "zur Chefsache zu erklären", meinte FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch. Die Ursachen für die "enorme Inflation" sieht sie etwa bei den Corona-Lockdowns, in denen die "Wirtschaftsleistung kaputtgemacht" worden sei. Nicht Russland, sondern die österreichische Bevölkerung leide außerdem unter den Sanktionen, die wegen des Krieges in der Ukraine verhängt wurden. "Runter mit der Mehrwertsteuer", forderte die Abgeordnete etwa in Bezug auf Lebensmittel, auch brauche es einen Deckel auf Energiepreise. Die Menschen könnten sich trotz Vollzeitarbeit ihr Leben nicht mehr leisten.
Jene, die arbeiten, seien besser vor Armut geschützt als jene, die nicht arbeiten, erwiderte der Kanzler. Die Strompreise seien zurückgegangen, die neuen Preise würden aber nicht an die Kunden weitergegeben. Nehammer betonte die beschlossene Stromkostenbremse sowie die am Donnerstag auf der Tagesordnung des Nationalrats stehende Erhöhung der Übergewinnbesteuerung. Der Kampf gegen Inflation und Teuerung eigne sich nicht für Polemik, da einfache Lösungen nicht greifen würden, gab sich der Kanzler betont sachlich. An der Unterstützung für die Ukraine hält er fest - es gebe eine Invasion, einen Aggressor und ein Opfer, "an den Tatsachen soll man nicht rütteln". Die Gasspeicher seien zu 75 Prozent gefüllt, für den nächsten Winter werde vorgesorgt.
Kickl war bei aktueller Stunde nicht anwesend: Unverständnis
Dass Kickl bei der "Aktuellen Stunde mt dem Titel "Preisstopp - Steuerstopp - Sanktionsstopp! Wann setzt die Regierung endlich echte Maßnahmen gegen die Kostenlawine?" nicht anwesend war, stieß bei mehreren Sprechern auf Unverständnis. Nach deren Forderung nach einem Ende der Sanktionen erklärten die Abgeordneten Christian Stocker (ÖVP), Jörg Leichtfried (SPÖ) und Barbara Neßler (Grüne) die FPÖ zur "Putinversteherin". Sie habe kein Verständnis für die Verschleppung von Kindern, richtete Neßler an die Freiheitlichen.
NEOS-Mandatar Gerald Loacker kritisierte etwa, dass die Inflation durch wenig zielgerichtete Hilfen befeuert worden sei. Leichtfried wiederum stieß sich an der Erhöhung der CO2-Steuer in Zeiten der Teuerung sowie an der "Blockade" von Vorschlägen der Sozialdemokratie, u.a. zur Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel. Aufs Blockieren hat sich allerdings die SPÖ selbst verlegt. Sie stemmt sich gegen den Zwei-Drittel-Beschluss des Energieeffizienzgesetzes, weil sie durch die Verweigerung von Zustimmung zu Gesetzesvorschlägen der Regierung Anti-Teuerungsmaßnahmen erzwingen will. Das Gesetz, das zum Erreichen der Klimaziele beitragen soll, steht damit im Nationalrat vor dem Scheitern.
Teuerung sorgte für Diskussionen
In der Aktuellen Europastunde zum Thema Sicherheit der NEOS ("Auf in die Vereinigten Staaten von Europa") drängte Klubchefin Beate Meinl-Reisinger danach auf die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der EU bei außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Österreich müsse ein verlässlicher Partner beim Aufbau eines verteidigungsfähigen Europas werden. Bei der ÖVP stieß dies auf Ablehnung. Die Stärke Europas liege in der Vielfalt und nicht im "Einheitsbrei", meinte etwa Europaministerin Karoline Edtstadler. Für eine aktive Neutralitätspolitik plädierten SPÖ und Grüne, und Petra Steger (FPÖ) meinte, dass Österreich und die Neutralität vor den Zukunftsvisionen der NEOS geschützt werden müssten.
Debatte zu Bargeld-Volksbegehren
530.938 Menschen haben das Volksbegehren "Für uneingeschränkte Bargeldzahlung" unterschrieben, das ebenfalls behandelt wurde. Sie wollen das Bargeld vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der auf EU-Ebene diskutierten Bargeldobergrenzen in der Verfassung verankern. Es gebe nur Argumente, die für eine Absicherung und Beibehaltung sprechen, meinte Peter Haubner (ÖVP) - Bargeld sei sicher und schütze die Privatsphäre. Zustimmend äußerten sich auch SPÖ, FPÖ und NEOS, während die Grüne Abgeordnete Nina Tomaselli plädierte, eine Obergrenze nicht mit der Abschaffung des Bargelds zu verwechseln. Kriminelle würden Bargeld lieben, erinnerte sie an die Gefahr von Geldwäsche.
Kai Jan Krainer (SPÖ), der auch einen abgelehnten Entschließungsantrag u.a. zur wohnungsnahen Versorgung mit Bargeld einbrachte, kritisierte die ÖVP für eine "parteipolitisch zensurierte Umfrage" zum Thema. Darin seien bestimmte Fragen entfernt worden, weil die Ergebnisse der ÖVP nicht passen würden, so Krainer. In der unter dem damaligen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) veröffentlichten Umfrage sei etwa die Frage danach, ob Bargeldbegrenzungen richtig seien, wenn es um Geldwäsche geht, entfernt worden. 47 Prozent hätten mit ja, 41 mit nein geantwortet. Als Antwort auf eine Anfrage habe man von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) die gleiche unvollständige Umfrage erhalten.
(APA/Red)