AA

EU-Gipfelerklärung: Nehammer droht mit Blockade

Bundeskanzler Nehammer droht mit einer Blockade der EU-Gipfelerklärung.
Bundeskanzler Nehammer droht mit einer Blockade der EU-Gipfelerklärung. ©APA/ROLAND SCHLAGER (Symbolbild)
Falls keine konkreten Vereinbarungen zu Migrationsfragen erzielt werden, droht Bundeskanzler Karl Nehammer damit, die gemeinsame Abschlusserklärung der EU-Staats- und Regierungschefs zu blockieren.

"Leere Worthülsen werden nicht ausreichen", sagte Nehammer der "Welt" (Mittwochsausgabe). "Es braucht endlich ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes und zum Einsatz entsprechender finanzieller Mittel aus dem EU-Budget dafür", forderte Nehammer. Es müssten "konkrete Schritte" erfolgen. Sollte dies ausbleiben, dann werde Österreich die Abschlusserklärung des EU-Gipfels "nicht mittragen können", sagte der konservative Regierungschef.

Forderung nach mehr EU-finanzierte Maßnahmen zum Außengrenzschutz

Österreich und sieben weitere EU-Staaten hätten deshalb vor dem Sondergipfel zu Migration in einem gemeinsamen Brief mehr EU-finanzierte Maßnahmen zum Außengrenzschutz, raschere Abschiebungen sowie neue Rückführungsabkommen mit Drittstaaten gefordert.

Das Schreiben erging an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel. "Einige Mitgliedstaaten haben gleich viele oder mehr Ankünfte und Anträge als während der Migrationskrise in den Jahren 2015 und 2016", heißt es in dem Brief, den neben Nehammer auch die Regierungschefs und Premierministerinnen von Dänemark (Mette Frederiksen), Griechenland (Kyriakos Mitsotakis), Lettland (Krisjanis Karins), Slowakei (Eduard Heger), Malta (Robert Abela), Estland (Kaja Kallas) und der litauische Präsident Gitanas Nauseda unterzeichnet haben. "Nationale und lokale Behörden haben Mühe, den Zustrom zu bewältigen. Die Situation ist zutiefst besorgniserregend und erfordert dringend politische Aufmerksamkeit und konkrete Maßnahmen, auch damit die Mitgliedstaaten Menschen, die internationalen Schutz benötigen, Vorrang einräumen, einschließlich der Ukrainer, die im Lichte der russischen Aggression vertrieben wurden."

Nehammer droht mit Blockieren von EU-Gipfelerklärung

Die EU-Kommission wird aufgefordert, einen umfassenden Ansatz für alle wichtigen Migrationsrouten vorzulegen. Er soll eine "weitere Stärkung des Schutzes der Außengrenzen" enthalten, "einschließlich des Aufbaus von Infrastruktur und Luftraumüberwachung im Bereich vor den Seegrenzen". Die EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse ihre "zentrale Rolle in vollem Umfang wahrnehmen", auch im Bereich der Rückführung und durch Maßnahmen in Drittstaaten, um irreguläre Grenzübertritte zu verhindern. Verlangt werden auch EU-Außengrenzschutzstandards sowie zusätzliche finanzielle Unterstützung im Rahmen des bestehenden EU-Finanzrahmens für operative und technische Maßnahmen für eine wirksame Grenzkontrolle.

ÖVP unterstützt Nehammer vor EU-Gipfel

Unterstützung erhielt Nehammer von den ÖVP-Europaabgeordneten Angelika Winzig und Lukas Mandl. "Dieser EU-Gipfel muss konkrete Maßnahmen für die Bewältigung der Migrationskrise auf den Weg bringen", forderten sie in einer Aussendung. "Wir brauchen keine Worthülsen, sondern konkrete Schritte, sonst werden wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen", betonte Winzig. Mandl sagte, dass angesichts der Blockade im Rat, die österreichische Initiative auch ein Grund dafür sei, dass sich der Gipfel diesem dringenden und wichtigen Thema widme.

Kritik von Grünen und Opposition an Nehammer

Der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon, schrieb auf Twitter: "Es wird keine EU-Rückführungsrichtlinie geben, die gegen die Menschenrechtskonvention verstößt und kein Herumdeuteln dran." Dies hätten die Grünen der ÖVP klar gesagt. "Der Kanzler inszeniert das als VP-Chef vor dem EU-Gipfel wieder als seine Forderung, weil er auf dem freiheitlichen Spielfeld spielen will."

Kritisch äußerte sich die Opposition. So forderte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner Nehammer auf, damit aufzuhören, nur zu versuchen innenpolitisch zu punkten. Stattdessen sollte er sich lieber mit anderen konstruktiven Kräften für Lösungen, wie ein gemeinsames europäisches Asylverfahren mit Verfahrenszentren an den Außengrenzen der EU, einsetzen, betonte Einwallner. Die SPÖ-Europaabgeordnete Theresa Muigg forderte "eine Versachlichung der Debatte, die Umsetzung einer vernünftigen Reform und ein Ende von Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten!". Muigg sprach sich weiters für "schnelle und rechtssichere Verfahren, menschenwürdige Unterbringung an den EU-Außengrenzen, Rückführungsabkommen mit Drittstaaten, eine faire Verteilung von Asylberechtigten und eine neue EU-Seenotrettungsmission" aus.

"Der Meister der leeren Worthülsen ist ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer selbst", kritisierte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung. "Warum ersetzen Nehammer, Karner und Co nicht endlich das selbst etablierte 'Welcome-Service' an der österreichischen Grenze durch einen echten und robusten Grenzschutz?"

Scherak warf der ÖVP "populistische Scheindebatten" vor

NEOS-Vize-Klubobmann Niki Scherak warf der ÖVP vor, "nur populistische Scheindebatten" zu führen und "seit Jahren jede Lösung" zu blockieren". Statt nach der Schengen-Veto-Blamage jetzt erneut die Veto-Keule zu schwingen und Österreich in Europa noch weiter ins Abseits zu schießen, "sollte sich Nehammer in Brüssel lieber für Lösungen stark machen. Eine Lösung wäre, Handelsprivilegien an Rückführungsabkommen zu koppeln." Zudem brauche es "schnellere Verfahren an den Außengrenzen und die Umsetzung einer Residenzpflicht für Asylwerberinnen und Asylwerber. Das derzeitige europäische Asylrecht funktioniert nicht. Diese Wahrheit muss man anerkennen", so Scherak.

Leitl: Nehammer sei zuzustimmen

Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl, sagte, Nehammer sei zuzustimmen, wenn er sich über die Sicherheit Österreichs Gedanken mache und dazu Vorschläge vorlege. Europa müsse in der Asyl- und Migrationsfrage endlich gemeinsame Lösungen finden. Um jedoch bei den EU-Partnern Gehör zu finden, sei es "nicht förderlich, sich in die 'Schmuddelecke der Veto-Keulen-Schwinger' einzuordnen. Österreich verliert damit good will auf der europäischen Ebene, erleidet aber vor allem einen enormen Vertrauensverlust. Nicht nur in Rumänien und Bulgarien, sondern in allen mittel- und osteuropäischen Ländern", warnte Leitl. "Der Scherbenhaufen, der angerichtet wurde, muss jetzt rasch gekittet werden." Österreich hat wegen der illegalen Migration im Dezember ein Veto gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens eingelegt.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Österreich
  • EU-Gipfelerklärung: Nehammer droht mit Blockade
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen