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Experten-Reaktionen auf Paket gegen Kindesmissbrauch

"Möwe"-Geschäftsführerin Hedwig Wölfl sieht das Kinderschutz-Paket als positiv.
"Möwe"-Geschäftsführerin Hedwig Wölfl sieht das Kinderschutz-Paket als positiv. ©APA/HELMUT FOHRINGER (Symbolbild)
Am Mittwoch sorgte das Maßnahmenpaket der Regierung, mit dem u.a. die Darstellung von Kindesmissbrauch bekämpft werden soll, für unterschiedliche Reaktionen bei Experten.
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Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl, Leiter des Vienna Centre for Societal Security, sprach höheren Strafen jede präventive Wirkung ab und sprach von Populismus. "Das Paket ist wirklich sehr positiv und erfüllt langjährige Forderungen", meinte hingegen "Möwe"-Geschäftsführerin Hedwig Wölfl.

Wölfl begrüßte Kinderschutzkampagne

Die Expertin begrüßte vor allem die Kinderschutzkampagne. "Wir freuen uns sehr über diese Bewusstseinsbildung, die zum Hinschauen animieren soll. Toll, dass sich die Regierung dazu durchgerungen hat, hier den Fokus zu setzen." Prävention sei eine der wirksamsten Maßnahmen, bekräftigte Wölfl. Positiv bewertete sie u.a. auch die Verständigungspflicht, die Qualitätssicherung für Kinderschutz sowie die Kinderschutzkonzepte an Schulen. "Das sind gute Schritte, die wir sehr begrüßen."

Unterschiedliche Experten-Reaktionen auf Paket gegen Kindesmissbrauch

Der Strafrahmen müsse dem Delikt angemessen sein und die Erhöhung "schadet nicht". "Aber ich muss auch sagen, dass der derzeitige Rahmen derzeit kaum ausgeschöpft wird." Zudem würden auch Verfahren eingestellt und es gebe eine riesige Dunkelziffer. Deshalb sei die geplante Aufklärungskampagne "so was von wichtig". Wölfl wünscht sich eine weitere Stärkung der Kinderschutzzentren und -einrichtungen, die es für die Betreuung bei Verdachtsfällen und bei der Prozessbegleitung unbedingt brauche. Der niedergelassene Bereich könne gegebenenfalls für die Nachbehandlung genutzt werden. Was die vorgesehenen Mittel betrifft, könne man damit arbeiten. "Es ist einmal ein Anfang."

Verein Neustart erkennt viel Positives bei dem Paket gegen Kindesmissbrauch

Viel Positives erkennt auch Christoph Koss, Geschäftsführer des Vereins Neustart. Begrüßenswert sei, dass verstärkt in Ermittlungsarbeit und Aufklärung investiert werden soll. Ein Aspekt sei in der Debatte um Paragraf 207a (Darstellung von Kindesmissbrauch) besonders wichtig: Von den 2.147 Tatverdächtigen (im Jahr 2021) waren 1.073 selbst minderjährig. "Diese Kinder und Jugendlichen handeln aus ganz anderen Motiven als pädophile Sexualstraftäter. Diesen Teil des Problems wird das Strafrecht nicht lösen können", sagte Koss. "Für Täter, die selbst noch Kinder oder Jugendliche sind, braucht es sozialpädagogische Angebote."

Strafen wirksamer mit Therapieangebot

Strafen hätten laut dem Experten über alle Altersgruppen hinweg dann eine nachhaltige rückfallpräventive Wirkung, wenn sie mit einem guten Therapieangebot einhergehen. "Auch das berücksichtigt der Ministerratsvortrag." Ebenfalls wichtig sei es, dass zusätzliche Präventionsangebote ausgebaut werden, an die sich Personen wenden können, die zwar noch nicht straffällig geworden sind, aber bemerken, dass sie sich zu Kindern hingezogen fühlen. "Wenn diese Menschen flächendeckend anonym und kostenlos Zugang zu Therapie bekommen, werden Kinder geschützt, indem diese Personen nie zu Tätern werden", meinte Koss.

Karin Gölly, stellvertretende Vorsitzende der Gewaltschutzzentren Österreichs, meinte, es sei alles begrüßenswert, was dem Kinderschutz dient. Sie persönlich finde es schade, dass es einen prominenten Fall benötigt habe, damit man aktiv wird. Reflexartig höhere Strafen zu fordern, sei problematisch. "Aber es ist ein Signal, ob es präventiv wirkt, ist die Frage." Der aktuelle Strafrahmen würde gar nicht ausgenützt.

"Es gibt keine Korrelation zwischen Strafhöhe und Abschreckung", machte Kreissl unter Berufung auf zahlreiche Untersuchungen klar. Abschreckend für potenzielle Täter sei lediglich ein hohes Risiko, erwischt zu werden. Wichtig sei auch, dass die Strafe rasch auf die Tat folgt. Hier gebe es einen Wirkungszusammenhang.

Kreissl: Strafen seien "einfache, billige Methode"

Die angekündigten höheren Strafen seien eine "einfache, billige Methode" der Regierung zu zeigen, "wir tun etwas", meinte der Kriminalsoziologe. Es bringe nichts, aber "man kann es gut verkaufen". Lange Gefängnisstrafen seien, was die Rückfallquote betrifft, kontraproduktiv. Diversion, sozialpädagogische Aufarbeitung und entsprechende Behandlung im Strafvollzug wären erfolgreicher.

Sinnvoller in Sachen Prävention wäre es, zu versuchen, zur Quelle vorzudringen und dort die Taten und die Verbreitung dieser Darstellungen zu unterbinden. Dazu benötige man Massenüberprüfungen im Netz, um den Tausch von Bildern zu stoppen. In den USA habe man etwa Profile von Kreditkartentransaktionen erstellt und sei den Tätern auf die Spur gekommen. In Europa sei den Behörden diesbezüglich aufgrund des Datenschutzes die Hände gebunden, meinte Kreissl, der nicht die Forderung erheben wollte, diesen aufzuweichen.

Verständigungspflicht: Verfassungsrechtler meldeten sich zu Wort

Was die mögliche Verständigungspflicht der Strafverfolgungsbehörden an Arbeitgeber und Vereine betrifft, wenn dort durch den Verdächtigen eine akute Gefahr für Kinder ausgehen könnte, meldeten sich Verfassungsrechtler im ORF-Mittagsjournal zu Wort: Bernd-Christian Funk meinte, man müsse mit Augenmaß vorgehen, da die Gefahr bestünde, dass bei Beschuldigungen, die keine Substanz haben, Schäden entstehen, die nicht mehr wieder gut gemacht werden können. "Auf der anderen Seite ist schon klar, dass alle Möglichkeiten der Prävention genützt werden sollen."

Laut dem WU-Professor Harald Eberhard geht es um eine Abwägung zwischen Kinderrechten und jenen des Beschuldigten auf Privat- und Familienleben. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, müsse es eine Ausnahme von der Amtsverschwiegenheit geben. Zudem sollte die Verständigungspflicht schon für die Kriminalpolizei gelten, sofern ein begründeter Verdacht vorliegt. Ansonsten könne in langen Verfahren zu Amtshaftungsansprüchen kommen, wenn nicht entsprechend gehandelt wurde.

(APA/Red)

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