Letzter Blick auf Benedikt XVI: Lange Schlangen vor dem Petersdom

Tausende Trauernde wollen dem früheren Oberhaupt der katholischen Kirche die letzte Ehre erweisen. Viele Pilger reisten aus verschiedenen Teilen Italiens und aus mehreren Ländern an. Der emeritierte Papst ist noch bis Mittwoch im Petersdom aufgebahrt. Begleitet wird der Abschied des früheren Papstes von einem großen Sicherheitsaufgebot.
Letzter Blick auf Benedikt XVI: Schlangen vor dem Petersdom
Unter den ersten Besuchern am Dienstagmorgen war auch der frühere italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Der Politiker wurde von Erzbischof Georg Gänswein, dem Privatsekretär von Benedikt XVI., begrüßt. Auch der ungarische Premierminister Viktor Orban nahm am Dienstag vom emeritierten Papst Abschied. Orban, der vor Benedikts Leichnam betete und mit Gänswein einige Worte austauschte, wird eine nicht offizielle ungarische Delegation beim Begräbnis am Donnerstag vertreten. Bei der Trauerzeremonie wird auch die ungarische Präsidentin Katalin Novak anwesend sein, verlautete aus dem Vatikan.
Auch der australische Kardinal George Pell nahm von Benedikt XVI. Abschied. Der 81-Jährige betete vor dem Leichnahm. Kardinal Pell leitete von 2014 bis 2017 das vatikanische Wirtschaftssekretariat, bevor er sich in seiner australischen Heimat einem Gerichtsverfahren wegen Missbrauchsvorwürfen stellte. 2020 wurde er in letzter Instanz freigesprochen und aus dem Gefängnis entlassen. Pells Bemühungen, mehr Transparenz und Sauberkeit in die Vatikanfinanzen zu bringen, brachten ihn während seiner Zeit als Vatikan-"Finanzminister" immer wieder in Konflikt mit den alten Strukturen und Gewohnheiten von Verantwortlichen im Vatikan.
Rund 100.000 Menschen bei Aufbahrung im Petersdom
Benedikt XVI. war am Silvestertag im Alter von 95 Jahren gestorben. Zu Neujahr wurde der Verstorbene zunächst in der Kapelle des Klosters Mater Ecclesiae im Vatikan aufgebahrt, bevor der Leichnam am frühen Montagmorgen in einer privaten Zeremonie in den Petersdom gebracht wurde. Dort wurde der mit einem rot-goldenen Gewand und einer goldumrandeten Mitra bekleidete Leichnam auf einem Katafalk vor dem Hauptaltar aufgebahrt, Schweizergardisten stehen bei ihm Wache.
Zur Halbzeit der öffentlichen Aufbahrung von Benedikt XVI. haben knapp 100.000 Menschen dem ehemaligen Papst die letzte Ehre erwiesen. Nachdem am ersten Tag 65.000 Personen gezählt wurden, teilte die Vatikanpolizei Dienstagmittag mit, dass bereits am Vormittag weitere 25.000 Menschen in den Petersdom gekommen seien, wo der Leichnam für drei Tage aufgebahrt liegt. Viele Pilger reisten aus verschiedenen Teilen Italiens und unterschiedlichen Nationen an. Das Begräbnis, zu dem mehr als 70.000 Gläubige erwartet werden, wird von Papst Franziskus abgehalten. Am Mittwochabend wird der aus Zypressenholz gefertigte Sarg von Benedikt XVI. geschlossen. Darin befinden sich während seines Pontifikats geprägte Münzen. Der Sarg wird dann in einen Zinksarg gelegt und versiegelt. Dieser wird in einen anderen Holzsarg gelegt und dann begraben, teilte der Vatikan mit.
Schönborn bezeichnete Ratzinger als "Doktor der Kirche"
Schönborn erklärte im Interview mit der Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" (Dienstagsausgabe), Joseph Ratzinger sei ein "Doktor der Kirche, ein Kirchenvater", der mit dem heiligen Augustinus verglichen werden könne. "Ich hatte die Freude, mit vielen anderen sein Schüler zu sein, und er war nicht nur ein Lehrer von großer Begabung, mit der Gabe der Klarheit, sondern ein wahrer Meister, sowohl in geschriebenen Texten als auch im lebendigen Wort. Ich habe so viel von ihm gelernt, und ich denke, dass gerade seine Fähigkeit, zu lehren, den Glauben weiterzugeben und über den Glauben zu reflektieren, ihn schon fast zu einem Kirchenvater macht", so Schönborn.
Wiener Kardinal sieht ehemaligen Papst als eine große Persönlichkeit
"Ratzinger wird zu den großen Persönlichkeiten gehören, an die man sich in den kommenden Jahrhunderten erinnern wird. Wir werden uns an Joseph Ratzinger im 20. Jahrhundert genauso erinnern wie an John Henry Newman im 19. Jahrhundert oder an Thomas von Aquin und Bonaventura von Bagnoregio im 13. Jahrhundert", erklärte der Wiener Kardinal.
Schönborn: "Das Erbe Ratzingers ist sicher noch nicht erschöpft"
Beim Begräbnis erwartet werden auch der portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa und sein polnischer Amtskollege Andrzej Duda sowie eine Delegation des orthodoxen Patriarchats von Konstantinopel.
"Das Erbe Ratzingers ist sicher noch nicht erschöpft, in einigen Jahrzehnten wird man den Reichtum seines theologischen Werkes besser verstehen. Unter den vielen Themen denke ich vor allem an sein Werk über Jesus von Nazareth: Er ist der erste Papst in der Geschichte, der ein theologisch wissenschaftlich fundiertes Buch über Jesus selbst geschrieben hat, und es ist wichtig, dass er dies im Dialog mit dem jüdischen Denken, beginnend mit Jacob Neusner, tat", erklärte Schönborn.
(APA/Red)