Nationalfeiertag: Sobotka will moderaten Umgangston
Der Nationalfeiertag 2022 ist der letzte, den das Parlament im Übergangsquartier in der Hofburg begeht - in den kommenden Wochen steht die Rückkehr ins renovierte Hohe Haus am Ring an. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hofft, dass dann alle Fraktionen "im Umgangston miteinander wieder eine moderatere Haltung einnehmen", wie er im APA-Interview meinte. Denn das "Anpatzen" unter der Gürtellinie sei für die Bevölkerung "unerträglich" und schade der Demokratie.
Nationalfeiertag: Sobotka wünscht sich moderaten Umgangston
Noch bevor der Parlamentsbetrieb ins alte neue Haus übersiedelt, gehen die Zeugenbefragungen im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zu Ende, weil die NEOS gegen eine Verlängerung sind. Sobotka wurde als Vorsitzender des Ausschusses von der Opposition, aber auch den Grünen scharf kritisiert und zum Rückzug aufgefordert. Ob er über das Ende des Ausschusses froh sei, wollte Sobotka nicht kundtun. Für die Opposition sei er offenbar jemand, "den man in seiner Haltung nicht akzeptiert - weil ich sehr klar bin und auch eine gewisse Standfestigkeit habe", glaubt der Nationalratspräsident.
Nationalratspräsident Sobotka kritisierte "Dirty Campaigning"
Was er "wirklich für schwierig halte für unsere Demokratie" sei, "wenn man die politische Auseinandersetzung nicht mehr mit dem politischen Argument führt, sondern mit Anzeigen, mit diesem Dirty Campaigning", kritisierte Sobotka. Streitereien und ständiges "Anpatzen" unter der Gürtellinie seien für die Bevölkerung "unerträglich" und führten letztlich dazu, dass sich die Leute abwenden. "Ich kann nur appellieren, wenn wir in das neue Haus ziehen, dass wir auch im Umgangston miteinander wieder eine moderatere Haltung einnehmen", meinte Sobotka. Dieser Appell richte sich "an alle" Fraktionen.
Sobotka hofft trotz Krisen auf Änderung der U-Ausschuss-Regeln
Trotz zahlreicher Krisen, die bewältigt werden müssen, hofft Sobotka, dass man in den nächsten Monaten auch eine Änderung der U-Ausschuss-Spielregeln zustande bringt. Einiges könnte man auch jetzt schon besser machen, glaubt er, etwa den Untersuchungsgegenstand enger fassen und lieber mehrere kürzere U-Ausschüsse hintereinander zu machen als einen ausufernden wie den derzeitigen.
Sobotka sieht gerichtsanhänige Verfahren als Problem
Ein nach wie vor großes Problem im U-Ausschuss seien gleichzeitige gerichtsanhängige Verfahren, bekräftigte Sobotka. Hier könne man überlegen, ob Auskunftspersonen nicht zuerst einvernommen werden müssten, damit sie sich im Ausschuss nicht grundsätzlich von vornherein entschlagen. Außerdem gehe es darum, wie Fragen gestellt werden und in welcher Form man sie "nachvollziehbar und nachhörbar machen" könnte. Beim Vorsitz kann sich Sobotka vorstellen, die Möglichkeiten für eine Wechselstruktur zu schärfen. Zudem steht seit langem die Frage einer öffentlichen Übertragung zur Debatte, bei der aber auch der Datenschutz der Auskunftspersonen beachtet werden müsse.
Umzug des Parlaments: Drei Monate Zeit bis zur Eröffnung
Vorher muss aber ohnehin einmal das Großprojekt Umzug bewältigt werden. Vor zwei Wochen hat die Bundesimmobiliengesellschaft das Haus am Ring übergeben, nun hat das Parlament drei Monate Zeit für die Rückübersiedelung. Am 12. Jänner wird die offizielle Eröffnung gefeiert, am 14. und 15. Jänner sind Tage der Offenen Tür. Bis dahin muss der Betrieb im technisch komplett erneuerten Hohen Haus - man wolle etwa ein "papierloses Parlament" werden - eingespielt sein, gab Sobotka zu bedenken.
Parlament präsentiert sich am Nationalfeiertag mit offenen Türen
Heuer präsentiert sich das Parlament am Nationalfeiertag noch mit offenen Türen in der Hofburg. Vorgestellt werden bei der Gelegenheit die Container für "Parlament on Tour", mit denen man ab 12. Jänner in die Bundesländer fahren will. "Uns muss es ein großes Anliegen sein - allen im Parlament vertretenen Parteien -, dass unsere Arbeit hier als wertvoll für die Demokratie gesehen wird", das müsse man vermitteln, erklärte Sobotka.
Man sei besser gerüstet in der aktuellen Migrationssituation
In der aktuellen Migrationssituation sieht der frühere Innenminister (2016/2017) Österreich besser vorbereitet als bei der letzten Krise: "Wir sind gut gerüstet", meinte er, "das waren wir 2015 und 2016 in dieser Form nicht". Fast alle hätten außerdem die gleiche Sicht der Dinge, wie man damit umzugehen habe, nämlich den Menschen zu helfen, aber auch klar zu sagen, dass Asyl nicht ein Recht sein könne, wo man "durch zig Staaten, die Sicherheit bieten, einfach durchreisen kann und sich so quasi sein Sozialsystem aussuchen kann".
Asylsituation würde Situation in Österreich 2015 ähnlich sein
Er sehe aber sehr wohl ähnlich wie 2015 die hohe "Belastung" Österreichs. "Wirklich ärgerlich" sei es, dass die EU es bis heute nicht geschafft habe, eine ordentliche EU-Außengrenzstruktur aufzubauen. Außerdem erinnerte Sobotka an das hohe Engagement, Ukraine-Vertriebene zu betreuen - und man habe "auch die moralische Verpflichtung", das zu tun. Die Situation sei sicher für viele eine große Herausforderung, aber man müsse auch die Statistik "zur Kenntnis nehmen", dass sieben Bundesländer nicht die vereinbarte Zahl an Quartieren zur Verfügung stellen, merkte Sobotka an. Zuletzt gab es ja Wirbel zwischen Bund und Ländern bzw. Gemeinden, weil das Innenministerium begonnen hat, Zelte für Asylwerber aufzustellen.
Sobotka kann nichts mit Forderungen der Wiener ÖVP anfangen
Nichts anfangen kann Sobotka mit Forderungen wie jener der Wiener ÖVP-Gemeinderätin und früheren Generalsekretärin Laura Sachslehner nach einem "Annahmestopp bei Asylanträgen". "Der Populismus hilft niemandem weiter", sagte Sobotka dazu. "Wir wissen alle, wenn das Wort 'Asyl' ausgesprochen ist, dann hat die Rechtsbasis zu gelten."
Recht unbeeindruckt von Sobotkas Aussagen zum Umgangston zeigte sich am Dienstag der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. Im Gegenteil, der Nationalratspräsident habe selbst nicht mit Vorwürfen gegen die Opposition gespart. Leichtfrieds Rat an Sobotka, angesichts der Ermittlungen und Vorwürfen gegen ihn selbst: "Der ÖVP-Nationalratspräsident und U-Ausschussvorsitzende sollte in sich gehen und überlegen, inwieweit sein Verhalten mit der Würde des Hauses vereinbar ist."
(APA/Red)