Whistleblower-Richtlinie: Viele Firmen setzen bereits auf anonyme Meldekanäle
Nun gibt es einen Gesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am 15. Juli 2022 endet. Die sogenannte "Whistleblower"-Richtlinie soll unter anderem regeln, dass Menschen, die Missstände melden, vor Repressalien geschützt werden.
Viele Meldekanäle bei Firmen - schon vor gesetzlicher Pflicht
Betroffen sind neben größeren Gemeinden hauptsächlich Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das waren mit Stand Dezember 2021 in der gewerblichen Wirtschaft laut WKÖ über 6.800. Firmen ab 250 Mitarbeitenden müssen das Gesetz nach Inkrafttreten innerhalb von sechs Monaten umsetzen. Kleinere haben bis 18. Dezember 2023 Übergangszeit, um einen internen Meldekanal einzurichten. Dieser muss das sichere Melden von Missständen ermöglichen.
Obwohl die gesetzliche Pflicht noch offen ist, hat der Meldesystemhersteller "EQS" in Österreich bereits 300 Kunden. Hierunter sind vorwiegend Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, aber auch die Stadt Wien und einige Tochterinstitutionen sowie das Justizministerium zählen dazu. Von den ATX-Unternehmen haben mehr als die Hälfte auf ihrer Website einen Meldekanal eingerichtet.
Auch Bearbeitung von anonymen Meldungen in Österreich vorgesehen
Mirco Schmidt, Country Manager Compliance Österreich bei "EQS", erwartet die große Nachfrage von KMUs erst knapper vor Inkrafttreten der Richtlinie, da hier Whistleblowing eine kleinere Rolle spiele. Schmidt schätzt, dass auf 1.000 Mitarbeiter bisher durchschnittlich fünf bis zehn Meldungen kamen. Die österreichische Hinweisgeberrichtlinie kritisiert Schmidt ob der Verspätung, lobt sie allerdings in Bezug auf die Anonymität. Anders als beispielsweise in Deutschland, sehe der österreichische Vorschlag vor, dass auch anonyme Meldungen bearbeitet werden müssen.
Bereits über 250 Meldungen bei Stadt Wien eingelangt
Bei der Stadt Wien wurde bereits am 22. Februar 2021 ein Hinweisgebersystem eingeführt und bis 31. Mai 2022 seien dort 252 Meldungen eingelangt, so ein Pressesprecher des zuständigen Stadtrats Christoph Wiederkehr (NEOS). In 233 Fällen sei die Meldung anonym erstattet worden. Fast 100 Meldungen seien jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Magistrats gefallen. Die hinweisgebende Person sei hier - wenn möglich - an die zuständige Stelle weitergeleitet worden. In 13 Fällen seien Compliance-Verstöße festgestellt worden. Hierunter falle ein Verstoß in Zusammenhang mit Zeitaufzeichnungen oder die ungerechtfertigte Nutzung von städtischen Räumlichkeiten. Keine dieser Meldungen habe jedoch eine strafrechtliche Ermittlung nach sich gezogen oder zu einer Anzeige geführt, so der Pressesprecher.
Die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Meldungen zu allen Organisationen entgegennimmt, die ihrer Aufsicht unterliegen, verzeichnete im Vorjahr bei ihrem Hinweisgebersystem fast 300 Meldungen. Im ersten Halbjahr 2022 waren es 117 Fälle. Diese betrafen mehrheitlich die Bankenaufsicht sowie den Verdacht auf Anlagebetrug.
(APA/Red)