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Ukraine: Sjewjerodonezk von Außenwelt abgetrennt

Die letzte Brücke nach Sjewjerodonezk wurde gesprengt.
Die letzte Brücke nach Sjewjerodonezk wurde gesprengt. ©Ukraine National Guard/Handout via REUTERS
Im Osten der Ukraine ist die seit Wochen umkämpfte Stadt Sjewjerodonezk nach der Zerstörung der dritten und letzten Brücke über den Fluss Siwerskyj Donez nahezu vollständig von russischen Truppen eingekreist.

"Es ist jetzt leider völlig unmöglich, in die Stadt zu fahren oder etwas in die Stadt zu liefern", sagte am Montag Gouverneur Serhiy Gaidai. "Eine Evakuierung ist unmöglich." Nur das ukrainische Militär habe noch einen begrenzten Zugang zur Stadt.

Ukraine: Sjewjerodonezk ist von der Außenwelt abgetrennt

Der Kampf um Sjewjerodonezk ist mit entscheidend über die Herrschaft über den Donbass im Osten des Landes. Die Lage der ukrainischen Truppen sei "schwierig, aber unter Kontrolle", obwohl 70 Prozent der Stadt von Russland kontrolliert würden, sagte er dem Sender Radio Free Europe/Radio Liberty. "Sie haben die Möglichkeit, Verwundete in Krankenhäuser zu bringen", meinte Gaidai. "Es ist schwierig, Waffen oder Reserven zu liefern. Schwierig, aber nicht unmöglich." Nach ukrainischen Angaben halten sich Hunderte von Zivilisten in Bunkern der Chemiefabrik Asot in der Stadt auf.

Keine russischen Fortschritte in Millionenstadt Charkiw

Dem britischen Verteidigungsministerium zufolge haben die russischen Invasionstruppen wohl erstmals seit Wochen kleinere Fortschritte im Bereich um die Millionenstadt Charkiw gemacht. Die hauptsächlichen russischen Angriffsbemühungen seien aber weiterhin auf den Kessel von Sjewjerodonezk gerichtet, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg am Dienstag.

Nach Einschätzung britischer Regierungsexperten passt sich Russlands Industrie dank Finanzierung durch den Kreml langsam an die Nachfrage durch den Ukraine-Krieg an. "Die Industrie könnte aber Schwierigkeiten haben, viele dieser Bedürfnisse zu decken, zum Teil wegen der Sanktionen und eines Mangels an Expertise", so die Mitteilung. Schwierigkeiten, Material zu ersetzen, dürfte Moskau vor allem im Bereich hochwertiger Optik und fortschrittlicher Elektronik haben, hieß es weiter.

Selenskyj: Schlacht im Donbass als eine der brutalsten der Geschichte

Die Schlacht um den östlichen Donbass wird nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als eine der brutalsten in die europäische Geschichte eingehen. "Für uns ist der Preis für diese Schlacht sehr hoch. Es ist einfach beängstigend", sagt Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft am Montagabend und forderte einmal mehr Waffenlieferungen aus dem Ausland. Er versprach seinen Landsleuten eine Rückeroberung der von Russland annektierten Halbinsel Krim. "Die ukrainische Flagge wird wieder über Jalta und Sudak, über Dschankoj und Jewpatorija wehen", so der ukrainische Präsident in Kiew. "Natürlich werden wir auch unsere Krim befreien."

Russland besetzte Krim im Schwarzen Meer seit 2014

Russland hatte die Halbinsel im Schwarzen Meer 2014 militärisch besetzt, als die Ukraine nach einem Machtwechsel geschwächt war und keinen Widerstand leisten konnte. Dann wurde ein international nicht anerkanntes Referendum abgehalten und die Krim Russland angegliedert. Selenskyj hat immer eine Rückkehr der Halbinsel verfochten, dies aber selten so nachdrücklich als Kriegsziel formuliert.

Der Präsident rief die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine auf, den Kontakt in die russisch besetzten Landesteile, nach Donezk oder ins Gebiet Charkiw zu halten. Auch diese Gebiete würden wieder befreit, kündigte er an. "Sagen Sie ihnen, dass die ukrainische Armee auf jeden Fall kommen wird!"

"Wir brauchen von Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt"

Von Deutschland forderte Selenskyj in einem Interview mit dem deutschen Sender ZDF vor dem möglichen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz eindeutige Unterstützung. "Wir brauchen von Kanzler Scholz die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt. Er und seine Regierung müssen sich entscheiden", so Selenskyj am Montagabend "heute-journal". Deutschland dürfe keinen Spagat zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland versuchen.

Selenskyj sagte weiter, er wünsche sich, dass der deutsche Bundeskanzler persönlich die EU-Mitgliedschaft der Ukraine unterstütze. Er erwarte, dass die Europäische Union seinem Land noch im Juni den Status eines Beitrittskandidaten zuerkenne

Macron und Draghi könnten Mitte der Woche Ukraine besuchen

Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi könnten Mitte der Woche die Ukraine besuchen. Eine offizielle Terminangabe steht aber noch aus. Das Verhältnis zwischen Berlin und Kiew war zu Beginn des Krieges stark abgekühlt. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war in der Ukraine nicht willkommen, weil Kiew ihm seine moskaufreundliche Politik vorhielt. Hinzu kam die Kontroverse um Ausmaß und Schnelligkeit der Unterstützung Deutschlands für das angegriffene Land.

Heftiger ukrainischer Beschuss in Donezk von Separatisten gemeldet

Die von Russland kontrollierten Separatisten in Donezk haben am Montag von dem bisher angeblich heftigsten ukrainischen Beschuss auf die Stadt seit Beginn des Krieges berichtet. Vier Menschen seien getötet und mindestens 23 Menschen verletzt worden, hieß es in örtlichen Medienberichten. Auch eine Geburtsklinik in der früheren Millionenstadt sei in Brand geraten, dort sei aber niemand verletzt worden. Die Berichte waren nicht unabhängig überprüfbar.

Truppen der russischen Armee für Kampf in Donezk "benötigt"

Zum Schutz der Stadt und der Volksrepublik Donezk seien weitere Truppen "verbündeter Kräfte", also der russischen Armee nötig, sagte Separatistenführer Denis Puschilin der Agentur DAN zufolge. Im Osten der Ukraine im Donbass existieren seit 2014 die sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Sie stützen sich angeblich auf kiew-feindliche örtliche Separatisten, werden aber tatsächlich aus Moskau gelenkt und militärisch unterstützt.

Russland hat die Gebilde kurz vor dem Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar als unabhängige Staaten anerkannt. Die vollständige Eroberung der ukrainischen Verwaltungsgebiete Donezk und Luhansk ist ein russisches Kriegsziel.

(APA/Red)

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