Schwere Kämpfe um ostukrainische Stadt Sewerodonezk

Bei den schweren Kämpfen in der Ost-Ukraine haben die russischen Streitkräfte einem Separatistenanführer zufolge etwa ein Drittel der strategisch wichtigen Stadt Sewerodonezk unter ihre Kontrolle gebracht. Die Truppen kämen aber nicht so schnell voran, wie man es sich erhofft habe, zitierte die russische Nachrichtenagentur TASS am Dienstag den Anführer der pro-russischen Separatistenregion Luhansk, Leonid Pasetschnik. In der Stadt tobten Kämpfe.
Russischer Vormarsch in Sewerodonezk
Der Vormarsch werde auch erschwert, weil es mehrere große Chemieanlagen in der Region gebe. Man wolle vor allem die Infrastruktur der Stadt erhalten. Nach ukrainischen Angaben sind dagegen große Teile der Stadt durch russischen Beschuss zerstört. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte erklärt, rund 90 Prozent der Gebäude von Sewerodonezk seien beschädigt, mehr als zwei Drittel der Wohnhäuser zerstört.
Laut ukrainischen Angaben rücken die russischen Truppen langsam auf das Zentrum der strategisch wichtigen Stadt vor. Die ukrainischen Truppen dort seien aber nicht in Gefahr, eingekesselt zu werden, da sie sich auf die andere Seite des Flusses Siwerskyj Donez nach Lyssytschansk zurückziehen könnten, sagt der Gouverneur der Region, Serhij Gajdaj, im staatlichen Fernsehen.
Sewerodonezk mit eigentlich rund 100.000 Einwohnern ist die größte Stadt im Donbass, die von der Ukraine noch gehalten wird. Die Einnahme von Sewerodonetsk und der Nachbarstadt Lyssytschansk am Ufer des Flusses Siwerskyj Donez würde Russland die faktische Kontrolle über die Region Luhansk im Donbass geben und die Möglichkeit, nach mehr als drei Monaten Krieg eine Art Sieg zu verkünden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte kürzlich die Einnahme des Donbass als eine bedingungslose Priorität für sein Land bezeichnet. Russland erkennt die separatistischen Donbass-Regionen Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten an.
Ukrainischer Widerstand auch im Süden des Landes
Auch bei den Kämpfen im Süden leisten die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben erbitterten Widerstand. Die russischen Truppen seien auf Verteidigungspositionen an drei Dörfern am südlichen Ufer des Flusses Inhulez zurückgedrängt worden, teilte die Regierung in Kiew mit. Der Fluss bildet die Grenze zur Provinz Cherson, in der Russland versucht, seine Kontrolle zu festigen. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Angaben beider Seiten aus den Kampfgebieten nicht unabhängig überprüfen.
Der ukrainische Generalstab teilte in seinem Lagebericht am Dienstag mit, der Feind führe "im Raum Sewerodonezk Sturmaktivitäten im Bereich der Ortschaften Sewerodonezk und Toschkiwka durch, die Kampfhandlungen halten an". Weitere russische Bodenangriffe meldete der Generalstab aus dem etwas weiter westlich gelegenen Raum Bachmut. Dort hätten die Russen die Ortschaften Solote, Komyschuwacha, Berestowe, Pokrowske und Dolomitne angegriffen. Im Lagebericht heißt es zwar, die Attacken seien erfolglos verlaufen, gleichzeitig jedoch, dass sie fortgesetzt würden. Die Angriffe rund um Bachmut bezwecken offenbar, den letzten von der Ukraine gehaltenen Ballungsraum in der Region Luhansk, Sewerodonezk - Lyssytschansk, abzuschneiden und so die dort stationierten Truppen aufzureiben.
Selenskyj: Lage im Donbass weiterhin äußerst schwierig
An anderen Frontabschnitten verlief die Nacht ruhiger. So meldet der ukrainische Generalstab im Raum Slowjansk, der als Zentrum der Kiew-treuen Truppen im Donbass gilt, nur vereinzelte Gefechte. Der russische Angriff auf die Ortschaft Dowgenke sei abgewehrt worden. Auch beim Versuch, aus der jüngst vom russischen Militär eroberten Kleinstadt Lyman heraus neue Angriffsrouten zu erkunden, habe der Feind Verluste erlitten und sich zurückgezogen. Unabhängig waren auch diese Angaben nicht zu überprüfen.
Slowjansk wurde nach Angaben des Chefs der Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, in der Nacht von einem Raketenschlag getroffen. Dabei seien eine Schule und sieben Wohnhäuser getroffen worden, teilte er am Dienstag mit. Seinen Angaben nach wurden drei Menschen getötet und sechs verletzt.
Der ukrainische Präsident Selenskyj sagte in einer Videobotschaft in der Nacht auf Dienstag, die Lage im Osten der Ukraine bleibe äußerst schwierig. Dort sei nun die "maximale Kampfkraft der russischen Armee" versammelt. Diese versuche, im Donbass immer mehr Druck auf ukrainische Soldaten auszuüben.
(APA/Red)