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Wie die Corona-Varianten-Gefahr eingeschätzt werden kann

Experten in der USA wollen neue Corona-Varianten auf ihre Gefährlichkeit einschätzen können.
Experten in der USA wollen neue Corona-Varianten auf ihre Gefährlichkeit einschätzen können. ©ALEX HALADA / AFP
Ein Expertennetzwerk in den USA soll einschätzen, wie gefährlich neu auftretende Varianten des Coronavirus sind.
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Geleitet wird eine der drei zentralen Arbeitsgruppen von dem österreichischen Virologen Florian Krammer. In einem Perspektivenartikel im Fachblatt "Nature" zeigen die Experten nun, wie dies die wissenschaftlichen Abläufe beschleunigt hat. Brauchen könne man so ein System auch für andere Krankheitserreger.

Wie die Corona-Varianten-Gefahr eingeschätzt werden kann

Das "SARS-CoV-2 Assessment of Viral Evolution"-Programm (SAVE) wurde im vergangenen Jahr unter dem Dach der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) eingerichtet. Ziel ist es, möglichst in Echtzeit Risikoeinschätzungen darüber zu liefern, ob neu auftretende Erreger-Varianten das Coronavirus leichter übertragbar oder gefährlicher machen bzw. der neue Erreger einem aufgebauten Immunschutz durch Impfung oder durchgemachte Erkrankung leichter entkommt.

Gefährlichkeit der Virus-Varianten auf drei Ebenen analyisert

Das geschieht in dem Programm auf drei Ebenen: Zuerst analysieren Experten weltweit Daten aus Erbgut-Sequenzierungen, die in die Datenbank der globalen Wissenschaftsinitiative GISAID hochgeladen werden, auf mögliche besorgniserregende Mutationen oder Mutationskombinationen. Der Fokus liegt hier auf dem Spike-Protein, das der Erreger zum Eintritt in die menschlichen Zellen nutzt. Dass das Immunsystem vor allem das S-Protein verlässlich erkennt, ist auch das Ziel der Covid-19-Impfungen. Aktuell werden in die GISAID-Datenbank über 150.000 Erbgut-Sequenzen pro Woche hochgeladen. Das sei einerseits eine bisher noch nie da gewesene Chance, um der Evolution des Erregers zu folgen, heißt es in der Arbeit, aber auch eine große Herausforderung, potenziell bedeutsame Informationen überhaupt rasch zu finden.

Test ob gegen Corona gebildete Antikörper neue Variante erkennen

Finden die Experten der "Früherkennungs"-Gruppe eine solche Veränderung, kommt die von dem an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York tätigen Florian Krammer geleitete "In Vitro"-Gruppe ins Spiel. Hier geht es darum, in Laboruntersuchungen abzutesten, ob gegen vorhergehende SARS-CoV-2-Typen gebildete Antikörper die neue Variante noch effektiv erkennen können bzw. wie andere Teile des Immunsystems damit umgehen. Während es noch am Beginn des vergangenen Jahres mitunter lange gedauert habe, um den Austausch wichtiger Reagenzien oder von Blutproben von Geimpften und Genesenen bzw. die Herstellung und Verteilung der Kulturen mit den neuen Viren-Varianten zu organisieren, habe man es nun geschafft, die administrativen Abläufe zu optimieren und die Datenweitergabe auch in Richtung Politik und Entscheidungsträger effizient zu gestalten.

Vorhandene Antikörper gegen SARS-CoV-2 bieten noch gewissen Schutz

In den Laboruntersuchungen habe man viel gelernt. So etwa dass vorhandene Antikörper gegen SARS-CoV-2 immer noch einen gewissen Schutz vor allem gegen schwerere Krankheitsverläufe bieten können, auch wenn sie das Virus nicht mehr so gut neutralisieren. Hier spielen die T-Zellen, eine Gruppe der weißen Blutkörperchen, deren Aufgabe es ist, neue Bedrohungen zu erkennen und die erworbene Immunantwort voranzutreiben, eine wichtige Rolle. Der Erforschung dieser Effekte widmen sich die Wissenschafter der "In Vitro"-Gruppe verstärkt.

Dritte Gruppe beobachtet Auswirkungen des Virus bei Tieren

Die dritte SAVE-Gruppe setzt sich dann mit den Auswirkungen der neuen Varianten in Tierversuchen etwa mit Mäusen oder Hamstern auseinander. Die ersten beiden Gruppen stellen dafür all ihre Daten sofort der "In Vivo"-Gruppe zur Verfügung.

Wissenschaftliche Arbeitsweise durch Coronapandemie verändert

Insgesamt hat sich die wissenschaftliche Arbeitsweise im Zuge der Corona-Pandemie in vielen Bereichen deutlich verändert. Während es früher bis zur Veröffentlichung von Daten und Ergebnissen in der Regel viele Monate bis Jahre dauerte, stellten nun Forscher vermehrt ihre Erkenntnisse auf Plattformen, bevor diese im langwierigen Peer-Review-Prozess von Fachkollegen begutachtet wurden. Das brachte laut Einschätzung vieler Experten nicht nur Vorteile, wenn etwa Studien nach Begutachtung letztlich nicht hielten, was sie versprachen, die Schlüsse in die politische Entscheidungsfindung aber zuvor einflossen sind.

Modus der gegenseitigen Überprüfung in Rahmen von SAVE

Im Rahmen von SAVE habe man einen Modus der gegenseitigen Überprüfung gefunden, der letztlich einer Art "Echtzeit-Peer-Review"-Ansatz entspricht. So konnte man einen Prozess beschleunigen, der sonst mehrere Monate gedauert hätte. Dies habe alle Teilbereiche befruchtet und eine Beobachtung der Situation in "Nahezu-Echtzeit" erlaubt. So habe man auf das Auftreten der Omikron-Variante rasch reagieren und schnell verfügbare Studienergebnisse auf allen Ebenen erzielen können. Dieser Zugang müsse auch international ausgebaut werden, meinen die beteiligten Forscher, die ihr Programm als "Vorlage" für andere notwendige Monitoring-Initiativen für andere sich rasch weiterentwickelnde Krankheitserreger sehen.

(APA/Red)

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