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150 Jahren österreichische Notariatsordnung

Richard Forster, berichtet über den Aufgabenbereich und die Entwicklung des Notariates.

Wie sah das Berufsbild des Notars im Jahre 1871 aus?

Im Jahr 1871 war Österreich eine Monarchie. Das Notariat gab es aber schon lange zuvor. Ziel der Erlassung der Notariatsordnung vom 25. Juli 1871 war es, die Aufgaben des Notariates in einem eigenen Berufsrecht festzulegen. Die wesentlichen Aufgaben der Notare im Jahre 1871 bestanden im Grundbuchsrecht, im Vermögensrecht und in der Ausübung der Funktion des Gerichtskommissärs, also Insbesondere in der Durchführung von Erbschaftsverhandlungen.

Was hat sich seit 1871 im Notariat geändert?

Am besten kann man diese Entwicklung mit dem Statement „Von der Tintenfeder zur elektronischen Beglaubigung“ skizzieren. Die Veränderungen sind insbesondere im Tätigkeitsbereich der Notariate sowie im Einsatz neuer, moderner Techniken festzustellen. Das Notariat des Jahres 1991 – dem Zeitpunkt meines Berufsantrittes als junger Notariatskandidat – ist mit dem „Notariat von heute“ nicht mehr vergleichbar. Diese Entwicklung stellt hohe Anforderungen und Herausforderungen dar; sie macht aber auch sehr viel Freude. Den Notariatskammern – also der Standesvertretung – kommt dabei viel Verantwortung zu. Sie verfolgen gesellschaftliche, technische und rechtliche Entwicklungen und versuchen, Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln. Um diesen Entwicklungen Rechnung tragen zu können, musste die Notariatsordnung des Jahres 1871 zwischenzeitlich mehrfach novelliert werden. Moderne Techniken, wie das Zentrale Testamentsregister, das Treuhandregister, die Notartreuhandbank und ein vollelektronisches Urkundenarchiv verlangten entsprechende Abänderungen der Notariatsordnung. Eine weittragende Systemänderung brachte die Einführung des § 90 a der Notariatsordnung. Durch diese Bestimmung wurden die digitalen Möglichkeiten im Notariat ausgebaut. Nahezu alle notariellen Tätigkeiten können somit seit dem 1. Jänner 2021 auch online erfolgen: Unterschriftsbeglaubigungen, vertragliche Vorgänge wie die Abwicklung von Kaufverträgen bei Immobiliengeschäften oder Unternehmenstransaktionen genauso wie Notariatsakte, Gesellschafts- und/oder Abtretungsverträge bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung. General- und Hauptversammlungen können virtuell abgehalten und die Protokollierung digital erledigt werden. Dadurch ist es auch in Zeiten von Pandemien möglich, die Bevölkerung mit Rechtsdienstleistungen ununterbrochen und dauerhaft zu versorgen. Eines ist dem Notariat aber ganz besonders wichtig: der persönliche Bezug zur Bevölkerung. Digitale Technik ist wichtig und erforderlich. Allerdings soll diese nur dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist. Im Vordergrund bleibt nach wie vor der persönliche Kontakt. Gerade deshalb ist es Ziel des Notariates, mit dem Ende der aktuellen Pandemie die digitale Technik nur mehr dort einzusetzen, wo es dann noch Sinn macht.

Welches sind aus Ihrer Sicht die tragenden Säulen des Berufsstandes der Notarinnen und Notare?

Notare sind Angehörige eines rechtsberatenden freien Berufes und zugleich Amtsträger. Das Notariat verbindet eine enge Partnerschaft mit der Justiz. Ziel des Notariates ist es, mit maßgeschneiderten Rechtslösungen die Bevölkerung zu schützen, insbesondere auch den schwächeren Teil der Bevölkerung. Auf Basis von Amtsträgerschaft, Unparteilichkeit und hohem Qualitätsniveau haben wir uns das Vertrauen der Bevölkerung erarbeitet. In unserer Eigenschaft als Gerichtskommissäre – also als Rechtsdienstleister, die vom Staat mit der Durchführung von Verlassenschaftsabhandlungen beauftragt sind – gelingt es uns, von den rund 50.000 Verlassenschaftsabhandlungen pro Jahr über 99 Prozent ohne Streit bis zur Beendigung abzuwickeln. Ebenso haben wir in den letzten drei Jahren 165.000 Vorsorgevollmachten zum Wohl der Bevölkerung erstellt. Unser Bestreben ist es, flächendeckender rechtlicher Nahversorger zu sein. Um dieses Ziel zu erreichen und auch um genügend Ressourcen zur Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen zu schaffen, wurde die Anzahl der Notarstellenständig erhöht. Als ich im Jahre 1991 in das Notariat eintrat, gab es in Vorarlberg 13 Notarstellen. Zum heutigen Stichtag zählen wir bereits 24 Notarstellen.

Abschließend noch folgende Frage: Was hat Sie dazu bewogen, den Beruf eines Notars zu ergreifen?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen den Wunsch, in den Bereichen des Erbrechtes, des Familienrechtes, der Rechtsfürsorge, des Außerstreitrechtes und des Unternehmens- und Gesellschaftsrechtes tätig zu sein. Zum anderen der Wunsch, täglich einen umfassenden Kontakt mit Leuten aller Bevölkerungsschichten zu haben. Ganz besonders schätze ich es aber, in der Rolle des Unparteiischen durch mein Agieren Konflikte von vornherein auszuschalten bzw. bereits bestehende Konflikte, die an mich herangetragen werden, einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. Eines meiner großen Ziele ist es, bis zu meiner Pensionierung die Umwandlung des bekannten Spruches „Redet ihr noch miteinander oder habt ihr schon geerbt?“ in „Wir haben schon geerbt und reden nach wie vor miteinander und das besser als je zuvor“ zu erwirken.

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