Herr Staudinger, Sie sind Spitzenkandidat der SPÖ bei der kommenden Landtagswahl. Mit welchem Programm treten Sie zu dieser Wahl an?
Ich möchte in Vorarlberg mehrere Leuchtturm-Projekte verwirklichen. Erstens: Wir müssen alles dafür tun, dass unsere Kinder und Enkelkinder in Vorarlberg die besten Chancen finden und nicht abwandern. Dafür müssen wir Wohnen wieder bezahlbar machen. Zweitens: Die Wartezeit für Patienten auf Operationstermine soll halbiert werden. Und drittens: Pflege soll für diejenigen, die sie brauchen und diejenigen, die sie als Beruf ausüben, die besten Voraussetzungen bieten.
Bleiben wir bei der Pflege. Stichwort Pflegeheime: Wo sehen Sie hier den größten Handlungsbedarf?
Pflegerinnen und Pfleger brauchen mehr Zeit für die Bewohner, um nicht nur Feuerwehr in Notfällen zu sein, sondern wirklich aktive Betreuung leisten zu können.
Dafür bräuchte es mehr Pflegerinnen und Pfleger. Wie wollen Sie sicherstellen, dass wir mehr Pflegekräfte haben?
Dafür benötigt es zwei Dinge: Gute Bezahlung und einen Kulturwechsel in der Politik. Nicht wenige Politiker, die für den Pflegebereich zuständig sind, warnen ständig davor, dass Pflege bald nicht mehr finanzierbar sein wird und dass alles so furchtbar schwierig sein. Sie vermitteln damit ein völlig verstörendes Bild von einem Beruf, der in Wirklichkeit gesellschaftlich enormen Wert hat und gleichzeitig auch auf Jahrzehnte hin sicher ist.
Sie haben einen produktiveren Ansatz?
Absolut. Die Aufgabe von Politikern ist es nicht, ständig nur zu jammern; sondern die Herausforderungen anzunehmen und Lösungen zu entwickeln. Wir müssen den jungen Leuten ein realistisches Bild vermitteln: Das ist ein fordernder, aber auch sehr erfüllender Beruf. In Kombination mit guter Bezahlung steigern wir so das Interesse am Pflege-Beruf: Pflegepersonal muss ordentlich bezahlt werden und unter würdigen Rahmenbedingungen der Arbeit nachgehen können.
Pflege findet in Vorarlberg vor allem auch zu Hause statt. Wie könnte der Alltag von pflegebedürftigen Menschen verbessert werden?
Wichtig wäre es etwa, stundenweise Betreuung zu ermöglichen. Die nötige Unterstützung von älteren Personen entwickelt sich meist stufenweise: von leichten Hilfsdiensten zu Hause über die 24h-Betreuung bis hin zur stationären Betreuung. Zwischen Hauskrankenpflege und 24-Stunden-Betreuung fehlt die mehrstündige Alltagsbegleitung. Das ist eine Lücke in der Vorarlberger Betreuungslandschaft.
Was genau ist unter „Alltagsbegleitung“ zu verstehen?
Das bedeutet, dass mehrere Stunden am Tag Pflegekräfte im direkten Wohnumfeld tätig werden und die Menschen bei alltäglichen Tätigkeiten unterstützen. Damit schließen wir die Lücke zur 24-Stunden-Betreuung und entlasten pflegende Angehörige.
Mit welchen weiteren Maßnahmen könnte man Angehörige generell entlasten?
Eine gute und wichtige Sache wäre die Einrichtung von Pflegeservicestellen. Ein Pflegefall ist für Angehörige fast immer eine Belastungsprobe, viele fühlen sich alleine gelassen und überfordert. Die Pflegeservicestelle unterstützt Betroffene und Angehörige rasch und unbürokratisch. Auf Bundesebene schlägt die SPÖ für pflegende Angehörige einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit vor. Auch das ist eine wichtige Maßnahme.
Warum ist Ihnen Pflege ein so wichtiges Anliegen?
Weil ich mich seit Jahren damit beschäftigte. So habe ich etwa in meiner Tätigkeit im Sozialministerium den Pflegefonds mitverhandelt. Dadurch habe ich einen sehr guten Einblick in die Zusammenhänge. Ich habe größten Respekt vor allen Pflegekräften und pflegenden Angehörigen. Sie leisten oft übermenschliches. Der Wert ihrer Arbeit kann gar nicht hoch genug geschätzt werden.
Zudem bin ich auch ganz einfach davon überzeugt, dass wir es der älteren Generation schuldig sind, ihnen im Pflegefall die besten Voraussetzungen bieten zu können. Vorarlberg ist einer der lebenswertesten Orte in Europa und der Welt. Das kommt nicht von ungefähr, sondern ist Ergebnis des Fleißes der vorangegangenen Generationen. Das Mindeste, was wir tun können, ist ihnen auch im Pflegefall einen Lebensabend in Würde und Selbstbestimmung zu ermöglichen. Das ist eine Frage des Respekts und der Generationengerechtigkeit.
Mit diesen fünf Punkten will die SPÖ die Pflege stärken:
- Pflegeberuf durch bessere Rahmenbedingungen und Bezahlung attraktiver machen
- Mehr Zeit für Pflegeheimbewohner: Personal landesweit aufstocken
- Modell „Alltagsbegleitung“ einführen, um Lücke zwischen Hauskrankenpflege und 24-Stunden-Betreuung zu schließen
- Einrichtung von Pflegeservicestellen zur Entlastung von Angehörigen
- Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit