Viennale 2018: Musikhighlights ohne Ende

Ohne Musik ist der Filmgenuss (meist) nur halb so schön. Aber auch als zentrales Thema des cineastischen Schaffens dienen musikalische Auswüchse und ihre Protagonisten bestens, wovon man sich bei der 56. Viennale (25. Oktober bis 8. November) überzeugen kann. Denn auch Neo-Direktorin Eva Sangiorgi hat in ihr erstes Programm etliche Musikhighlights eingebaut, wie der nachfolgende Streifzug zeigt.
BLAZE, Regie: Ethan Hawke, USA 2017 – Ein Countryfilm mit Kris Kristofferson? Es scheint, als ginge Hollywoodstar Ethan Hawke als Regisseur auf Nummer sicher. Aber nein, natürlich steckt hinter “Blaze” keine beliebige Geschichte von gerissenen Saiten und gebrochenen Herzen. Stattdessen hat sich Hawke dem Leben und Werk von Blaze Foley angenommen, einem alles andere als angepassten Musiker aus Texas, der es selten leicht hatte. In der Rolle des bärbeißigen Sängers, der dann doch auch verletzliche Momente offenbart, glänzt Newcomer Ben Dickey, der sich bisher eher selbst als Musiker einen Namen gemacht hat. Hawke setzt in seiner dritten Regiearbeit auf ikonische Bilder und eine dunkel-verrauchte Atmosphäre, die den Zuseher mitten hinein bringen in die Bars und Saloons. Und ja, auch Kristofferson bekommt seinen Auftritt.
Musikhighlights auf der Viennale 2018
CARMINE STREET GUITARS, Regie: Ron Mann, Kanada 2018 – Ein El Dorado für Gitarrenfans ist Rick Kellys Laden in Greenwich Village: Im Herzen New Yorks werden hier Instrumente gefertigt, die allen Saitenzauberern das Herz höherschlagen lassen. Das Besondere an den Fertigungen von Kelly, davon abgesehen, dass sie Unikate sind: Er verwendet nur Hölzer aus alten Gebäuden der Umgebung. Wie es in Geschäft und Werkstatt genau zu geht, das hat Regisseur Ron Mann eingefangen, wobei auch Musiker von Gruppen wie Wilco, The Roots oder The Kills zu Wort kommen. Hier kann man eintauchen in eine wunderbar klingende Welt, die völlig ihren eigenen Gesetzen und Ansprüchen folgt.
HER SMELL, Regie: Alex Ross Perry, USA 2018 – Indie-Liebling und Viennale-Stammgast Alex Ross Perry dringt tief in die Riot-Grrrl-Szene der 1990er vor: In seinem neuesten, jüngst in Toronto uraufgeführten Film “Her Smell” lässt er Elisabeth Moss (“Mad Men”) als wütend-anarchistische Sängerin Becky Something von der Leine, die ihre Bandmitglieder terrorisiert und mit den Begleiterscheinungen des Musiklebens zu kämpfen hat. Denn abseits der Bühne beherrschen Drogen das Leben der Künstlerin, mit deren Darstellung Moss ein weiteres beeindruckendes Kapitel ihrer Vita hinzufügen kann. Dass im Spiel um Abhängigkeiten, Unterdrückung und Selbstzerstörung die Musik sukzessive in den Hintergrund rückt, macht “Her Smell” nicht weniger sehenswert.
Biopic bis Musical: Viennale deckt Musikhighlights ab
VOX LUX, Regie: Brady Corbet, USA 2018 – Als “twenty-first century portrait” wird Brady Corbets Film “Vox Lux” untertitel. Der Schauspieler, der vor zehn Jahren erstmals hinter die Kamera gewechselt ist, konnte dafür unter anderem Natalie Portman gewinnen, die er als exzentrische Popdiva inszeniert. Dabei beginnt alles ganz woanders, nämlich bei zwei Schwestern, die ein traumatisches Erlebnis mithilfe eines Songs verarbeiten – und damit ein unvorhergesehenes Blitzlichtgewitter evozieren, an dem ein gewisser Jude Law nicht ganz unschuldig ist. Crobet zirkuliert zwischen Popkultur-Analyse und einigen großen, einschneidenden Ereignissen, die auch den Subtitel nachvollziehbar machen. Die Musik in diesem intensiven Karussell der Gefühle stammt übrigens von Popstar Sia und Avantgardelegende Scott Walker, als Erzähler ist Willem Dafoe zu hören.
ZIMNA WOJNA, Regie: Pawel Pawlikowski, Polen/Großbritannien/Frankreich 2018 – Eine Sängerin, ein Pianist und der Kalte Krieg: Oscarpreisträger Pawel Pawlikowski (“Ida”) erzählt in seinem neuesten Film von einer Liebe, der auch die äußeren Umstände nichts anhaben können. Die Musik dient hier als Leitfaden für eine Geschichte voller Wendungen und unbarmherziger Einschnitte, die in wunderschön-nüchternem Schwarz-weiß aber trotzdem unglaublich viel Intensität und Romantik versprüht. Selbst die immer wieder in Erscheinung tretende Außenwelt, hart und widersprüchlich, kann das Paar nicht voneinander trennen. In Cannes wurde Pawlikowski dafür mit dem Regiepreis bedacht.
(APA/Red)