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Nach tagelanger Kritik: Keyl zieht Verwaltungsrichter-Bewerbung zurück

Hubert Keyl zieht seine Verwaltungsrichter-Bewerbung zurück.
Hubert Keyl zieht seine Verwaltungsrichter-Bewerbung zurück. ©APA (Sujet)
Der von der Bundesregierung designierte Bundesverwaltungsrichter Hubert Keyl zieht nach tagelanger Kritik seine Bewerbung für den Posten zurück. Er handle ausschließlich zum Schutze seiner Familie, erklärte er am Montag via Aussendung. Keyl relativierte seine Position gegen die Seligsprechung des von den Nazis hingerichteten Franz Jägerstätter.
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Keyl meinte, er könne seiner Familie die für ihn “vorher unvorstellbare mediale Hetzjagd” nicht mehr zumuten. Zu dieser sei es trotz eines erfolgreich absolvierten, unabhängigen Auswahlverfahrens und einer Prüfung durch die Bundesregierung gekommen.

Kritik an Hubert Keyl

Zuvor hatte es einen vielstimmigen Protest gegen die Nominierung Keyls gegeben, zuletzt selbst aus der ÖVP. Lediglich die FPÖ war ihm zur Seite gesprungen. Keyl, einst enger Mitarbeiter des früheren Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ), war 2010 in eine Prügelaffäre involviert, bei der Neonazi Gottfried Küssel zu seinen Gunsten in Erscheinung getreten sein soll.

Bereits am Samstag hatte Keyl daher in einer Aussendung betonen müssen, niemals eine gemeinsame politische Vergangenheit mit Küssel gehabt zu haben und auch in keinerlei Kontakt mit ihm zu stehen. Den Nationalsozialismus und seine grausamen Verbrechen lehne er in aller Entschiedenheit ab, unterstrich er.

Keyl sieht Jägerstätter-Seligsprechung jetzt anders

Nun distanzierte er sich auch von einem zehn Jahre alten Leserbrief in der Zeitschrift “Zur Zeit” gegen die Seligsprechung Jägerstetters. Nicht nur die Rechtslage habe sich geändert, sondern auch seine persönliche Ansicht, meinte er am Montag. “Ich würde diesen Artikel heute nicht mehr so veröffentlichen.” In dem Leserbreif hatte Keyl geschrieben, wer den Dienst in der Wehrmacht verweigert habe, sei “ein Verräter, und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen”.

Als Rückzugsgrund führte Keyl allerdings nicht diese beiden Causen an, sondern eine angelbliche “Hetzjagd” gegen seine Familie. “Als in Online Foren die Namen und Arbeitsstellen meiner Töchter veröffentlicht wurden, war jede Grenze überschritten. Ich nehme meine Verantwortung gegenüber meiner Familie wahr”, ließ er wissen: “Ich habe im Interesse der Sicherheit meiner Kinder und meiner Frau zu handeln. Hier treten persönliche Interessen in den Hintergrund.”

Nachträgliches Lob des Verwaltungsgerichts für Keyl

Das Präsidium des Bundesverwaltungsgerichts hat die Nominierung von Hubert Keyl am Montag im Nachhinein verteidigt. In einer Aussendung ist von dessen fachlich fundierter und positiver Arbeitsleistung die Rede, von der man sich täglich überzeugen habe können. Sein Verzicht auf das Amt des Richters sei zu respektieren.

Betont wird in der Aussendung, dass sich der Personalsenat bei der Nominierung der Richterkandidaten sowohl an den persönlichen Fähigkeiten als auch an den beruflichen Laufbahnen und Erfahrungen der Richter orientiere. Auf dieser Grundlage werde dann ein Vorschlag an den Justizminister übermittelt.

Strache spricht von “Hexenjagd”

Nach dem Verzicht des umstrittenen Juristen Hubert Keyl auf das Amt eines Bundesverwaltungsrichters zeigt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Verständnis für die Entscheidung. Keyl sei “zum Opfer einer politischen und medialen Hexenjagd geworden”, schreibt der Vizekanzler in einer Aussendung.

NEOS-Vizeklubchef Nikolaus Scherak wiederum meinte, dass sich solch ein Fall nicht wiederholen dürfe: “Es kann nicht sein, dass ÖVP und FPÖ Personen zu Richtern nominieren, die derart fragwürdige Gesinnungen vertreten und offensichtlich der Neonazi-Szene nahestehen. So jemand hat in der Gerichtsbarkeit nichts verloren.” Scherak fordert daher die Einführung eines transparenten Auswahlprozesses zur Verbesserung der Unabhängigkeit und Qualität der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Keyl kam mit Rückzieher Ablehnung durch Bundespräsidenten zuvor

Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Bundesverwaltungsrichter Hubert Keyl kam mit der Rücknahme seiner Bewerbung offenbar der Ablehnung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zuvor. Nach APA-Informationen hatte das Staatsoberhaupt am Wochenende höchsten Regierungskreisen klar gemacht, dass er einer Bestellung des umstrittenen Freiheitlichen nicht zustimmen wird.

Der Bundespräsident muss Bestellungen von Bundesverwaltungsrichtern absegnen. Die Regierung hatte Keyl und eine Reihe weiterer Kandidaten vergangenen Woche auf Basis von Nominierungen des zuständigen Personalsenats für die Richterposten vorgeschlagen.

Keyl geriet danach wegen seines Geschichtsbilds und kolportierter Kontakte zum bekannten Neonazi Gottfried Küssel in die Kritik. Vor zehn Jahren hatte Keyl in der rechtsextremen Zeitschrift “Zur Zeit” Franz Jägerstätter, der unter den Nazis den Wehrdienst aus religiösen Gründen verweigert hatte und dafür hingerichtet wurde, als “Verräter” bezeichnet. “Und Verräter soll man verurteilen und nicht seligsprechen”, so Keyl damals. Am Montag erklärte Keyl, dass er Jägerstätters Seligsprechung durch die katholische Kirche heute anders sehe. Den Nationalsozialismus und seine grausamen Verbrechen lehne er ab. Seine Bewerbung zog Keyl laut eigenen Angaben wegen der “medialen Hetzjagd” gegen seine Familie zurück.

Tatsächlich dürfte über das Wochenende der Druck gegen die Bestellung vor allem aus Kirchenkreisen sowie aus ÖVP-geführten Bundesländern gestiegen sein. Eine Bestellung Keyls würde dem Ansehen Österreichs in der Welt schaden, die Rehabilitierung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus sei ein Fundament der Republik, die Diskreditierung Jägerstätters stelle hingegen eine Kriminalisierung dieses Widerstands dar, damit würde eine Grenze überschritten, so die wesentlichen Kritikpunkte an der geplanten Bestellung.

Der Bundespräsident avisierte den Regierungsspitzen dem Vernehmen nach sein Veto, falls die Bewerbung nicht zurückgezogen wird. Die Präsidentschaftskanzlei wollte die Causa am Montag allerdings nicht offiziell kommentieren.

(APA/Red)

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