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EU-Gipfel: Türkei fordert mehr Geld - EU-Rat vertagt Entscheidung

EU-Politiker hatten Ankara vorgehalten, nicht genug für die Eindämmung des Flüchtlingsstroms in Richtung Griechenland zu tun.
EU-Politiker hatten Ankara vorgehalten, nicht genug für die Eindämmung des Flüchtlingsstroms in Richtung Griechenland zu tun. ©AP
Weitere Milliardenhilfe, visafreies Reisen bereits ab Juni und ein Austausch von syrischen Flüchtlingen im 1:1-Verhältnis: Das sind die Eckpunkte des Flüchtlingsdeals mit der Türkei, über die am Montagabend bei einem EU-Sondergipfel in Brüssel beraten wurde. Eine Entscheidung gab es nicht.
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Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten haben die Entscheidung über einen Flüchtlingsdeal mit der Türkei am Montagabend vertagt, teilten EU-Diplomaten in Brüssel mit. Man werde die Beratungen in den kommenden Tagen fortsetzen, und zwar zunächst auf Expertenebene.

Knackpunkte waren offenbar Detailfragen zur Visaerleichterung sowie zur Flüchtlingsrückführung. “Grundsätzlich” sei der neue Vorstoß seitens der Türkei von den Staats- und Regierungschefs aber positiv aufgenommen worden.

An der Zusammenkunft hatte auch der türkische Premier Ahmet Davutoglu teilgenommen. Bereits Ende nächster Woche kommen die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel in Brüssel zusammen.

Zusätzliche drei Milliarden Euro für die Türkei

Das EU-Angebot sieht Diplomaten zufolge vor, dass Ankara bis Ende 2018 drei Milliarden Euro zusätzlich für die Flüchtlingshilfe bekommt. Im November waren bereits drei Milliarden Euro von den EU-Staaten in Aussicht gestellt worden.

Das zusätzliche Geld soll wieder zweckgewidmet für die Flüchtlinge sein und nicht direkt an die Türkei überwiesen werden. Außerdem soll die Visapflicht für Türken bereits am 1. Juni fallen.

“Flüchtlingsrochade” mit der Türkei?

Kernpunkt des Deals ist, dass die Türkei in der Ägäis aufgegriffene illegale Migranten zurücknimmt. Im Gegenzug verpflichtet sich die EU, syrische Kriegsflüchtlinge von der Türkei zu übernehmen. Zu diesem Zweck ist ein Mechanismus geplant, wonach für jeden von Griechenland in die Türkei zurückgeschickten Syrer ein syrischer Kriegsflüchtling über das Resettlement-Programm von der EU aufgenommen werde.

Türkei-Forderungen als “Erpressung” bezeichnet

Bereits am frühen Abend hieß es, die Forderungen der Türkei würden “intensiv diskutiert”. Mehrere Delegationen hätten die türkischen Forderungen als Erpressungsversuch bezeichnet. Der türkische Premier Ahmet Davutoglu hatte sich positiv zum neuen EU-Entwurf geäußert. Dieser “zielt auf eine neue Ära in den EU-Türkei-Beziehungen ab”, sagte er. Mit dem Deal sollen Flüchtlingstragödien verhindert und Schlepper bekämpft werden.

“Ich hoffe, er kommt mit Geld zurück”

Dem türkischen Premier wurde vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Latte hoch gelegt. “Ich hoffe, er kommt mit Geld zurück”, sagte Erdogan mit Blick auf den Brüssel-Aufenthalt Davutoglus. Der Präsident kritisierte am Montag in Ankara, dass die EU schon vor vier Monaten Geld versprochen, es aber “immer noch nicht gegeben” habe.

Schelling gegen weiteres Geld für Ankara

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sprach sich unterdessen gegen weiteres Geld für Ankara aus. “Ich bin nicht bereit, über die drei Mrd. hinaus noch mehr Geld zur Verfügung zu stellen”, sagte Schelling noch vor Bekanntwerden des neuen EU-Gipfelentwurfs. Er wolle nicht weitere Mittel zur Verfügung stellen, “solange nicht klar ist, dass Länder mit Sonderbelastungen wie Deutschland, Schweden oder Österreich ebenfalls abgegolten werden”, sagte Schelling.

Merkel sorgt für Aufsehen

Zu Beginn des Gipfeltages sorgte die deutsche Kanzlerin Merkel für Aufsehen, indem sie öffentlich Widerstand gegen die im Gipfelentwurf enthaltene Schließung der Balkanroute anmeldete. “Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird”, sagte sie in Brüssel. Sie forderte stattdessen eine “nachhaltige Lösung” mit der Türkei. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach sich Diplomaten zufolge für eine Änderung der Formulierung aus, die als Erfolg Österreichs und der mitteleuropäischen Staaten angesehen wurde. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) sagte bei seinem Eintreffen in Brüssel, er sei “sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkanroute auch. Schlepper sollen keine Chance haben.” Auch der slowenische Ministerpräsident Miro Cerar bezeichnete eine Schließung der Balkanroute zum Auftakt des EU-Gipfels als “absolut notwendig”.

Verzweifelte Flüchtlinge rufen “Mama Merkel”

An der geschlossenen griechisch-mazedonischen Grenze appellierten unterdessen rund 200 verzweifelte Flüchtlinge an die deutsche Kanzlerin, ihnen zu helfen. Die Menschen riefen “Mama Merkel!” und hielten eine deutsche Fahne hoch, wie ein Fotoreporter der Nachrichtenagentur dpa am Montagnachmittag vor Ort beobachtete. Merkel hatte die von Österreich betriebene Schließung der mazedonischen Grenze scharf kritisiert. Österreichische Politiker zeigten sich unbeeindruckt und warfen Berlin ihrerseits Doppelzüngigkeit vor, weil es selbst Flüchtlingskontingente beschlossen habe. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sagte am Montagabend in einem ATV-Interview, die EU müsse “notfalls auch das Zeichen setzen, dass ein Grenze wirklich eine Grenze ist”. “Gewaltszenen sind nicht angestrebt, aber da und dort unvermeidbar”.

Schäuble: Griechenland braucht jede Unterstützung

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat “jede Unterstützung für Griechenland” in der Flüchtlingskrise hervorgehoben. Aber es dürfe dabei kein Zusammenhang mit dem notwendigen Stabilisierungsprogramm für Griechenland hergestellt werden. Athen müsse wieder auf einen Pfad des nachhaltigen Wachstums kommen, sagte Schäuble vor der Eurogruppe am Montag.

Er erwarte, dass die Troika diese Woche wieder nach Griechenland fahre und ihre Arbeiten fortsetze. Jedenfalls “waren wir mit Griechenland großzügig, wir bleiben auch großzügig. Wir haben Griechenland Zugang für die Finanzmärkte für viele Jahre mit niedrigen Zinsen verschafft”. Aber es sei noch ein langer Weg für Griechenland.

(APA)

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