ÖVP ernennt Hans Jörg Schelling zum neuen Finanzminister
Hans Jörg Schelling wird neuer ÖVP-Finanzminister, Harald Mahrer Staatssekretär im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium. Diesen Vorschlag des neuen Parteichefs Reinhold Mitterlehner hat der Vorstand der Volkspartei am Sonntag in Linz einstimmig beschlossen, berichteten Sitzungsteilnehmer im Anschluss an die Sitzung.
Klare Entscheidung für Hans Jörg Schelling
Die zuletzt noch kolportierten Widerstände aus Niederösterreich und vom Arbeitnehmerflügel wurden offenbar ausgeräumt. Landeshauptmann Erwin Pröll hat am Sonntag bereits vor Beginn des ÖVP-Vorstands in Linz jedenfalls bestätigt, dass er das Personalpaket von Neo-Parteichef Reinhold Mitterlehner unterstützt.
Mitterlehner war bereits am Dienstag, wenige Stunden nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef und Finanzminister Michael Spindelegger, zum neuen Parteiobmann designiert worden. Offen blieb damals noch, wer neuer Finanzminister wird. Als Mitterlehners Favorit galt zuletzt Hauptverbandschef Schelling, gegen den aber zunächst Widerstände aus Niederösterreich und vom Arbeitnehmerflügel kolportiert wurden.
Pröll für Mahrer-Schelling-Personalpaket
Pröll bestätigte allerdings am Sonntag, dass er das Personalpaket mit Schelling als Finanzminister und Harald Mahrer als neuem ÖVP-Staatssekretär im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium unterstützt. “Ja, bin ich”, sagte er auf die Frage, ob er diesbezüglich im Boot sei. ÖAAB-Chefin Innenministerin Johanna Mikl-Leitner betonte, dass sie den künftigen Finanzminister bereits am Sonntag getroffen und ihm ihre volle Unterstützung zugesagt habe.
Schelling sei “Experte und Politiker zugleich”, zeigte sie sich überzeugt. Er werde sein Amt “mit vollen Engagement und voller Kompetenz” ausüben, und er habe die “Kraft und notwendige Erfahrung”. Mikl-Leitner räumte ein, dass ihr Favorit ein “reiner Experte” gewesen wäre. Sie hatte sich ja für den Finanzwissenschafter Gottfried Haber von der Donau Uni Krems stark gemacht. Doch “es war von Anfang an klar, dass der Parteiobmann die volle Entscheidungsfreiheit hat”. Die ÖAAB-Obfrau zeigte sich insgesamt mit den Entscheidungen von Sonntag “sehr zufrieden” und sieht auch ihren Arbeitnehmerbund nicht geschwächt: Es sei nie eine Frage einer Teilorganisation der Partei gewesen, sondern immer eine Entscheidung unter kompetenten Persönlichkeiten.
Danninger scheidet aus
Aus der Regierung ausscheiden wird damit der bisherige Staatssekretär im Finanzministerium, Jochen Danninger, ein Vertreter des zurückgetretenen Vizekanzlers Spindelegger. Er bestätigte seinen Abgang am Sonntag. “Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden”, so Danninger vor der Sitzung des Parteivorstands. Leicht falle dies natürlich nicht, aber auch von ihm komme volle Unterstützung für den Parteiobmann.
Möbelmanager und Sanierer als Finanzminister
Mit Hans Jörg (eigentlich: Johann Georg) Schelling wird eine versierte Führungskraft Chef im Finanzministerium. Als Betriebswirt und Unternehmensberater bringt der 60-Jährige fachliche Qualifikationen mit, und als Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ist er auch bei politischen Verhandlungen Profi. Zu Geld kam der künftige ÖVP-Minister als Geschäftsführer der XXXLutz-Gruppe.
Bereits nach der letzten Nationalratswahl vor knapp einem Jahr war der gebürtige Vorarlberger als Finanzminister im Gespräch. Jetzt hat er den Sprung geschafft. Damals hatte die ÖVP bereits auf sein Verhandlungsgeschick gesetzt und ihn in den Koalitionsverhandlungen für die Partei die Bereiche Finanzen und Pensionen verhandeln lassen. Sein Fachwissen im Bankwesen als Aufsichtsrats-Vorsitzender der Problembank ÖVAG (Volksbanken AG) wird in seiner neuen Funktion als Finanzminister künftig wohl auch gefragt sein. Im Nationalrat saß Schelling vom Februar 2007 bis Oktober 2008 für die ÖVP.
Schelling kommt aus dem Wirtschaftsbund
Als Vizepräsident der Wirtschaftskammer kommt der mögliche neue Finanzminister ebenso wie sein neuer Parteichef Reinhold Mitterlehner aus dem Wirtschaftsbund. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer hat Schellings Geschick bei den Verhandlungen über die Gesundheitsreform zu schätzen gelernt. Ausverhandelt haben sie sie gemeinsam mit Alois Stöger (SPÖ), damals noch Gesundheitsminister, künftig Chef des Infrastrukturressorts.
Verscherzt hat es sich Schelling dagegen mit dem mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), weil er Vorschläge für Einsparungen im niederösterreichischen Gesundheitswesen machte. In Sachen Gesundheit und Finanzen kann er als Hauptverbandschef jedenfalls für sich verbuchen, maßgeblich für die Sanierung der Krankenkassen mitverantwortlich zu sein.
So ist Schelling privat
In seinem früheren Leben als Möbelmanager hat sich der zweifache Familienvater, der Kochen, Golfen und Segeln als Freizeitbeschäftigungen liebt, einen Zweitwohnsitz am Attersee und ein Weingut gepachtet hat, eine finanzielle Unabhängigkeit geschaffen. Er kann es sich daher leisten, von einer finanziellen Aufwandsentschädigung als Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger von rund 3.000 Euro zwölfmal im Jahr sowie einer Aufsichtsratsentschädigung bei der ÖVAG zu leben. Geld verdient er aber auch noch als selbstständiger Unternehmensberater in Sankt Pölten.
Seine berufliche Laufbahn begann Schelling 1981 bei der Leiner/Kika-Gruppe, 1988 wurde er dort Geschäftsführer. 1992 wurde er Geschäftsführer beim damals noch unbedeutenden Möbel Lutz, 2003 machte er die XXXLutz-Gruppe mit einem Umsatz von 1,25 Milliarden Euro zum größten Möbelhaus Österreichs. 2009 erreichte das Unternehmen einen Umsatz von zwei Milliarden Euro und wurde hinter Ikea zum zweitgrößten Möbelhaus der Welt. Schelling stieg aus und verkaufte seine Anteile.
Lebensmittelpunkt: St. Pölten
Schellings Lebensmittelpunkt ist Sankt Pölten, wo er 2001 auch seine politische Laufbahn in der Kommunalpolitik für die ÖVP begann. Große gesellschaftliche Auftritte sind nicht seine Sache. Er kocht stattdessen leidenschaftlich für Freunde auf und serviert seinen eigenen Wein, den er auf dem von ihm gepachteten Weingut von Stift Herzogenburg produziert. Er liefert den Wein auch selbst aus und macht Kellertouren. Als sein Ziel hat er genannt, “für meinen Wein Prämierungen zu bekommen und im Alter ein richtig knorriger Weinbauer zu werden”.
Biographische Eckdaten
Zur Person: Hans Jörg Schelling, geboren am 27. Dezember 1953 in Hohenems, verheiratet, zwei Töchter. Studium der Betriebswirtschaft, 1981 Promotion. Ab 1981 bei Kika/Leiner, ab 1988 als Geschäftsführer, 1992 bis 2005 Lutz-Geschäftsführer. Seit 1990 selbstständiger Unternehmensberater. Während seiner Managertätigkeit auch Aufsichtsrat von Palmers (bis 2003), der Telekom Austria (bis 2007) und der Österreichischen Post AG (bis 2007). Von 2007 bis 2008 war er Abgeordneter der ÖVP im Nationalrat. Vizepräsident der Wirtschaftskammer. Von 1.5. bis 16. 12. 2008 AUVA-Obmann, seit 21.1. 2009 Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger.
Der 21. Finanzminister kommt
Seit 1945 gab es 20 Finanzminister, darunter mit Maria Fekter (ÖVP) eine Frau. Der bisherige Hauptverbandschef Hans Jörg Schelling (ÖVP) wird ab kommender Woche der 21. Finanzminister der Zweiten Republik.
Schellings Kür wurde am Sonntag vom ÖVP-Vorstand abgesegnet, am morgigen Montag findet die Angelobung beim Bundespräsidenten statt. Unmittelbarer Vorgänger Schellings ist Michael Spindelegger, der vergangenen Dienstag von seinen Ämtern als ÖVP-Chef, Vizekanzler und Finanzminister zurückgetreten ist. Spindelegger war seit der Regierungsbildung im Dezember 2013 und damit nicht einmal neun Monate Finanzminister.
Ressort in ÖVP-Hand
Die Volkspartei führt das Ressort seit 2003, zuvor war es 30 Jahre lang in der Hand der SPÖ gewesen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hatte mit Georg Zimmermann ein Parteiloser das Finanzministerium geführt. Danach stellte die ÖVP von 1949 bis 1970 insgesamt sieben Hausherren in der Himmelpfortgasse. Hannes Androsch leitete dann in der Regierung Bruno Kreiskys die 30-jährige Vormachtstellung der SPÖ im Finanzministerium mit ebenfalls sieben Ressortchefs ein.
In der schwarz-blau-orangen Regierung übernahm 2000 mit Karl-Heinz Grasser zunächst die FPÖ das Ressort, 2003 kam wieder Grasser, diesmal allerdings auf einem ÖVP-Ticket. Auch in der rot-schwarzen Regierung ist das Finanzressort trotz SPÖ-Kanzlerschaft in ÖVP-Hand geblieben. Früher war es traditionell mit einem Minister jener Partei besetzt, die auch den Bundeskanzler stellte.
Die Finanzminister der Zweiten Republik
Georg Zimmermann (parteilos) 20. 12. 1945 - 08. 11. 1949 Eugen Margaretha (V) 08. 11. 1949 - 23. 01. 1952 Reinhard Kamitz (V) 23. 01. 1952 - 17. 06. 1960 Eduard Heilingsetzer (V) 17. 06. 1960 - 11. 04. 1961 Josef Klaus (V) 11. 04. 1961 - 27. 03. 1963 Franz Korinek (V) 27. 03. 1963 - 02. 04. 1964 Wolfgang Schmitz (V) 02. 04. 1964 - 19. 01. 1968 Stephan Koren (V) 19. 01. 1968 - 21. 04. 1970 Hannes Androsch (S) 21. 04. 1970 - 20. 01. 1981 Herbert Salcher (S) 20. 01. 1981 - 10. 09. 1984 Franz Vranitzky (S) 10. 09. 1984 - 16. 06. 1986 Ferdinand Lacina (S) 16. 06. 1986 - 06. 04. 1995 Andreas Staribacher (S) 06. 04. 1995 - 03. 01. 1996 Viktor Klima (S) 03. 01. 1996 - 28. 01. 1997 Rudolf Edlinger (S) 28. 01. 1997 - 04. 02. 2000 Karl-Heinz Grasser (F/V) 04. 02. 2000 - 11. 01. 2007 Wilhelm Molterer (V) 11. 01. 2007 - 02. 12. 2008 Josef Pröll (V) 02. 12. 2008 - 21. 04. 2011 Maria Fekter (V) 21. 04. 2011 - 16. 12. 2013 Michael Spindelegger (V) 16. 12. 2013 - 01. 09. 2014 Hans Jörg Schelling (V) ab 01. 09. 2014
(apa/red)