Nach Flüchtlingstragödie droht Italien der EU
Die Regierung verlangt ein baldiges Treffen der europäischen Verantwortlichen. “Mit unserer Mittelmeer-Mission ‘Mare Nostrum’ haben wir bereits 20.000 Migranten gerettet”, sagte Alfano. “Entweder Europa unterstützt uns dabei, oder wir werden die auf Sizilien gelandeten Flüchtlinge frei in andere europäische Länder ziehen lassen, wie sie es meistens wünschen. Migranten sollen die Möglichkeit haben, politisches Asyl in allen EU-Ländern zu erhalten, nicht nur in Italien”.
Migrationswelle aus Libyen stoppen
Laut Alfano muss sich Europa vor allem verstärkt in Libyen engagieren, um die Migrationswelle zu stoppen. Der Innenminister forderte die Verlegung des Sitzes der Grenzschutzagentur Frontex von Warschau nach Italien.
Mittelmeer als “russisches Roulette”
Die Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, Ex-Sprecherin des UNO-Flüchtlingswerks UNHCR, warnte, dass das Mittelmeer zu einem “russischen Roulette” für Migranten geworden sei. “Die Rettung der Flüchtlinge ist eine internationale Pflicht. Italien kann nicht immer rechtzeitig eingreifen, um Tragödien dieser Art zu verhindern”, so Boldrini.
Populistische Parteien in Italien drängen auf ein sofortiges Ende der Mission “Mare Nostrum” zur Rettung der Flüchtlinge in Meer, dank der seit Oktober Zehntausende Migranten auf dem Meer in Sicherheit gebracht wurden. Die Rettungsaktion würde die Schlepperei über das Mittelmeer nur noch mehr fördern, behauptet unter anderem die Lega Nord. “Statt Geld für die Patrouillierung des Mittelmeeres auszugeben, sollte man in Afrika in die Vorbeugung der illegalen Migration investieren”, sagte der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini.
Erneutes Flüchtlingsunglück mit Toten
Nach dem erneuten Flüchtlingsunglück südlich der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa sind weitere Leichen geborgen worden. Mindestens 17 Menschen seien ums Leben gekommen, teilte die italienische Marine am Dienstag mit. 206 Flüchtlinge seien gerettet worden.
Das Flüchtlingsboot mit rund 400 Menschen an Bord war am Montagmorgen rund 160 Kilometer südlich der Insel und 80 Kilometer vor der libyschen Küste gesunken.
Kritik an EU-Abschottung
Auch in Österreich wird nach dem erneuten Flüchtlingsunglück eine Neuausrichtung der EU-Flüchtlingspolitik gefordert. Rotes Kreuz, Caritas Wien, Grüne und der ÖVP-Europaabgeordnete Otmar Karas haben am Dienstag auf eine Abkehr von der bisherigen Abschottungspolitik gepocht. Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer forderte, dass Flüchtlinge auf legalem Weg in die EU einreisen und einen Asylantrag stellen können. “Es ist höchste Zeit, dass Europa seine Flüchtlingspolitik ändert. Der Schutz von Menschen muss wieder wichtiger werden als der Schutz von Grenzen”, teilte er in einer Aussendung mit.
“Kein Drama, sondern ein Verbrechen”
Es sei kein Drama, “sondern ein Verbrechen, wenn wir schutzsuchende Frauen, Männer und Kinder im Mittelmeer hilflos ertrinken lassen”, beklagte der Generalsekretär der Caritas Wien, Klaus Schwertner. Während einerseits die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt würden, investiere man in den Grenzschutz mit Stacheldrahtzäunen. “Das ist nicht die Sozial- und Solidaritätsunion EU, in der wir leben wollen.”
Der ÖVP-Europaabgeordnete Otmar Karas nahm die Flüchtlingstragödie zum Anlass, eine “koordinierte gemeinsame Einwanderungspolitik der Europäischen Union ähnlich den Prinzipien der österreichischen Rot-Weiß-Rot-Card” vorzuschlagen. Die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer seien neben der Jugendarbeitslosigkeit “die größte Wunde der europäischen Wertegemeinschaft.
Italien nicht allein lassen
Die Grün-Abgeordneten Ulrike Lunacek und Alev Korun forderten in einer gemeinsamen Aussendung eine “schnell und umfassende EU-weite und Solidarität und Unterstützung sowohl bei der Seenotrettung als auch bei der Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge”. Italien dürfe nicht allein gelassen werden, kritisierten sie die “Unzulänglichkeit” des Dublin-II-Systems, wonach jeweils das erste Land, das ein Flüchtling betrete, für diesen zuständig sei.
(APA)